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Sind so kleine Hände

Einmal im Jahr werden in der Schau „Die Kleine“ ausschließlich Kunstwerke von Kindern gezeigt. Diesmal haben die jungen Künstler:innen sich mit Tieren beschäftigt. Die Ausstellung ist bis zum 22. Mai im NRW-Forum zu sehen. Ich habe sie besucht und nebenbei mein Kindheitstrauma geheilt.
Veröffentlicht am 5. Mai 2022
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Zwei der Künstler:innen in ihrer Ausstellung, in "Die Kleine" im NRW-Forum. Foto: Anne Orthen

Vierte Klasse, Werkraum. Wie jedes Jahr war Laternenbasteln für Sankt Martin angesagt. Thema: Unser Sonnensystem. Ein Wettbewerb stand bevor, bei dem die besten drei Laternen prämiert wurden. Für die Gewinner:innen gab es Medaillen, ein Treppchen, die große Bürgermeisterhand schüttelte in einer Mehrzweckhalle kleine Hände, die Presse war da und – das war das Beste – man bekam einen Büchergutschein. Mein Problem: Das Sonnensystem war mir egal. Ich war zu jener Zeit lieber mit Tjorven und dem Bernhardiner Bootsmann auf Saltkrokan, unterwegs in Bullerbü oder mit Ronja und Birk im Wald. Wenn danach Zeit übrig blieb, knickte ich Eselsohren in die Seiten der Bücher von meinem Was-ist-was-Stapel, die ausschließlich Tiere zum Thema hatten. Ich wollte nichts Galaktisches basteln. Also friemelte ich mit Prittstift, Pappe und Transparentpapier eine Hundelaterne zurecht, sagte bei der Präsentation, das sei Pluto und schließlich auch ein Planet und wurde mit der Bemerkung „Thema verfehlt“ vom Wettbewerb ausgeschlossen.

Siebte Klasse, Deutschunterricht. Thema: Balladen. Ich liebte alles daran. Unsere Hausaufgabe übers Wochenende war, ein Stück nach Wahl kreativ zu bearbeiten. Mein Vater ist Musiker, ich liebte Hörspiele, wollte was aufnehmen, bat ihn um Hilfe, er half. Wir nahmen meine Lieblingsballade mit geilen Verzerrern und Mini-Keyboard auf Kassette auf, in der Nacht von Sonntag auf Montag konnte ich vor Aufregung nicht schlafen. Mit meinem lila Rekorder unterm Arm ging morgens ich in den Klassenraum, spielte die Kassette ab, alle hörten, wie schaurig ich als Erlkönigin klang, Applaus. Dann fragte unsere Lehrerin, wer die Musik im Hintergrund gespielt habe. „Mein Vater.“ Das sei keine Eigenleistung, sagte sie. Und benotete das Ganze mit mangelhaft. Ich habe meinen Eltern nie davon erzählt, weil ich mich schämte. Die Lehrerinnen unternahmen auch nichts. Konsequenzen hatte das Ganze dennoch. Zögern, Zweifel, Misstrauen. Gegenüber Erwachsenen. Vor allem aber gegenüber mir und meinem Tun. Ich habe Jahre gebraucht, um das aus den Klamotten zu kriegen.

Als ich zum NRW-Forum am Ehrenhof fuhr, wo „Die Kleine“ eröffnet wurde, musste ich an die Vorfälle denken. „Die Kleine“ ist die jährliche Abschlussausstellung des vom Kunstpalast ausgerufenen Wettbewerbs für Grundschulen. Sie findet zum dritten Mal statt. Das Thema dieses Jahr: Tiere und ihre Heimat. Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Stephan Keller richtet sich das Projekt an alle Grundschulen aus Düsseldorf und der Umgebung. 25 Schulen nahmen teil. In der Gestaltung hatten die Klassen freie Hand. 40 Gemeinschaftsarbeiten sind entstanden. Ob Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie oder Collage – alle künstlerischen Techniken waren erlaubt. Wer von den teilnehmenden Klassen zur Eröffnung kommen durfte, wurde wegen der momentanen Vorsichtsmaßnahmen ausgelost. Acht Kinder der Klasse 4b der Bonifatiusschule im Dahlacker kamen. Und ich wollte nur sie zu Wort kommen lassen – das hatte ich mir fest vorgenommen.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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