Ode an das Schweinebrötchen

Noch zehn Minuten, dann gehen wir, sagen sie. Noch fünf Minuten, sagen sie. Nur noch ein Lied. Aber sie gehen nicht. Irgendwann kommt der Moment, in dem der seltsame Drang nach der ungesündesten Nahrung der Welt stärker ist. Und dann verlässt Du den Club, die Kneipe, die Freunde und gehst zu einem von denen, die Dir das Leben retten. Oder zumindest den Elektrolyte-Haushalt. Den beschriebenen Drang gibt es natürlich nicht nur in der Düsseldorfer Altstadt. Aber an kaum einem Ort sind so viele Möglichkeiten der Heilung, so viele Salz-und-Fett-im-Überfluss-Quellen so nah beieinander. Keines der damit verbundenen Nahrungsmittel erfordert Vernunft, Reste von ästhetischem Grundempfinden oder auch nur Besteck. Die Altstadt hat ihr eigenes Street Food, nur eben ohne Trucks und stylishe Rezepte. Die Nachfrage ist so groß, dass die Darreichungsstationen gemauert sind und deren Inhaber mal so gar keine Energie in irgendeine Weiterentwicklung ihrer Spezialitäten stecken. Dieses Street Food ist Teil einer neuen Stadtführung, die Düsseldorf Tourismus seit diesem Monat in Kombination mit verschiedenen Bier-Kostproben anbietet. Für mich ein schöner Anlass, eine große beziehungsweise drei kleine Ehrerweisungen zu schreiben. Das SchweinebrötchenDöner-Läden haben sich in der Altstadt nie wirklich durchgesetzt. Ein möglicher Grund: Döneressen ist nachts von überfordernder Komplexität, der Verlust wesentlicher Bestandteile und deren Verbreitung auf der eigenen Garderobe sind viel zu wahrscheinlich. Die in ihrer Schlichtheit perfekte Version der gefüllten Backware ist das Schweinebrötchen. In der Altstadt werden sie bei &bdquo;Ham Ham“ (Kurze Straße 5) und beim &bdquo;Schweine Janes“ (Bolkerstraße 13) serviert. Die Fantasie muss keine Ausflüge machen. Es geht um ein Brötchen und Schweinebraten, die maximalen Steigerungsformen heißen &bdquo;mit Kraut“ und &bdquo;mit Kruste“. In einer statistisch nicht belastbaren Blitzumfrage habe ich festgestellt, dass die Gäste in aller Regel einem von beiden Imbissen vollendet treu bleiben und noch nie beim anderen waren. Zur Beruhigung für alle, die sich noch orientieren müssen. Es gibt keine nennenswerten Unterschiede, beide haben ihr Handwerk über mehr als fünf Jahrzehnte verfeinert. Zumindest grob. Dass es sich aber wirklich um eine Kunst handelt, hat unfreiwillig Fernsehkoch Tim Mälzer in seiner Sendung &bdquo;Kitchen Impossible“ bewiesen. Er hatte darin die Aufgabe, eine Haxe und Bratkartoffeln am Grill von &bdquo;Ham Ham“ zuzubereiten – und scheiterte phänomenal. Pommes mit Joppie-SauceDie holländische Küche hatte die Welt vorwiegend mit kulinarischen Ideen beliefert, die man nicht ohne Ironie zu sich nehmen sollte. Das mit dem feinen Humor ist um die mehrfach erwähnte Uhrzeit leider auch so eine Sache. Deshalb ist es nicht zu empfehlen, nachts mit Gulaschkroketten oder Bamischeiben zu experimentieren. Pommes sind dagegen immer eine Lösung und natürlich nimmt man die besser im niederländischen Spezialitätenrestaurant als bei einer Fast-Food-Kette zu sich. Pommes waren aber selbst dort bis in die Nuller Jahre ungeahnt unvollendet. Mayonnaise, Ketchup, beides, Spezial – alles nette Versuche. Aber es musste erst jemand auf die Idee kommen, kleine Zwiebelstückchen und Curry in die Mayonnaise zu kippen (die weiteren Zutaten aus Selbstschutz bitte nicht nachlesen). Seitdem löst sie unübertroffene Sofort-Belebungszustände bei den Kartoffel-Konsumenten aus. Der sehr kluge Mensch, der sie erfunden hat, heißt laut gut zu glaubender Legende Janyne de Jager und betreibt &bdquo;Annie’s Snack Bar“ im niederländischen Örtchen Glanerbrug. Freunde sagen Joppie zu Janye, deshalb heißt die beste Pommes-Begleiterscheinung der Welt Joppie-Sauce. PizzaSelten kommt man dem Verständnis der Relativitätstheorie so nah wie beim dritten Altstadt-Streetfood-Phänomen. Aus dem übrigen Leben ist man vermeintlich wohl vertraut mit der Zeitspanne, die eine Pizza im Ofen braucht. Dann aber liegt sie sehr plötzlich schon auf dem Pappteller oder im Karton vor einem. Zeit scheint doch relativ zu sein, vor allem relativ schnell vorübergezogen. Turbo ist auch hier wieder mit Treue verbunden. Wer am Bolker Stern eine Pizza essen möchte, geht entweder zu Lupo oder zu Matteo. Niemals und niemand geht mal zum einen und zum anderen. Es ist ja auch niemand mal katholisch und mal evangelisch. Die Tempel weiterer Weltregionen sind zwei Ecken weiter, rund um die Kreuzung Kurze- und Andreasstraße, zu finden. Das alles war offenbar schon immer so wie ein Musikvideo von 1984 zeigt. Die Gruppe "Der Plan" hat damals ein Lied namens &bdquo;Alte Pizza“ veröffentlicht, mit Versen wie &bdquo;Sie ist zwar nicht die jüngste und auch leicht verbogen, doch ich habe Hunger, mein Bruder hat gelogen. Es gibt nur diese Pizza, das sagt auch mein Magen.“ Im Video tanzen die Musiker leicht besorgniserregend an der beschriebenen Stelle in der Altstadt, die dem Bolker Stern der Gegenwart erstaunlich ähnlich sieht. Die Mitglieder von "Der Plan" sind übrigens evangelisch. Weiterführende Informationen Die rund dreistündige Stadtführung &bdquo;Craft Beer & Streetfood“ mit Michael Plettke führt zu &bdquo;Ham Ham“, den Hausbrauereien Uerige und Schlüssel, in ein Sudhaus und in die Holy-Craft-Bar. Die Teilnahme kostet 39 Euro. Die nächsten Termine: 22. April, 13. Mai, 27. Mai, 10. Juni, 24. Juni, 8. Juli und 22. Juli. Buchbar sind die Führungen hier.

Ode an das Schweinebrötchen

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Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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