Kämpfer, Fanliebling, Wirt – wie Mathias Jack über Edinburgh in Düsseldorfs Altstadt landete

Die fast 80.000 Zuschauer in Berlin, die Zeit in Schottland und Island. Alles besondere Erlebnisse. Doch am detailreichsten erinnert sich der Mann, der heute mit seinem blau-weiß gestreiften Hemd und der schwarzen Mütze über den herausstehenden Locken ausnahmsweise vor der Theke sitzt, an diesen einen verregneten Sonntag vor 22 Jahren. Er zeigt dabei in die Ecke des Raumes, an den Tisch, der seit Corona die Nummer neun trägt. „Es waren sieben Leute hier, da haben wir uns hingesetzt, das Spiel geguckt. Außer uns waren drei Hibs- und zwei Rangers-Fans da.“ Zur Halbzeit habe sich einer von ihnen umgedreht und gefragt, wer denn gewinnen soll. „Ich sage: Hibs, Er sagt: „I knew it. You are Mathias Jack.“ Dabei spricht er seinen ganzen Namen so aus, wie es die Leute in Edinburgh eben getan haben: Mae-tai-as Dschaeck.
Für einen Jungen, der 1969 in der DDR geboren wurde, ist Jack deutlich mehr herumgekommen, als er es zunächst erwarten konnte. Er spielte in vier unterschiedlichen ersten Ligen Europas Fußball und wurde fast überall zum Fanliebling. Er erreichte große Pokalfinals und europäische Wettbewerbe. Heute ist aus dem Leipziger ein Düsseldorfer geworden, auch wenn er auf die entsprechende Frage noch mit eine hadernden „ja, ja“ antwortet. Was wohl etwas damit zu tun hat, dass er seinen Wechsel zu Fortuna als größten Fehler seiner Karriere bezeichnet. Doch genau da, wo Jack während seiner Erzählungen von früher sitzt, an der Theke des McLaughlin’s an der Kurzen Straße, hat er heute, mit 56 Jahren, längst sein Zuhause gefunden.

Dort, hinter einem Weizenbierglas, erzählt Jack seine Lebensgeschichte wie eine Abfolge glücklicher Fügungen. Wie er mit sieben Jahren von seinem Vater bei dessen Lieblingsverein Chemie Leipzig angemeldet wird, wie er später für den Lokalrivalen Lok auflaufen muss und in einem System mit viel Drill und wenig Empathie DDR-Juniorenmeister und mit 17 Jahren Profi wird. Und von diesem ersten Schicksalstag seiner Karriere, als bei einem Spiel für Wismut Aue plötzlich Rudi Assauer, damals noch in Diensten des VfB Oldenburg, auf der Tribüne sitzt. Aue gewinnt und Jack wechselt mit 22 in den Westen. Während viele seiner talentierten Ost-Kollegen in diesen Wende-Jahren unter die Räder kommen, findet er sich dort schnell zurecht. „Ich hatte Glück, weil ich nicht zu einem wahnsinnig großen Profiverein gegangen bin.“
Jack war nie der talentierteste Fußballer seines Jahrgangs. Im Gegenteil: In der DDR wird er an der Kinder- und Jugendsportschule zunächst sogar aussortiert. Doch er hat eine Fähigkeit, die heutigen Profis häufig abgesprochen wird: Er kämpft, lässt sein Herz auf dem Platz. „Es gibt die Neymars, die Messis und es gibt die harten Arbeiter, ohne die es die Künstler nicht geschafft hätten“, sagt er. Der bedingungslose Einsatz in der Verteidigung ist Jacks Existenzberechtigung als Fußballer und der Grund, warum bis heute so viele Fans noch seinen Namen kennen. „Du kannst mal einen schlechten Tag haben, dir kann mal nicht so viel gelingen. Du darfst dich nur nicht hängen lassen. Das habe ich die meiste Zeit beherzigt, deswegen mochten mich die Leute.“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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