(M)ein Hundeleben: Lotte und die Reh-Babys

Ist schon erwähnt worden, welch ein gutes Team ich und mein Mensch sind? Wenn nein, dann mach ich das jetzt mal. Als ich erstmals bei VierNull aufgetaucht bin, war unsere gemeinsame Leidenschaft für die Natur, für den Wald nur am Rande ein Thema. Jetzt gehe ich da ein bisschen präziser drauf ein. Also – mein Mensch ist Jäger. Und ich bin ein Jagdhund. Wir haben ein gemeinsames Revier in Nordhessen. Haben heißt in diesem Fall nicht wirklich haben, sondern wir dürfen dort jagen. Vor allem aber müssen wir hegen. Dazu später mehr. Das Revier gehört größtenteils der Kommune, privaten Waldeigentümern und einer Genossenschaft, die seit ein paar hundert Jahren eine nachhaltige Holzwirtschaft betreibt. Heute aktueller denn je, sagt mein Mensch immer. Keine Ahnung, was er damit meint. Wir sind dort ungefähr zweimal im Monat. Und ich liebe es. Wald, Spuren, Gerüche – ein riesiges Bilderbuch für mich. Vor allem kann ich dort das tun, wofür ich geprägt worden bin: Ich kann meine Nase benutzen. Komischerweise meinen viele Menschen, die Hauptaufgabe von Jagdhunden sei es, Tiere zu töten. Völliger Blödsinn. Das kann ich zwar, mache es aber nicht oft. Meistens helfe ich meinem Menschen, seinen Job zu machen. Wenn er beispielsweise abends in der Dämmerung ein Wildschwein schießt, das trotz tödlichen Treffers noch ein paar hundert Meter weit läuft, dann bittet er mich um Hilfe. Kein Problem – dank meiner guten Nase brauche ich nie mehr als ein paar Minuten, um das tote Tier zu finden. Bei ihm würde das im Dunkeln Stunden dauern, trotz Stirnlampe. Seine Begeisterung für das, was ich tue, finde ich immer ein bisschen komisch. Schließlich ist das meine Aufgabe, und die erledige ich gerne, und es fällt mir leicht. Aber jetzt, im Frühling und Frühsommer, retten wir manchmal Leben. Und zwar das von Reh-Babys. Jäger nennen sie Kitze. Die Mütter, die Ricken, ziehen mit ihren Kindern umher, und bisweilen geben sie ihnen mit hohen Fieplauten ein Kommando sich hinzulegen. Das tun die Mini-Rehe auch. Sie bewegen sich fortan keinen Zentimeter und durch ihr geflecktes Fell sind sie perfekt getarnt. Unsere wunderbare Natur und die Evolution haben diese Reh-Babys darauf programmiert, sich ruhig zu verhalten, bis die Mama Stunden später zurückkommt und ihr Kind wieder mit diesen Lauten zu sich ruft, um es zu säugen. Das gesehen zu haben, sagt mein Mensch, ist ein wunderbares Erlebnis. Leider lieben es die Reh-Mamas, ihre Kinder im hohen Gras der Wiesen zu platzieren, weil sie das für sicher halten. Das stimmt nicht immer. Denn wenn Wiesen irgendwann gemäht werden, kommt es zu schrecklichen Unfällen. Mein Mensch und ich versuchen, genau das zu verhindern. Also nutzt er meine Nase, um Kitze aufzuspüren, bevor der Bauer mit der Mähmaschine kommt. Die Natur hat es außerdem eingerichtet, dass Rehkitze fast keinen Geruch ausströmen. Um Fressfeinde wie Füchse und Wildschweine erst gar nicht auf die Spur des Babys zu locken. Aber meine Nase ist offenbar besser – ich wittere auch Reh-Babys auf etliche Meter. Ich renne allerdings nicht etwa los, sondern bleibe starr stehen und schaue konzentriert in die Richtung des Tieres, das ich gewittert habe. Dabei bewege ich mich, wenn überhaupt, nur in Zeitlupe. Das nennt man Vorstehen, ich bin also ein Vorstehhund und habe dieses Verhalten in den Genen, musste es also nicht lernen. Mein Mensch erkennt daran sofort, was los ist, kann rechtzeitig eingreifen und das junge Reh retten. Meine Ambition wäre nämlich eine andere. Wenn ich Wild in der Nase habe, will ich es stellen oder festhalten. Für ein Rehkitz wäre das fatal. Sollten Sie auf den Rheinwiesen, den Feldern in Hubbelrath oder in ähnlichen Gegenden ein Kitz entdecken, lassen Sie es liegen. Die Ricke wird wiederkommen und sich kümmern. Fassen Sie es auf keinen Fall an! Das Muttertier würde von dem menschlichen Geruch abgeschreckt und seinen Nachwuchs verstoßen, und das wäre der sichere Hungertod. Liegt das Rehlein womöglich gefährlich, können Sie es aufnehmen, indem sie dicke Grasbüschel in die Hände nehmen, also den direkten Kontakt vermeiden, und es an einer sicheren Stelle außerhalb der Wiese wieder absetzen. Das ist kein Problem, Mutter und Kind kommen garantiert später wieder zusammen.

(M)ein Hundeleben: Lotte und die Reh-Babys

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Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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