
Senf und Farben: Was Vincent van Gogh mit Düsseldorf verbindet
Zwei Düsseldorfer in Amsterdam.
„Das hätten wir uns auch sparen können“, sagt mein bester Freund P.
„Lass uns wenigstens ein paar Fotos vom Gebäude machen“, sage ich.
Wir stehen vor dem Van-Gogh-Museum, und weil es seit unserer Ankunft pausenlos regnet, haben wir Regenschirme aufgespannt. Auf dem nassen Asphalt spiegelt sich eine Gemälde-Collage, die im Fenster auf das 50-jährige Bestehen des Hauses hinweist – bunter Kontrast zum tristen Wetter.
Ein paar Schritte trennen uns noch vom Museumseingang. Die kommenden beiden Stunden haben wir uns so vorgestellt: P. und ich spazieren von Bild zu Bild und tauchen ein in das Leben Vincent van Goghs. Der wurde zwar nur 37 Jahre alt, war in dieser Zeit aber sensationell produktiv. 900 Gemälde und 1100 Zeichnungen hat der Niederländer der Kunstwelt hinterlassen, und eines der Werke ist der Anlass für diese Kolumne. Es heißt „Stillleben mit Flaschen und Keramik“, und früher oder später erreichen wir seinen Standort. Öl auf Leinwand, 31,5 Zentimeter breit und 41,8 Zentimeter hoch. Flankiert von Weinflaschen und einer weißen Schachtel ist ein graues Senftöpfchen zu sehen, dekoriert mit dem blau geschriebenen Markenzeichen ABB. Das mit einem Anker aus dem Düsseldorfer Stadtwappen verzierte Monogramm steht für Adam Bernhard Bergrath. Die erste Senfmanufaktur der Stadt wurde noch vor seiner Zeit gegründet, von Wilhelmus Theodorus Esser im Jahr 1726 an der Ritterstraße.
Naheliegende Fragen: Wie kommt ein niederländischer Maler im Jahr 1884 dazu, ausgerechnet ein Senftöpfchen aus unserer Heimatstadt in sein Werk einzubauen? War Van Gogh passionierter Senf-Esser? Hat er gar Düsseldorf besucht? Und warum war Düsseldorf schon vor 140 Jahren international für seinen Senf bekannt? Davon ausgehend wird uns das niederländische Senf-Gemälde die Vorlage liefern, um Düsseldorf als deutsche Senfmetropole abzufeiern. So der Plan …
Der erste Grund, warum das nicht klappt: Wir haben keine Tickets. Das Van-Gogh-Museum zieht jährlich mehr als zwei Millionen Besucher an, gehört zu den meistbesuchten Kunstmuseen der Welt. Da kann man nicht spontan reinschneien. Man muss auf der Museums-Website im Voraus ein Ticket für einen bestimmten Tag und ein bestimmtes Zeitfenster buchen, und für diesen Tag ist das Kontigent vergriffen.
Allerdings: Hätten wir daran gedacht, frühzeitig zu buchen, so hätten wir das „Stillleben mit Flaschen und Keramik“ trotzdem nicht gefunden. Zwar sind neben den Hauptwerken wie „Das Schlafzimmer in Arles“ oder „Die Kartoffelesser“ auch weniger bekannte Van-Gogh-Bilder zu sehen, ebenso wie ein Großteil seiner Briefe, ja sogar seine Selbstmordwaffe, aber: Der Platz im nicht gerade kleinen Museum reicht nur für 200 Gemälde und 400 Zeichnungen. Das „Senf-Bild“ indes ist gar nicht so unbekannt und bereits um die halbe Welt gereist, war in Museen in Japan, Korea und England zu sehen. Dennoch ist es momentan hier in Amsterdam nicht ausgestellt, ruht wohl im Lager.
Der dritte Grund, der unseren „Senf-Plan“ vereitelt, ist mir erst am Tag vor der Anreise aufgefallen: Unter der Überschrift „Sogar Vincent van Gogh malte den Düsseldorfer Mostert“ ist vor einigen Monaten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Kolumne erschienen, die sich ausgerechnet dem Thema widmet, das wir über den Amsterdamer Van-Gogh-Umweg ein wenig „hypen“ wollten. Dumm gelaufen, denn mein Vorspann hätte vermutlich ähnlich gelautet wie bei der FAZ: „300 Jahre Geschichte und kaum einer weiß davon: Düsseldorf ist seit jeher Deutschlands unumstrittene Senfhauptstadt.“
Das also ist die Lage. Wir machen ein paar Außen-Fotos vom Van-Gogh-Museum, und dann flanieren wir durch die Stadt. Immer noch regnet es im Strömen, und während wir der Prinsengracht folgen, fragt mein bester Freund P.: „Wie wirst du denn jetzt umgehen mit der Senfstadt Düsseldorf in deinem Text?“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
Unser Journalismus ist werbefrei und unabhängig, deshalb können wir ihn nicht kostenlos anbieten. Sichern Sie sich unbegrenzten Zugang mit unserem Start-Abo: die ersten sechs Monate für insgesamt 1 Euro. Danach kostet das Abo 10 Euro monatlich. Es ist jederzeit kündbar. Alternativ können Sie unsere Artikel auch einzeln kaufen.
Schon Mitglied, Freundin/Freund oder Förderin/Förderer?