Gastro-Tipp: Mittagessen in der Wohngemeinschaft
Die Wohngemeinschaften, in denen man gerne Gast war, boten auf jeden Fall zwei Dinge: mindestens einen Menschen, der gut kochen kann, und mindestens einen Menschen, der sich mit Musik auskennt. In den richtig guten Fällen hatten die Bewohner:innen auch noch einen gemeinsamen Sinn für ihre Möbel, Wände und die Dinge, die dort hingen.
Auch wenn das zunächst ein seltsamer Maßstab für einen Gastro-Tipp ist, aber das Funky Deli an der Brunnenstraße in Bilk wäre eine großartige Wohngemeinschaft. Was ich daran merke, dass ich mich zunächst wie bei einem WG-Besuch bewege. Ich schaue auf die Rücken der Bücher und lese die Titel der LPs, die im Regal stehen, frage mich, wem die Gitarre daneben wohl gehört, gucke an den Wänden entlang und spüre, dass ich bei den Bildern und Schildern immer wieder schmunzele.
Es dauert deshalb ein bisschen, bis man bei den Tafeln über der Theke landet und die Frage klärt, was man sich vom gut kochenden Mitbewohner wünscht. Marokkanische Suppe, vegane Tajine, einen großen Vorspeisen-Teller (Meze), Sandwiches mit Hummus oder gegrilltem Gemüse – der Schwerpunkt der Karte liegt auf der südlichen Seite des Mittelmeers. Und er ist vegetarisch und vegan. Das heißt praktisch: Die Gäste können zum Beispiel wählen, ob sie ihr Gericht mit Feta oder veganem Käse bekommen möchten.
Nach meiner Bestellung merke ich, dass ich mit meinem Besuch an einem Mittag im Januar gleich mehrere Fehler gemacht habe: falsche Uhr- und falsche Jahreszeit. Beim Blick in den Flur sehe ich ein Weinregal und einen Bier-Kühlschrank, danach bemerke ich, dass es neben den Tafeln mit den Gerichten auch eine für Cocktails gibt. Abendbesuche lohnen sich offensichtlich, das weiß ich dann allerspätestens, als ich die beiden Plattenspieler sehe, mit denen man hier das Adjektiv in Funky Deli ehrt.
Durchs Fenster sehe ich die bunten Stühle draußen und fürchte, dass Frühling, Sommer und die auch nur halbwegs warmen Teile des Herbstes auch noch besser für einen solchen Abend geeignet wären. Mir fällt wieder ein, dass ich dort beim Vorbeilaufen immer Menschen sitzen sah, die eine gute Atmosphäre ahnen ließen. Den Da-musst-Du-mal-hin-Gedanken habe ich offenkundig mit Verspätung im Deutsche-Bahn-Maßstab umgesetzt.
Bevor ich knietief im Trübsinn stehe, rettet mich der Küchenchef. Er ist noch bei der Arbeit, aber es riecht schon großartig aus der Küche und ich weiß, dass das vermutlich mein Mittagessen sein wird. Die vegane Tajine, die bald vor mir steht, erfüllt, was die Nase versprach. Tomaten, Kichererbsen und Linsen sind die Hauptdarsteller des Schmorgerichts und lassen Fleisch oder Fisch nicht im Ansatz vermissen. Ein Grund dafür sind die gegrillten Paprika (Suchtfaktor 100), der andere ist der großzügige Koch: Er hat die groben Salzkörner und das Olivenöl aus freier Hand verteilt und sorgt damit für ähnliche Momente wie Regal und Wände: Nichts ist gleichmäßig, immer wieder entdeckt man etwas und freut sich. Letzter Fehler meinerseits (und damit Rat an alle Leser:innen): Bei viel Bulgur auf dem Löffel nicht feste pusten, egal, wie heiß das Gericht ist.
The Funky Deli ist auch an Wochentagen mittags gut besucht, aber auf die entspannte Weise. Mir fällt an der Stelle auf und ein, was der Unterschied zwischen Bilk und Unterbilk ist, obwohl sie so nah beieinander liegen. In beiden Stadtteilen kann man cool ausgehen, in Unterbilk bedeutet cool auch schick, in Bilk bedeutet es lässig. Hier ist man nicht rasiert, weil man einfach nicht dazugekommen ist oder einfach keine Lust hatte. In Unterbilk ist es Absicht.
Deshalb kann ich mir auch nicht so recht vorstellen, dass Menschen in Unterbilk in einer WG leben. In Bilk dagegen kenne ich jetzt eine mehr. Eine, in die man sich ohne Zweifel selbst einladen kann.
Informationen zum Restaurant
The Funky Deli, Brunnenstraße 22, Telefon 0176 5548 2395, E-Mail: [email protected], Facebook: www.facebook.com/The.Funky.Deli
Öffnungszeiten: montags 10 bis 17, dienstags & mittwochs 10 bis 20, donnerstags 10 bis 23, freitags & samstags 10 bis 2, sonntags 10 bis 16 Uhr