Aus für die Jazz Rally – Was Düsseldorf nun von anderen Festivals lernen kann
Auf der Internetseite der Jazz Rally lief der Countdown bis zur nächsten Veranstaltung am Montagabend noch, am Dienstag erschien dann die Mitteilung, dass es das Event nicht mehr geben wird. „Es ist Zeit für Veränderungen“, schreiben die Organisator:innen von Destination Düsseldorf und kündigen für 2025 „ein neues spannendes Format“. Düsseldorf verliert damit ein weiteres Musik-Ereignis.
Destination Düsseldorf hat nach Corona einiges probiert, die Rally wieder erfolgreich zu machen. Sie strich den Button, mit dem man früher (fast) alle Konzerte besuchen konnte, und verkaufte stattdessen Karten für die einzelnen Konzerte. Und sie verabschiedete sich von der Bühne auf dem Burgplatz, die zuvor das Zentrum des Festivals war, und wechselte in die Rheinterrasse. So sparte sie Ausgaben, weil sie nicht extra etwas errichten, betreiben und wieder abbauen musste. Wie das Publikum darauf reagierte, ließen die Veranstalter:innen offen. In der Abschluss-Pressemitteilung der Rally 2023 sprachen sie lediglich von „zehntausenden Musikfans“, die die Musik gehört hatten. Diese Angabe stimmte auf jeden Fall, weil am Festival-Wochenende Marching-Bands in der Innenstadt unterwegs waren.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erscheinen die Schritte nachvollziehbar. Sie nahmen der Jazz Rally aber ein Stück ihrer DNA und sie schafften es offensichtlich nicht, die gestiegenen Kosten auszugleichen, die alle Konzerte und größeren Veranstaltungen treffen. Hinzu kommt eine starke Konkurrenz in der Region. So sieht man derzeit an vielen Stellen der Stadt Plakate der Leverkusener Jazztage. Dort spielen Anfang November neben den Genre-Künstler:innen populäre Musiker wie Philip Poisel und Jan Delay.
Aus Düsseldorfer verschwindet damit innerhalb weniger Jahre das dritte Festival. Noch vor Corona hatten die Macher:innen des Open Source auf der Rennbahn erklärt, dass sie wegen gestiegener Kosten nicht weitermachen. Und in diesem Jahr teilte das Acoustic Festival mit, dass es seine Sommerausgabe streichen muss.
Die Krise ist auch an Ganzjahres-Musik-Orten spürbar, wie ich in der Geschichte „Rock’n’Roll will never die – aber in Düsseldorf geht es ihm nicht gut“ berichtet habe: Das Tube hat im Sommer geschlossen, der Kunstraum Kö106 wenig später, und mit dem neuen Haus der Jugend fremdeln viele Musiker:innen.
Trotz oder vielleicht sogar wegen all dieser Rückschläge ist das Aus für die Jazz Rally die Chance, neu über Festivals in Düsseldorf nachzudenken: Was hat hier gut funktioniert? Was kann man von anderen Städten lernen? Welche Möglichkeiten sind unentdeckt? Aus meiner Sicht sind dabei fünf Punkte zu beachten:
Der Ort: Festivals, die nach wie vor gut laufen, schaffen oft ein Dorf oder eine Stadt für ein Wochenende. Sie beziehen bestehende Gebäude als ungewöhnliche Konzert-Orte ein oder bauen diese selbst. Das gelingt sowohl kleineren Festivals (zum Beispiel dem Haldern Pop) als auch riesigen (zum Beispiel dem Parookaville).
Die Rennbahn hatte beim Open Source diese Stärke, das Ehrenhof Open mit den Gebäuden am Hofgarten zumindest eine ähnliche Chance. Da die Ausgaben 2022 und 2023 durch eine Bombenentschärfung beziehungsweise schlechtes Wetter beeinträchtigt waren, kann man noch nicht sagen, wie besonders die Atmosphäre dort sein kann. Mein Eindruck war, dass der Ehrenhof gut wirkte, aber keine eigene Welt war wie die gerade genannten Festivals. Man müsste in Düsseldorf also nochmal auf die Suche nach einem überraschenden Ort gehen.
Die Veranstalter:innen: Es gibt Festivals, die ganz eng mit einer oder wenigen Personen verknüpft sind. Wacken ist mit seinen Erfindern Thomas Jensen und Holger Hübner ein Beispiel dafür. Solche Organisator:innen erarbeiten sich eigene Fans. Damit sind nicht Menschen gemeint, die sie an sich bewundern, sondern die ihnen als Macher:innen so vertrauen, dass das Festival schon ausverkauft ist, bevor ein einziger Programmpunkt steht.
Solche Personen kann nicht einfach engagieren. Aber alle beschriebenen Düsseldorfer Festivals wurden und werden von Menschen gemacht, die sich auch um andere Veranstaltungen und Themen kümmern. Deshalb könnte es eine Lehre sein, jemand zu suchen, der sich nur um dieses eine Festival in Düsseldorf kümmert. Und der ein bisschen bekloppt ist.
Das Publikum: Vorwiegend kaufen Fans Tickets, weil sie wissen, dass stilistisch genug im Programm für sie dabei ist. Mittlerweile zeigt sich aber auch, dass es Festival-Zielgruppen gibt, bei denen Musik an zweiter Stelle kommt, Familien zum Beispiel. Das Orange-Blossom- oder das Heimspiel-Festival in Eltville ziehen viele Besucher:innen, weil diese wissen, dass ihre Kinder gefahrlos mitkommen können und trotzdem weder Rolf Zuckowski noch Volker Rosin auftreten.
Düsseldorf hat aus dieser auch zahlungskräftigen Zielgruppe reichlich Bewohner:innen und könnte zudem Familien aus der erweiterten Region ansprechen.
Die Förderer: Auf der Seite des Zeltfestivals Ruhr steht ein interessanter Satz: „Das Zeltfestival Ruhr ist eine Initiative von Bochumer Unternehmen zur Bereicherung der Kulturszene des Ruhrgebiets.“ In Bochum kommen so über einige Wochen verteilt jede Menge Musiker:innen aus der ersten Liga zusammen. In diesem Sommer gab es beispielsweise einen Abend, an dem Mando Diao in einem Zelt spielt und Nico Santos im anderen. Das sorgt für zwei getrennte, aber jeweils große Fangruppen.
Die Destination Düsseldorf ist mit einem ähnlichen Gedanken 1989 gestartet. Sie hat Jazz Rally, Frankreichfest und ProWein goes city entwickelt, um Gäste nach Düsseldorf zu holen. Der Destination gehören heute nach eigenen Angaben 150 Mitgliedsunternehmen an. Ich kann deren wirtschaftliche Kraft nicht einschätzen, aber grundsätzlich sollte es in Düsseldorf ein Potential wie in Bochum geben. Das braucht ein neues Konzept, wie es nun für 2025 angekündigt ist.
Die Dimension: Sehr große Festival funktionieren oft gut, auch wenn sie größere Risiken bergen und die Zahl der Musiker:innen, die dort spielen können, begrenzt ist. Damit kommt die Ed-Sheeran-Gedächtnis-Wiese wieder ins Spiel. Die städtische Veranstaltungstochter D.Live wollte im Jahr 2018 einspringen, als ein Konzert des englischen Sängers nicht in Mülheim stattfinden konnte. Dazu sollte kurzfristig eine Fläche an der Messe hergerichtet werden. Die Idee fand damals allerdings keine politische Mehrheit. Ed Sheeran sang in der Gelsenkirchener Arena statt auf dem Düsseldorfer Parkplatz.
Die Idee gibt es aber immer noch und D.Live-Chef Michael Brill wirbt mit allen Argumenten, die ihm schlüssig erscheinen, dafür. Tatsächlich stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass das Gelände für Konzerte entsteht, die mehr Zuschauer:innen anziehen, als in die Arena passen. Dort könnten dann neben Einzelauftritten von Ed Sheeran und ähnlich erfolgreichen Kolleg:innen auch Festivals stattfinden. Allerdings wäre das dann eine Größenordnung, die die verschwundenen und verschwindenden Veranstaltungen um ein Vielfaches übertrifft – so dass die Lücke dennoch bliebe.