Neue Oper: Wehrhahn beschlossen – aber viele Fragen offen
Ich habe diese Woche mit einem Düsseldorfer über die neue Oper und die überraschende Wende zum Standort diskutiert. Dieser Gesprächspartner hatte einen sehr klugen Gedanken: Als Apple das erste iPhone auf den Markt brachte, kostete ein normales Handy anderer Hersteller um die 100 Dollar. Apple brachte sein erstes Gerät mit einem großen Speicher und für 600 Dollar auf den Markt. Dieses iPhone kam nicht besonders gut an. Dann bot Apple eine Version mit einem kleinen Speicher an und die kostete 400 Dollar. Bezug waren nun aber nicht mehr die 100, sondern die 600 Dollar. Das Handy erschien plötzlich günstig und wurde der erste von zahlreichen Verkaufserfolgen.
Diese Geschichte beschreibt die aktuelle Stimmung in der Opern-Debatte in Düsseldorf. Für den neuen Standort Wehrhahn wurden im Stadtrat unter anderem folgende Argumente angeführt:
- Die Stadt spart die Ausgaben für eine Übergangs-Oper (mindestens 75 Millionen Euro).
- Die Stadt spart das Geld für einen Entwässerungssammler im Hofgarten (rund 18 Millionen Euro).
- Die Stadt kauft ein Grundstück und mehrt damit das Vermögen der Stadt.
- Die Clara-Schumann-Musikschule kann mit ins Gebäude ziehen und damit spart man Kosten am bisherigen Standort an der Prinz-Georg-Straße.
Eine Fläche für einen wahrscheinlich dreistelligen Millionenbetrag zu kaufen und dort für einen noch nicht bekannten Preis einen Neubau zu errichten, wirkt auf einmal wie ein Schnäppchen – wie das 400-Dollar-iPhone. Bei einer großen Mehrheit im Düsseldorfer Stadtrat hat es gewirkt. Sie hat für den neuen Standort und den Kauf des ehemaligen Kaufhof-Grundstücks gestimmt.
Das Erstaunliche in der Debatte ist aus meiner Sicht nicht die Wende zugunsten des Wehrhahns. Ich bin immer dafür, den Mut zu haben, Entscheidungen zu revidieren und bessere Beschlüsse zu fassen. Die argumentative Flexibilität innerhalb von nicht einmal zwei Monaten ist aber bemerkenswert. Umso wichtiger ist es nun, die Zeit bis zum Start des neuen Architekt:innen-Wettbewerbs (voraussichtlich bis Ende 2024) zu nutzen, um sich die offenen Punkte bewusst zu machen und sie vernünftig zu klären:
Kaufpreis
Was die Stadt für das Grundstück bezahlt, hat der Stadtrat unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten. Die „Rheinische Post“ berichtet im Vorfeld von einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Das erscheint insofern hoch, als der Verkehrswert der Fläche bei rund 77 Millionen Euro liegt. Das geht aus einem Bericht einer Commerzbank-Tochter hervor. Diese ist zu 20 Prozent an der Gesellschaft beteiligt, der das Grundstück bisher gehörte. Und dieser Bericht mit Stichtag 31. März 2024 führt eben 77 Millionen Euro an.
Den Kaufpreis wird man nicht mehr verhandeln können. Aber man muss zumindest in der Gesamtbetrachtung schauen, dass man das Vermögen der Stadt nicht zwingend gemehrt hat. Es kann genauso gut sein, dass man eine Fläche über Wert gekauft hat, also in Wahrheit keinen Vermögenszuwachs hat.
Preis und Limit
Niemand weiß, was die neue Oper kosten wird. Es kann ein noch dreistelliger Millionen-Betrag sein, es kann auch eine Milliarde oder mehr sein. Im Moment ist eine Debatte über den Preis müßig – obwohl das einer der wichtigsten Punkte ist. Dem kann man abhelfen. Im Auslobungstext für den Architekt:innen-Wettbewerb an der Heinrich-Heine-Allee gab es keinen Kostendeckel. In den Text, der nun für den Wehrhahn vorbereitet wird, könnte man ein solches Limit setzen und darüber vorher vernünftig diskutieren.
Zustand der alten Oper
Noch wenige Tage vor der Entscheidung im Stadtrat haben der Intendant und die Geschäftsführerin der Oper in einem Interview die Lage an der Heinrich-Heine-Allee so dramatisch beschrieben, als stünde der Einsturz des Hauses unmittelbar bevor. Auch andere Befürworter einer neuen Oper hatten immer wieder beklagt, wie unwürdig die Zustände dort sind. Nach dem neuen Beschluss wird der alte Standort nun noch gut zehn Jahre bespielt.
Es muss also geklärt werden, wie dies möglich ist. Kulturdezernentin Miriam Koch deutete es im Stadtrat zumindest an. Die Wartungs-Intervalle werden deutlich erhöht. Das ist richtig und das wird wahrscheinlich zur Folge haben, dass regelmäßig in die Instandhaltung investiert werden muss. Das verändert abermals den Blick auf die vermeintlichen Einsparungen. Ja, es wird keine Übergangs-Oper für mindestens 75 Millionen Euro gebraucht. Aber es wird an der Heinrich-Heine-Allee einiges Geld benötigt, um bis zur Mitte der 2030er Jahre weiterzumachen.
Meinung der Bürgerinnen und Bürger
So wenig, wie man den Preis kennt, so wenig weiß man, wie die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer zur neuen Oper stehen. Eine Umfrage der Linken-Ratsfraktion hat wenig zur Erhellung beigetragen, weil sie in der Methodik Schwächen hatte. Angesichts der Tragweite der Entscheidung wäre es aber gut, die Meinung der Bevölkerung zu kennen. Ein Bürgerentscheid würde diese Erkenntnis bringen – und man könnte ihn leicht mit Kommunal- oder Bundestagswahl im nächsten Jahr verbinden.
Inhalt des neuen Gebäudes
Am Wehrhahn ist mehr Platz als an der Heinrich-Heine-Allee. Die Oper kann dort ihr komplettes Raumkonzept verwirklichen und es bleiben noch Möglichkeiten, andere dort unterzubringen. Eine Musikbibliothek ist wahrscheinlich, ein Einzug der Clara-Schumann-Musikschule neu aufgekommen. Die Flächen werden schneller verteilt, als der Kaufvertrag aus dem Drucker kommt.
Auch an der Stelle wäre es gut, die nächsten Monate zu nutzen, diese Fragen als offen zu betrachten: Wer passt gut ins Haus, wenn man mehr als eine Oper schaffen möchte? Spart man wirklich Geld, wenn die Clara-Schumann-Musikschule nicht an einer, sondern an einer anderen Stelle in der Stadt beheimatet ist? Und muss wirklich alles in die Innenstadt?
Der letzte Punkt ergab sich für mich, weil mit dem Standort auch ein Auftrag an die Verwaltung beschlossen wurde. Sie soll ermitteln, ob am Wehrhahn der richtige Platz für ein Hochregallager des Opern-Fundus‘ ist. Das zentrale Argument für diese Idee ist vermutlich zu erahnen.