TV-Sitzung: Der Düsseldorfer Karneval macht ernst

Von der Aufzeichnung in der Stadthalle blieben vor allem die politischen Momente hängen. Darin liegt eine Chance, wie sich die hiesigen Narren profilieren können.
Veröffentlicht am 13. Januar 2025
Dennis Vobis Moderator der Fernsehsitzung Düsseldorf
Der neue Moderator Dennis Vobis bei der Aufzeichnung der Fernsehsitzung. Mit 30 Jahren bringt er es auf 21 Jahre Karnevalserfahrung.

Stille ist der Angstgegner jedes Büttenredners. Tritt sie ein, hat entweder eine Pointe nicht funktioniert oder das Publikum ist mit anderen Dingen als Zuhören beschäftigt. Bei der Fernsehsitzung des Düsseldorfer Karnevals zählten aber ausgerechnet zwei ruhige Momente zu den stärksten.

Und das kam so: Jürgen Hilger und Wolfgang Trepper sind Vertreter der klassischen Karnevalsrhetorik. Sie tragen in Reimform vor. Das ist je nach Dehnungsgrad des Satzes nicht immer leicht zu konsumieren, und es wirkt deshalb bisweilen etwas altbacken. Beide Redner aber hatten in ihre Vorträge eine Passage eingebaut, in der sie über die Gefahren der AfD und für die Demokratie sprachen. Da wurde es dann erst ziemlich still und endete mit intensivem Applaus und Jubel. Der Düsseldorfer Karneval macht ernst.

Ob die zuständigen Sender WDR und NDR diesen Teil der Reden im Zusammenschnitt am 1. März drin lassen, ist offen. Ein anderer Höhepunkt der Sitzung wird dagegen sicher in der Ausstrahlung zu sehen sein. Es wird zwei Mal in die Wagenbauhalle geschaltet, und es soll dann erstmals vor Rosenmontag Mottowagen von Jacques Tilly oder Teile davon zu sehen geben. Diese Aufnahmen werden erst kurz vor der Ausstrahlung gedreht, bei der jetzigen Aufzeichnung wurde lediglich der Übergang an- und abmoderiert.

Insbesondere die Tilly-Überraschung ist ein Zeichen, dass die Verantwortlichen des Düsseldorfer Karnevals versucht haben, den Trend zu wenden. Die Sitzungen der Vorjahre waren inhaltlich kritisiert worden (zum Beispiel hier von meinem Kollegen Hans Onkelbach) und hatten schwache Einschaltquoten erzielt. Dass man nun das bestgehütete Geheimnis der Landeshauptstadt mindestens ein bisschen lüftet, zeigt, wie viel die Organisatoren bereit sind, für eine bessere Quote zu geben.

Ob und wie ihnen das im weiteren Programm gelungen ist, beschreibe ich hier im Überblick:

Redner
Umbrüche bergen die Gefahr, dass man traditionelle Fans verliert. Deshalb deckten die sechs Büttenvorträge der Fernsehsitzung ein breites Spektrum ab. Neben den beiden Reden in Reimform gab es zwei Herren, die eine Rolle spielten (angetrunkener Sitzungspräsident, Landwirt) und ihre Witze vorwiegend über dumme Mitmenschen sowie die fiktive Gattin machten. Für mich waren das jeweils lange 15-Minuten-Auftritte, im Saal gab es allerdings ausreichend Freude daran.

Genau das Gegenteil der Altherren-Gattin-Witze bot Dave Davis. Der Komiker aus Köln feierte die Frauen, lästerte über Männer und wetterte gegen Bodyshaming („Du bist nicht dick, Du bist nur gut sichtbar“). Der 51-Jährige war aus meiner Sicht der beste Redner des Abends. Bei ihm saßen so gut wie alle Gags, man verstand ziemlich bald, warum er ein ganze Reihe Kleinkunst- und Publikumspreise gewonnen hat.

Den größten Mut bewies das Comitee Düsseldorfer Carneval mit Djavid. Der Stand-up-Comedian ist gebürtiger Afghane und erzählt vor allem aus der Perspektive des Migranten und über Freunde, die ähnliche Erfahrungen wie er im hiesigen Alltag machen. Djavid bezeichnete sich zum Beispiel als „Moslem light“, weil er gerne Mett isst. „Wegen Mett habe ich Beef mit Allah.“

Beim deutschen Publikum brauchen die Pointen deshalb eine Sekunde länger und werden auch mal gar nicht begriffen. Im Karneval erhöhen sich die Risiken durch die Nebenwirkungen der bevorzugten Publikumsgetränke noch. Der Karnevals-Neuling forderte die Zuschauer:innen mehr als seine Kollegen und wurde dafür nicht immer belohnt. Ich hoffe, er und die Verantwortlichen behalten den Mut, die Sitzung so zu erweitern.

Der Moderator
Dennis Vobis hat eine schöne Geschichte, mit der man erklären kann, warum er der neue Sitzungspräsident und damit Moderator der Fernsehsitzung ist. Im Alter von neun Jahren hielt er auf einer Sitzung des Karnevalsvereins seiner Oma die erste Rede, war dann bei der Nachwuchsveranstaltung „Pänz en de Bütt“ dabei und dank des früheren Karnevalspräsidenten auch schon Moderator auf der Rathaus-Bühne, bevor er volljährig wurde. Gerade mal 30 Lebensjahre sind deshalb mit zwei Drittel karnevalistischer Erfahrung verbunden, auch mit dem Vorsitz des Düsseldorfer Narrencollegiums.

All das war zudem wesentlicher Grund, dass Dennis Vobis sich als Moderator selbstständig gemacht hat. Für die TV-Leute ist er damit ein höchst dankbarer Partner. Er hielt die Sitzung professionell in ihrer Struktur und wusste, wann er dem Publikum etwas erklären muss, damit ihr Verhalten zur Produktion passt.

In einem Teil seines Berufslebens ist der Düsseldorfer als Trauerredner im Einsatz. Wir haben uns im Vorfeld darüber unterhalten, wie er diese Arbeit angeht. Er verwende nie Versatzstücke oder allgemeinen Formulierungen, sagte er. Vielmehr fange er stets mit einem weißen Blatt an und entwickele durch Zuhören bei den Hinterbliebenen eine Rede, in der man den Verstorbenen gut wiedererkenne.

Eine vergleichbare Wertschätzung zeigte er nun als Moderator der Fernsehsitzung. Er kannte seine Gäste auf der Bühne offensichtlich und kündigte jeden mit persönlichen Worten an. In gewisser Weise machte der Düsseldorfer Karneval also auch mit einem professionellen und empathischen Moderator ernst. Zugleich hat Dennis Vobis aber für die kommenden Sessionen noch Luft gelassen. Abgesehen von zwei guten Gags über sich selbst, wirkte er zurückhaltend. Das ist zwar ein angenehmer Kontrast zu anderen Protagonisten des organisierten Karnevals, aber zu wenig, um Spuren zu hinterlassen.

Dennis Vobis Moderator der Fernsehsitzung Düsseldorf
Moderator Dennis Vobis bei den Proben für die Fernsehsitzung

Garden
Selbst wenn einem alle Formen von Büttenreden und Stimmungsmusik egal oder fremd sind, gibt es einen Anlass, ein paar Minuten der Fernsehsitzung zu gucken. Die Tanzgarde der katholischen Jugend hat eine herausragende Choreografie für den Abend entwickelt, der nach meinem Gefühl auch auf dem Bildschirm funktionieren müsste. Die Tänzerinnen beschäftigten sich mit dem Thema Zeit. Mal waren sie eine lange Reihe synchroner Uhrzeiger, mal akrobatisch aus dem Niveau hochkarätiger Cheerleading-Teams.

Bands
Die Musikgruppen sind nach meiner Wahrnehmung vor allem für den Saal und weniger für die Übertragung gedacht. Sie halten oder bringen die Stimmung in der Stadthalle hoch. Ob man für sie aber einschaltet oder dranbleibt, erscheint fraglich. Ich bin an der Stelle gespannt, wie viel der WDR von den in der Regel drei Songs übriglässt.

Keine der Bands verfehlte ihre Mission. Sie alle wussten mit welchen Tempi, Mitsing-Melodien und Signalworten man das Publikum auf die Füße bringt. Zugleich ist die Verwechslungsgefahr allerdings hoch, weil die Gruppen meist keine großen Hits oder andere Besonderheiten aufweisen. Positive Ausnahmen waren aus meiner Sicht die Rhythmussportgruppe und Swinging Funfares. Letztere brachten auch noch Sašo Avsenik auf die Bühne, den heutigen Chef der Oberkrainer Volksmusikanten. An dieser Stelle gönnten sich die Düsseldorfer etwas zum 200. Geburtstag des hiesigen Karnevals.

Fazit
Die Fernsehsitzung 2025 hatte keine Ausreißer nach unten, bewegte sich meistens im Entertainment-Mittelfeld und verzeichnete ein paar Höhepunkte. Letztere eröffneten zugleich die Chance auf ein Alleinstellungsmerkmal. Dank der Mottowagen von Jacques Tilly gilt der Düsseldorfer Karneval ohnehin als hochpolitisch. Diesen Eindruck könnte man noch verstärken, wenn sich herumspricht, dass man in Düsseldorf auf der Bühne guten politischen Humor geboten bekommt.

Wenn man sieht, wie beliebt zum Beispiel „Die Anstalt“ oder die „Heute-Show“ sind, kann man davon ausgehen, dass es dafür ein Publikum gäbe. Wie dies den Rest der Sitzung oder die Größe des Saals verändert, müsste man dann diskutieren. Und eine Sache auf jeden Fall noch verbessern: Die Zahl der Künstlerinnen auf der Bühne war so niedrig, dass ich in diesem Text nur bei dem Wort Zuschauer:innen gegendert habe.

CC TV-Sitzung, Stadthalle Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann

CC TV-Sitzung, Stadthalle Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann

CC TV-Sitzung, Stadthalle Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann

CC TV-Sitzung, Stadthalle Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann

CC TV-Sitzung, Stadthalle Düsseldorf, Foto: Andreas Endermann


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