Shawarma City – nicht einladend, aber köstlich

Als die Frau einen Döner bestellt, muss Ibrahim Abou Hawa lachen. Aus dem Lachen wird schnell ein kontrolliertes Glucksen und dann ein höfliches Lächeln. Die Kundin soll ja nicht das Gefühl bekommen, ausgelacht zu werden. Der große Fleischspieß hinter ihm mag ein wenig daran erinnern, aber Döner gibt es hier nicht. Ibrahim verkauft in seinem Imbiss arabische Speisen. Die Frau, die zum ersten Mal hier ist, nimmt ein Schawarma-Sandwich. Sie wird es – darauf würde ich viel Geld wetten – nicht bereuen. Denn wer einmal bei Shawarma City isst, kommt meist wieder.
Bei mir war es genauso. Ich bin irgendwann im Jahr 2021 auf den Imbiss gestoßen. Die arabische Küche habe ich Jahre vorher in Berlin lieben gelernt (meine Empfehlung). In der Hauptstadt gibt es Schawarma fast an jeder Straßenecke, in einigen Stadtteilen häufiger als Döner. Nach meinem Umzug nach Düsseldorf haben mir die Sandwiches gefehlt, denn hier gibt es nicht so viel arabisches Essen. Als ich eines Tages bei Google danach suchte, fand ich Shawarma City. Die Bewertungen waren so gut, dass ich schon fast misstrauisch wurde. Das muss ich mir doch mal anschauen, dachte ich. Eines Tages aß ich mit einem Freund bei Shawarma City und bin seitdem regelmäßiger Gast.
Den an der Oststraße gelegenen Imbiss gibt es erst seit etwa zweieinhalb Jahren, aber er ist längst kein Geheimtipp mehr. Während die Pandemie deutschlandweit Gastronomen die Existenz kostete, schrieb Shawarma City eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Hat er damals geahnt, dass es so gut laufen würde? Niemals, sagt Ibrahim und muss grinsen. Auch seine persönliche Geschichte ist spannend. 2015 war der gelernte Elektrotechniker von Syrien nach Deutschland geflohen. Zunächst lebte er in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, dann in Schwerin. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Essen zog es ihn nach Düsseldorf. Dort arbeitete er vier Jahre in dem türkischen Restaurant Saray in der Worringer Straße, seine Frau und seine beiden Kinder waren inzwischen nachgekommen. Im August 2020 übernahm er das kleine Ladenlokal an der Oststraße.
Bei Ibrahim gibt es gerollte Sandwiches in verschiedenen Kreationen: mit marinierten Fleischstückchen aus Hähnchen oder Lamm (Schawarma) oder mit Falafel. Auch wenn die Schlange vor dem Laden lang ist, dauert es selten lange. Die Zubereitung: Ibrahim legt Salat und Fleisch auf das weiche, dünne arabische Fladenbrot, dazu etwas Sauce. Dann rollt er den Sandwich und hält ihn kurz an den Rost des Fleischspießes. Das macht man in Syrien so und ist gut für den Geschmack, erfahre ich. Zuletzt steckt Ibrahim die Schawarma-Rolle noch kurz in einen Kontaktgrill. Nach knapp zwei Minuten hält er sie mir hin. Ein Tempo, das andere Fastfood-Läden neidisch machen kann. Und der Preis ebenso. Fünf Euro für Hähnchen-, 5,50 für Lamm-Schawarma: In Zeiten, in denen der Döner häufig die Sechs- und die Pizza sogar die Zehn-Euro-Marke geknackt hat, ist das ein echtes Statement.
In Düsseldorf gibt es – etwa im Vergleich zu Berlin – viel Gastronomie mit stolzen Preisen, aber nur mittelmäßigem Essen. Shawarma City zeigt, dass es auch anders geht. Gutes Essen kann schnell, günstig und trotzdem lecker sein. Das Schawarma-Fleisch ist unheimlich zart und geschmacksintensiv, die Knoblauch-Sauce köstlich. Das Essen ist zum Genießen, die Lokalität nicht. Wer es gern schick mag, ist bei Shawarma City falsch. Das Ambiente lädt nicht zum Verweilen ein, aber geht man dafür zu einer Imbissbude? Wohl eher nicht. Zwischen Bürgersteig und Straße ist eine kleine Außenterrasse, Tische und Stühle gibt es nicht. Wer hier steht und isst, der sieht Düsseldorf nicht von seiner schönsten Seite. Neben so viel Autolärm und Abgasen essen, das kann man machen, aber zum Glück lassen sich die Sandwiches auch mitnehmen.
Im Umfeld von Shawarma City ist die Imbiss- und Restaurant-Dichte hoch. Hier muss man als Gastronom gut sein, um zu bestehen. Ibrahim kann sich das triste Ambiente leisten, weil seine Sandwiches so lecker sind. So lecker, dass sich vor seinem Laden meist schon eine lange Warteschlange gebildet hat, wenn er ihn gegen 12 Uhr öffnet. So lecker, dass er abends oft früher schließt, weil nichts mehr da ist. Etwa 250 Sandwiches mit 30 bis 40 Kilogramm Fleisch sind es im Schnitt pro Tag, die da durch das offene Fenster verkauft werden. Das Ladenlokal ist spektakulär unspektakulär. So winzig, dass man gar nicht hineingehen kann. Wer davor steht, kann Shawarma City wirklich nur gnadenlos unterschätzen.

Ibrahim arbeitet täglich zehn bis zwölf Stunden in seinem Imbiss, nur sonntags hat er frei. Vor allem die Zubereitung der riesigen Fleischspieße ist aufwendig, denn die werden anders als beim Dönerfleisch nicht fertig geliefert. Ab nachmittags bereitet Ibrahim Fleisch und Saucen frisch und „auf arabische Art“ für den nächsten Tag vor. Urlaub hat der 40-Jährige nicht einmal gemacht, seit er Shawarma City eröffnet hat. Er würde gern, aber es geht zurzeit nicht, weil ihm das Personal fehlt. Ibrahim sucht deshalb dringend Leute, die sich mit arabischer Küche auskennen. Dies ist eine Stellenausschreibung: Wer sich angesprochen fühlt oder jemanden kennt, bitte melden.
Auch Ibrahim stört das ungastliche Ambiente. Im Frühjahr wird er sich deshalb zumindest ein wenig vergrößern, dann zieht Shawarma City nur ein paar Meter weiter in ein etwas größeres Ladenlokal an der Ecke Ost-/Alexanderstraße. Dort ist mehr als doppelt so viel Quadratmeter Platz wie bisher, sodass die Kunden den Imbiss sogar betreten können. Auch ein paar Tische soll es geben.
Ibrahim träumt davon, irgendwann ein richtiges Restaurant zu haben. Wer das Lokal betritt, soll dann das Gefühl haben, in Damaskus zu sein. Wenn er darüber spricht, bekommt er glänzende Augen. Vielleicht wird auch dieser Traum eines Tages wahr. Ein Stück Damaskus in Düsseldorf. Nach Syrien zurückgehen will Ibrahim nicht. „Ich bin Düsseldorfer geworden. Das ist ein Gefühl. Ich liebe diese Stadt“, sagt er.