Rosenmontag in Düsseldorf: Von Wagenknechten, Blowjobs und einem Giftzwerg
Wenn der Rosenmontagszug im Anblick des Jan-Wellem-Standbildes vor dem Rathaus um die Ecke biegt, dann ist das der Höhepunkt für alle Beteiligten. Dort stehen die Kameras des WDR, dort sitzen auf den Tribünen ein paar hundert Gäste des Oberbürgermeisters. Dort schaut zu, wer in der Stadt Einfluss hat. Also wird fleißig Helau geschrien, und ein dichter Regen aus Tütchen mit Gummibärchen, Schokoriegeln und Blumen prasselt auf die Menschen hernieder.
Die Kostüme
Kostümierung erwünscht, hieß es in der Einladung für die OB-Gäste. Diesem sanften Druck sind fast alle gefolgt – und bei der Verkleidung zeigen manche viel Fantasie, vielleicht aber auch den heimlichen Wunsch, mal in eine andere Rolle zu schlüpfen. Provokation wie bei den Mottowagen? Gibt’s nicht.
Messe-Chef Wolfram Diener hat tief in den Fundus der farbigen Kostüme gegriffen. Womöglich stellt er sich so einen Hippie vor.
Die Grüne Mona Neubaur (Wirtschaftsministerin NRW) zeigt ein Herz fürs Handwerk. Sie hat sich das komplette Outfit eines Zimmermanns besorgt, inklusive breitkrempigem schwarzem Hut. So könnte sie sofort auf die Walz gehen.
Grünen-Bürgermeisterin Clara Gerlach trägt ein schrill gelb-rotes Kleid. Die einzige Farbe, die nicht drin steckt ist – Grün. Kein Wunder: Sie ist das Feuer.
Rheinbahn-Chefin Annette Grabbe scheint „Star Wars“ zu lieben: Sie trägt geflochtene Haarschnecken auf den Ohren und ist Prinzessin Leia, ihre kleinste Tochter der spitzohrige Joda.
Fabian Zachel (Public Affairs beim Flughafen) hat offenbar ein Faible für die Elben aus „Herr der Ringe“ – mit grünen Ranken, Blättern und langen, spitzen Ohren gibt er das naturnahe Waldwesen.
Oberbürgermeister Stephan Keller ist mit hohem Zylinder und dekoriert mit Patronengurten voller Garnröllchen der Hutmacher aus „Alice im Wunderland“. Wie im selbigen scheint er sich zu fühlen, denn an seiner Seite ist seine neue Partnerin Meike Folkerts als Purple Rain, inklusive Regenschirm auf dem Kopf, von dem die Perlen tropfen.
Ordnungsdezernentin Britta Zur trägt eine blaue Perücke und hat sich in Netze gewandet. Fantasievoll, aber undurchschaubar.
CC-Vize Stefan Kleinehr, Teil der WDR-Crew zur Kommentierung des Zuges, ist zum Astronauten geworden. Vielleicht Major Tom? Jedenfalls losgelöst vom Rest des Fußvolks.
Die Mottowagen
Sie waren geheim bis kurz vor dem Start des Zuges. Kaum sind sie auf der Straße, kursieren die Bilder im Netz. Dass einige von ihnen wie in den Vorjahren weltweit in den Medien auftauchen, ist gewiss. Wie er sich sieht, hat Wagenbauer Jacques Tilly vorne auf seiner knallroten Mütze stehen: Giftzwerg.
Zweimal Putin: Ein bereits vor zwei Jahren gelaufener Wagen ist dabei, in dem der Kreml-Chef versucht, die Ukraine zu schlucken. Dieses Jahr sieht man die Szene, in der Moskaus Metropolit Kyrill vor Putin in eindeutiger Pose kniet und der Diktator verzückt die Augen gen Himmel verdreht. „From Russia with love“ nennt Tilly diesen Blowjob und will das auch verstanden wissen als Unterstützung für von Strafverfolgung bedrohte Homosexuelle in Russland.
Note: stark
Zweimal Donald Trump: Einmal trägt der Ex-Präsident die US-Flagge Stars-and-Stripes in Hakenkreuzform, beim zweiten Mal durchbohrt eine wie er aussehende Lanze den Rücken der Ukraine.
Note: stark
Stephan Keller: Der Rathaus-Chef einigt sich mit der SPD über den Opern-Neubau und zertritt dabei einen quietschegrünen Frosch. Die Szene ist nur für Insider nachvollziehbar.
Note: schwach
Sahra Wagenknecht und Thomas Geisel: Die neue Frontfrau der BSW als Königin, ihren Mantel trägt ein sichtlich serviler Thomas Geisel – ihr neuer Wagenknecht.
Note: stark
AfD: Ein Narr zieht der AfD die Maske vom Gesicht und entdeckt dort einen Totenschädel mit Hitler-Schnäuzer.
Note: stark
Anti-Nazi-Demos: Ein krawallig braun-blauer Fisch schwimmt ahnungslos daher und tönt „Wir sind das Volk“. Aber von hinten kommt ein noch größerer bunter Fisch, reißt das Maul auf, um den anderen zu verschlingen, und trägt die Aufschrift „Wir sind mehr!“
Note: nett
Uns sonst?
Wie jedes Jahr langweilt die TV-Übertragung mit den Namen x-beliebiger Vereinsvorsitzender oder Gesellschaftspräsidentinnen. Im Fernsehen genannt zu werden, finden diese Menschen sicher toll. Der Rest ist jedoch nicht interessiert zu hören, dass Fritz Schmitz den Verein So-und-so leitet oder Peter Müller schon seit dreimal elf Jahren dies und das macht. Und wie jedes Jahr beginnt der WDR die Übertragung aus Düsseldorf verspätet, weil man in Köln noch nicht fertig ist. Wäre das 2024 nicht passiert, hätte dazu das Motto des Düsseldorfer Zuges perfekt gepasst: „Wat et nit all jöwt…“