Kartenzahlung? Nur gegen Gesangseinlage

In einem Blumenladen in Flingern herrschen besondere Bezahlregeln. Wer dorthin kein Bargeld mitbringt, hat zwei Optionen: später wiederkommen oder Karaoke.
Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 29. November 2024
Karaoke-Blumenladen an der Ackerstraße 86 in Düsseldorf Flingern
Eddie, Besitzer von "Mein Blumenkorb" an der Ackerstraße, hat über der Kasse einen Zettel hängen. Darauf steht: "Wer mit Karten zahlen will, muss singen".

An der Ackerstraße in Flingern, ein kleines Stück zu weit Richtung Hauptbahnhof, um noch zum hippen Teil zu gehören, liegt ein Blumenladen. Wer ihn betritt, sieht Pflanzen, Vasen, Grußkarten und eine Deko-Auswahl, die auf die anstehende Adventszeit hinweist. Das Besondere an diesem Geschäft ist ein Zettel, der gleich neben der Verkaufstheke hängt. Darauf ist ein grinsender Smiley zu sehen und ein Satz zu lesen, der so in Düsseldorf und vermutlich auch weit darüber hinaus einmalig sein dürfte: „Wer mit Karte bezahlen will, muss singen.“

Der Mann, der sich diese Regel ausgedacht hat, steht am Dienstagmorgen direkt neben dem Zettel. Der Besitzer des „Mein Blumenkorb“ stellt sich als Eddie vor. Genauso wolle er auch im Text genannt werden. Schon da deutet sich an, dass es sich bei ihm nicht um einen Durchschnitts-Ladenbesitzer handelt. „Jeder kennt mich als Eddie. Bevor ich Feierabend habe, heiße ich so. Nach halb acht heiße ich ganz anders.“ Eigentlich ist er gelernter Elektriker. Vor 15 Jahren entschloss er sich, seinen eigenen Blumenladen zu eröffnen. Warum? So richtig klar, sei ihm das bis heute nicht. „Ich bin da so reingerutscht.“

Mein Blumenkorb – das sind Eddie und sein Kollege Ibrahim, der im Hintergrund gerade an Sträußen und Kränzen arbeitet. „Ihn sehe ich mehr als meine Frau“, sagt Eddie. Auf die Idee mit dem Laden folgt bei ihm schnell Ernüchterung. Finanzamt, Miete, Steuern, Versicherung, Berufsgenossenschaft. Am Anfang habe er nicht absehen können, was als Ladenbesitzer alles auf ihn zukommt. „Bereut habe ich das schon.“ Dazu kommt, dass er von Blumen überhaupt keine Ahnung hatte. Mittlerweile hat er sich alles angeeignet. Hart sei die Arbeit immer noch, aber sie bereite ihm auch Freude.

An diesem Morgen betritt eine junge Frau mit einem kleinen Hund den Laden. „Brauchst du Hilfe, mein Engel?“ ruft Eddie ihr zu. Sie sucht einen Adventskranz. Er zeigt ihr einen und auch, wie der noch weiter dekoriert werden könnte. Ibrahim ruft ihm von hinten zu, dass er dafür eine halbe Stunde bräuchte. Dann sei der Kranz abholbereit. Sie sei da flexibel, wohne in der Gegend, sagt die Frau. „Ich weiß, ich kenn dich ja“, sagt Eddie.

Es sind wohl weniger die Blumen und mehr die Kunden, die Eddie an seinem Job liebt. Die Online-Bewertungen seines Ladens haben daher auch oft mit ihm persönlich zu tun. Seine lockere Art kommt an. „Die wissen, dass ich ein sympathischer Typ bin“, sagt er und lacht. Ein Typ, der den wohl deutschesten Wunsch aller Ladenbesitzer teilt: Bitte mit Bargeld bezahlen. „Die Leute haben Geld im Portemonnaie, möchten aber bequem mit Karte zahlen.“ Können sie gerne weiterhin tun, dachte sich Eddie vor rund einem halben Jahr, aber nicht einfach so. „Dann sage ich: Ja, aber dann müsst ihr singen.“

Eddie sieht wie der Showmaster eines neuen Fernsehformats aus, wenn er hinter seiner Theke steht und das Mikrofon in der Hand hält. Wann immer Kunden nun ihre EC-Karte zücken, sehen sie dieses Bild vor sich. Manche machen dann einen Rückzieher, sagt er. Sie holen doch noch Bargeld heraus oder kündigen murrend an, es später vorbeizubringen. „Aber viele finden das schön.“ Die suchen sich dann bei Youtube das passende Lied aus und fangen an zu singen. „Oh, wie ist das schön“ und „Merry Christmas“ seien gerade beliebt. Aber auch Adele und Joe Cocker wurden schon gewünscht. Oft ist Eddie überrascht, wie gut seine Kunden singen können.

Wie beim Blumenladen ist es auch bei der Karaoke-Anlage. Lange nachgedacht habe er nicht über die Idee, sagt Eddie. „Ich höre gerne Musik im Laden. Da haben die Leute immer mitgesungen.“ Wer singt, darf nicht nur mit Karte zahlen, der erhält auch zwei, drei Blümchen mehr in seinem Strauß. Genauso ist es bei einem kleinen Format, dass Eddie an Straßenquiz-Videos angelehnt hat. Gerne stellt er – unabhängig von der Bezahlart – ein paar Fragen. Wer dann beispielsweise drei Länder mit „O“ nennen kann, gewinnt. „Ich mache das, weil ich mich amüsieren will.“

Wer bei Eddie singt, der kann damit theoretisch auch auf dem Instagram-Kanal seines Ladens landen. Natürlich nur, wenn er oder sie das will. Seit er die Anlage hat, haben sich die Kunden das noch nicht getraut. Aber es gibt zwei Videos aus der letztjährigen Vorweihnachtszeit, die ihn wohl zu seiner Idee inspiriert haben. Dabei steht jeweils eine Frau im Laden und singt in eine Rose, die Eddie ihr überreicht hat. Die Frauen sind offenbar Profis. Ganz repräsentativ dürfte das nicht für die Klänge sein, die sonst in Flingern zu hören sind.

Kurz nach der Kundin mit dem Hund kommt ein Freund Eddies in den Laden. Er will sich dessen Auto ausborgen und fährt nebenbei noch ein paar Blumen aus. Doch erstmal trinken beide gemeinsam einen Kaffee und rauchen eine Zigarette. Dabei kommen sie ins Gespräch. Eddie mag sein Viertel, ist mit seinem Laden immer wieder die Ackerstraße hoch und runter gezogen. Gerade über die vielen jungen Leute freue er sich. „Die sind aber geizig.“ Wer einen großen Strauß Blumen für 15 Euro verlange, der komme bei ihm nicht weit. Der Freund mischt sich ein, spricht von gemeinsamen Gartenbau-Erfahrungen und preisschockierten Kunden. „Die denken immer, das wächst einfach so – wie Unkraut.“

Mit seinen kreativen Ideen bewegt sich Eddie manchmal an der Grenze dessen, was gut für sein Geschäft ist – das weiß er selbst. Denn auch wenn seine Karaoke-Anlage und die Spiele bei vielen sehr gut ankommen, muss er ebenso auf diejenigen achten, die damit gar nichts anfangen können. „Ich will ja auch ungern Kunden verlieren, die nicht singen.“ Seine Regel versteht er daher auch immer mit einem Augenzwinkern. Mancher sei dennoch schon aggressiv geworden, sagt er. „Aber ich bin abgehärtet.“

Es gibt allerdings etwas, bei dem Eddie keinen Spaß versteht. Das sollte jeder wissen, bevor er seinen Laden betritt. Wenn jemand hereinkommt und ihn dabei nicht mal begrüßt, könnte er ein Problem mit ihm bekommen. Unfreundliche Kunden habe er sogar schon rausgeworfen, sagt er. Wer ein kaltes Geschäftsverhältnis sucht, ist bei ihm falsch. Wer beim Einkaufen ein wenig Spaß haben will, dafür genau richtig. „Wenn jemand freundlich „Hallo“ sagt, mache ich auch bessere Sträuße.“

Adresse und Öffnungszeiten
Adresse: Mein Blumenkorb, Ackerstraße 86, Telefon 0177 2915539
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.30 bis 19.30 Uhr, Samstag  9 bis 17.30 Uhr, Sonntag 10 bis 14.30 Uhr


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