Ich gehe langsam durch die Stadt

In diesen Zeiten, in denen wir per Maus sekundenschnell Dinge an- oder wegklicken, E-Bikes und Roller unser Fortkommen noch flotter machen, und Tinder hilft, sich nicht mehr auf langwierige Partnersuche in der realen Welt begeben zu müssen, in diesen Zeiten schlägt VierNull mal was Behäbiges vor. Nämlich zu Fuß unterwegs zu sein, also langsam durch die Stadt zu gehen. Das zu tun, erzwingt auf angenehme Weise, sich Dinge länger, also genauer anzusehen. Kollege Christian Herrendorf und ich machen das nun regelmäßig, und die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt: Diese buchstäblich entschleunigte Methode, von A nach B zu kommen, ist nicht nur beruhigend. Sie bringt gänzlich neue Erkenntnisse über diese Stadt, in der wir leben, die wir größtenteils mögen und über die VierNull berichtet. Das werden wir so flott es geht tun, das ist unser Anspruch. Aber hier, in dieser Kolumne, sozusagen als Kontrast, auch in einer wunderbaren Leichtigkeit der geruhsamen Fortbewegung. Wäre ich nicht immer wieder zu Fuß durch den so genannten Belsenpark in Oberkassel gegangen (dort kaufe ich im von mir bevorzugten Supermarkt ein), wäre mir vermutlich nicht die Namensgebung der durchweg neuen Straßen aufgefallen – nach dem Maler Theo Champion und der Tänzerin Ria Thiele. Bis dato hatte ich keine Ahnung, wer das ist, und habe mich inzwischen erkundigt. Die beiden mit Straßennamen zu ehren, damit die Erinnerung wach zu halten, ist also gut und gelungen. Wie die Anwohner das finden? Keine Ahnung. Aber die Zuteilung von Straßennamen in Düsseldorf unterliegt nach meiner über die Jahre gewachsenen Einschätzung eh einem merkwürdigen Regelwerk, womöglich auch gar keinem. Sie ist dem Urteil von Kommunalpolitikern vorbehalten, die nicht immer ein glückliches Händchen haben. Dass man nun endlich anfängt, böse Gestalten aus kolonialer Vergangenheit von den Schildern zu tilgen, mag historisch gerechtfertigt sein, wirkt aber auf mich immer auch wie Aktionismus. Jahrzehnte lang haben die Herrschaften keinen gestört, obwohl ihr übles Tun hätte bekannt sein können. Nun sieht man sie anders, kritischer – und weg mit ihnen. Das ist okay, bedeutet aber für die dort lebenden Menschen vor allem Aufwand. Pässe müssen geändert, Eintragungen aktualisiert werden. Das wird nicht jeder goutieren. Endlich das deutliche Übergewicht von männlichen Straßennamen zu beenden, ist mit Sicherheit überfällig, aber es sollte nicht dazu führen, dass eine Straße nach einer gewiss verdienten Sozialdemokratin mit einem ellenlangen Doppelnamen benannt wird, nur weil man der Frau posthum etwas Gutes tun möchte. Die Anwohner werden das vor allem umständlich finden. Wobei: Dass sie nun mal so hieß, sollte einer Ehrung nicht im Wege stehen, aber andere Wege zu finden, halte ich für geboten. Ein bisschen Pragmatismus kann nicht schaden. Wie wäre es mit Gedenkplaketten an jenen Stellen, an der die Frau lebte, geboren wurde oder tätig war? Die Gemeinde Grömitz an der Ostsee hat dafür einen sympathischen Weg gefunden: Auf ihrer Promenade am Meer entlang sind überall unübersehbare Schilder ins Pflaster eingelassen, auf denen Namen und Verdienste (meist Geldspenden) zu ehrender Personen eingelassen sind. Zurück zu den Straßennamen: Sie sind keinesfalls Schall und Rauch, sondern auch eine Botschaft, sagen bisweilen etwas aus über den sozialen Stellenwert der Adresse. Brend’amourstraße (in Oberkassel) klingt schick, aber Rene-Schickele-Straße (in Garath) oder Eisenstraße (in Oberbilk) eher nicht. Wer an der Fichtenstraße wohnt (in Flingern) hat kaum Grün vor der Haustür, die Adressen Cecilienallee (Golzheim) und Springorumstraße (Zoo) signalisieren dem Insider gediegenes Haushaltseinkommen. Und warum sowohl in Düsseldorf als auch in Duisburg die Bordelle jeweils an der Vulkanstraße liegen, ist eine Frage, der man mal nachgehen könnte. Dass es diese Dopplung gibt, wusste ich bislang nicht, obwohl ich über mehrere Jahre nur wenige Straßen entfernt im Oberbilker Kiez tief verwurzelt war. Aufgefallen sind mir die Merkwürdigkeiten um diese ganzen Namen, als ich zu Fuß unterwegs war – langsam und einfach quer durch die Stadt.

Ich gehe langsam durch die Stadt

Ich gehe langsam durch die Stadt

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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