Präsent und penetrant: Die Düsseldorfer Beauty-Boys

Sie nennen sich Dr. Rick und Dr. Nick und wollen Menschen besser aussehen lassen. Dazu greifen sie nicht zum Skalpell, sondern machen ihren Job mit Hilfe von Hyaluron-Spritzen. Das ist zumindest strittig. Wie die Schreibweise ihrer akademischen Titel.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 19. März 2025
DR RICK DR Nick Aesthetify
So und mit vielen Adjektiven werben Dr. Rick und Dr. Nick im Internet für ihre Firma Aesthetify.

Kennen Sie Oer-Erkenschwick? Nein? Nun, dann gehören Sie vermutlich zu einer Mehrheit in diesem Land. Der kleine Ort in Westfalen ist nicht gerade eine Metropole. Und wenn man böse wäre, könnte man ihn als Provinz bezeichnen. Doch womöglich wird er in die Annalen der Medizin-Historie eingehen, weil sich von dort aus zwei junge Ärzte auf den Weg machten, das Antlitz der Menschheit ansehnlicher zu machen.

Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die beiden Mediziner Henrik Heüveldop und Dominik Bettray haben sich tatsächlich auf ein Gebiet spezialisiert, das sich an einer optimierten Optik von Stirn, Nase, Kinn orientiert. Schönheits-Chirurgie heißt es, und schon bei der Namensgebung geht der Streit los. Denn die Bezeichnung „Ärzte für ästhetische Medizin“, den die beiden nutzen, ist im Grunde nicht rechtens.

Bei diesem Titel handelt es sich um eine Fantasiebezeichnung. Als eigenständiges Fachgebiet in der Medizin gibt es „ästhetische Medizin“ nicht, Rick und Nick verfügen auch nicht über eine richtige Facharztausbildung. Laut dem Oberlandesgericht Bochum sei insbesondere der Begriff „Arzt“ in diesem Fall irreführend und erkannte den beiden diesen Titel daher ab. Seitdem bezeichnen sie sich auf ihrer Website als „Experte[n] auf dem Gebiet der ästhetischen Medizin“.

Oer-Erkenschwick
Zurück zu den Anfängen in Oer-Erkenschwick. Dort hat das Duo begonnen, aber auch schnell bemerkt, dass man in den nicht gerade prickelnden Gegenden zwischen Recklinghausen und Datteln mit dem Thema Schönheit keinen (Blumen-)Pott gewinnen kann. Was man schon am eher holprig klingenden Namen der Stadt sieht.

Die beiden verließen das nördliche Ruhrgebiet und nahmen die nächstgelegene Metropole ins Visier: Düsseldorf. Hier ist der Schein bei einigen nicht nur ausschlaggebend für das Sein, sondern auch sonst sehr wichtig zu nehmen. Die beiden sind inzwischen an feiner Adresse in der Innenstadt sesshaft und locken eine oft krummnasige oder sonstwie vermeintlich entstellte Kundschaft an, der eine Korrektur nicht idealer Optik viel Geld wert ist.

Und wer sind die beiden? Sicher ist: Es sind Ärzte. Beide haben Medizin studiert. Der eine (Dr. Rick) in Budapest, ohne Dissertation. Daher darf er sich in Deutschland lediglich dr. med – exakt in dieser Schreibweise – nennen. Der andere hat die Uni in Erlangen abgeschlossen, ist also ein Dr. med. Das kleine womöglich irritierende Problem mit der Schreibweise umgeht man übrigens, irgendwie passend, mit einer geschickten optischen Korrektur: Beide Titel werden stets in Großbuchstaben geschrieben, also DR. Damit ist der Juristerei Genüge getan.

Werbung machen sie für sich mit sich, balancierend auf dem schmalen Grat zwischen Präsenz und Penetranz. Zwei junge Männer, nicht unsympathisch, ohne jeden Zweifel in good shape, lächeln in die Kamera für ihre zahllosen Reels auf Instagram. Sie tanzen, wenig begabt, aber mit viel Selbstironie. In der Karnevalszeit nahmen sie sich selbst auf die Schippe als übertrieben geschminkte, im Gesicht operierte Botox-Zombies und strahlten vor allem eins aus: Selbstbewusstsein.

Ein Gebäude höher als der Trump-Tower in Manhattan wolle man irgendwann bauen, und auf jeden Fall mal in den Deutschen Aktienindex aufsteigen. „Aha“, denkt man da und guckt sich die zwei in ihren etwas spack sitzenden doppelreihigen Sakkos auf den sichtlich trainierten Körpern an. Sie sind andeutungsweise in Hemden zu sehen, die mehr als nur den oberen Knopf offenlassen. Klarer Eindruck: Fett absaugen? Bei Nick und Rick gäb’ es da nichts zu saugen.

DR RICK DR Nick Aesthetify
Kaum zu übersehen: der Sitz von Dr. Rick und Dr. Nick am Schadowplatz in der Düsseldorfer Innenstadt.

Dass das Geschäftsmodell funktioniert, ist offenkundig. Es gibt bereits mehrere Filialen, demnächst will man auch in Dubai die Spritzen aufziehen. Wo auch sonst: Dieses einstige Fischerdorf im Mittleren Osten ist in seiner bombastischen Optik die in Beton gegossene, aber leider in großen Teilen aus dem Ruder gelaufene Schönheits-OP.

Zielgruppe von Rick und Nick sind hauptsächliche junge Menschen, denen etwas am eigenen Körper nicht gefällt und das sie verändern wollen. Hin zu einem gerade geltenden Schönheitsideal. Dass das womöglich dumm und ethisch zumindest strittig ist, ficht die beiden Beautys nicht an. Der Kunde, die Kundin will es, also liefert man. Allerdings, glaubhaft versichert, im Rahmen dessen, was man für vertretbar hält. Dass man da großzügig ist, darf jedoch unterstellt werden. „Cateyes“ stehen auf der Liste, oder „Russian Lips“ – und man ahnt, welche maritimen Formen sich dahinter verbergen. Es werden aber auch Tattoos entfernt oder Nasen korrigiert.

Hyaluron
Auf der Internetseite ihrer Firma Aesthetify, von der sie ernsthaft behaupten, diese habe sich minimalinvasiver Ästhetik verschrieben, preisen sie an, was sie tun und was sie können. Hyaluron, Sculptra, Botox – der Chemiebaukasten des Duos ist bestückt mit den üblichen Zutaten. Um das zusammen zu mixen, was in diesem Kosmos als ästhetisch gilt. Falten sind lästig, Lippen werden auf-, Lider unterspritzt, und die Gesamtsanierung des Gesichts ist ab 2000 Euro aufwärts zu haben. Vermutlich je nach Umfang der im Laufe der Jahre teuer er-lebten Spuren an Haut und Haaren.

Apropos minimalinvasiv: Bei der Selbstdarstellung kann davon keine Rede sein. Man zieht den großen sprachlichen Eingriff vor: „Rick ist ein leidenschaftlicher Arzt, Visionär und Unternehmer, der die Ästhetik lebt und liebt. Durch seine kompetente und angenehme Art, fühlt man sich bei Rick direkt gut aufgehoben. Als Gründer von Aesthetify verfügt Rick über eine herausragende Fachexpertise auf dem Gebiet der ästhetischen Medizin, die sowohl national als auch international Anerkennung genießt. Mit seinem Hintergrund als Absolvent der bekannten Semmelweis-Universität in Budapest und seiner umfangreichen Erfahrung in der minimalinvasiven Ästhetik, ist er in der Lage, seinen Patienten herausragende Ergebnisse zu liefern.“

Auch bei Dr. Nick ist die Sammlung von Adjektiven beachtlich: „Nick ist ein exzellenter Arzt, Ästhet und Unternehmer, der mit seiner Kompetenz und seinem sympathischen Lächeln als Experte auf dem Gebiet der ästhetischen Medizin imponiert.“ Von einem anderen Arzt des mehrköpfigen Teams liest man ebenfalls Beruhigendes: „Er ist ein leidenschaftlicher Ästhet, dessen Priorität immer die Zufriedenheit seiner Patienten ist.“ Und alle sind offenbar – wörtlich – unermüdbar, multilingual oder, sehr praktisch, Naturtalente.

Tja, dazu nur eine Frage: Wer weiß etwas zu Risiken und Nebenwirkungen?

Weiterführender Link
Die Sendung „Neo Magazin Royale“ hat über die Düsseldorfer berichtet. Der Beitrag ist hier ab Minute 19 zu sehen.


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