Mit dem Fahrrad von Düsseldorf nach Wien

Vier Jahre war es her, dass Hans-Jürgen Bauer zuletzt eine längere Tour mit dem Rennrad auf Mallorca unternommen hatte. Im späten Frühjahr dachte er daran, mal wieder etwas ähnliches zu machen. Und dann kam das entscheidende Telefongespräch mit Jugendfreund Roland und dessen Freundin Elisabeth, die in Wien leben. &bdquo;Wann sehen wir uns übrigens mal wieder“, fragten die beiden. &bdquo;Bald“, antwortete Bauer. Und ergänzte, im Nachhinein über seine Spontaneität überrascht: &bdquo;Ich komme übrigens mit dem Fahrrad.“ Das Ziel stand fest. Und war ausgesprochen. Die Vorbereitung Doch wie realistisch war es, diesen Plan in die Tat umzusetzen? Der 63-Jährige schaute im Internet nach, wie weit denn Düsseldorf von Wien mit dem Fahrrad als Verkehrsmittel entfernt war und bekam mit 1100 Kilometern &bdquo;eine erste Summe“, wie er es nennt. Das war also die Vorgabe. Bauer, der als freier Fotograf in der Landeshauptstadt arbeitet, fing an zu rechnen: Mit dem Rennrad würde er im Schnitt 20 Kilometer pro Stunde vorankommen. Bei fünf Stunden wären das insgesamt 100 Kilometer am Tag. Folglich kalkulierte er 14 Tage für die Reise ein, Puffer und einen Ruhetag inklusive. Der grobe Plan stand. Aus dem Kreis der Düsseldorfer Fotografen-Kollegen - mit übrigens erstaunlich vielen passionierten Radsportlern - gab es noch wertvolle Tipps zu alternativen Routen und mit drei Rennrad-Packtaschen einen wichtigen Teil der Ausrüstung. Es folgten Trainingstouren. Drei Mal die &bdquo;Krefelder Runde“, 60 bis 70 Kilometer lang, über Lörick, Meerbusch, dem Uerdinger Hafen, Duisburg und Wittlaer. Einmal bis zum Kölner Dom und zurück (90 Kilometer). Und bei gutem Wetter fährt Bauer ohnehin zur Mutter ins Baumberger Pflegeheim mit dem Fahrrad. Die Tour Aber das eigentliche Training beginnt schließlich mit der Tour. Die startet am 6. September um 9 Uhr in Gerresheim, wo Bauer mit seiner Frau lebt. Sechs Kilogramm leichtes Gepäck hat er dabei, kurze und lange Hose, Trikots, Unterwäsche, Flip-Flops, Taschenlampe, Ersatzschlauch, Werkzeug, Luftpumpe, zwei Trinkflaschen, Müsliriegel und Bananen. Erstes Tagesziel ist Remagen am Rhein, wo er online ein Hotelzimmer reserviert hat. Im Gespräch mit VierNull blättert der Hobbyradler ab und an in einem kleinen Heftchen. Er hat Tagebuch geführt. Kurze Einträge mit Bleistift, damit sie bei Regen nicht verwischen. Für den ersten Tag muss er nicht nachschauen, er erinnert sich genau: In der Nähe von Wesseling hat er den ersten Platten. Schlauchwechsel, Aufpumpen - das kostet 30 Minuten. Er stellt fest, dass die Qualität seiner Luftpumpe schlecht ist. Nach Panne und Pause erreicht er um 16 Uhr Remagen. Dort fragt er sich, ob er wirklich das Pensum von 100 Kilometer pro Tag schaffen wird. Doch er ist zu müde, um darüber lange zu grübeln. Am 2. Tag wechselt Hans-Jürgen Bauer die Rheinseite, schafft das geplante Ziel Oberwesel. Auf der dritten Etappe trifft er in Mainz Freunde, die mit E-Bikes unterwegs sind, sieht kurz die Skyline von Frankfurt am Main und erreicht sein Quartier in Offenbach. Er freut sich über ein Upgrade: ein Dreibettzimmer, in dem auch der Drahtesel sicher &bdquo;ruhen“ kann. In diesem Zimmer konnten Rad und Radler gemeinsam übernachten. Foto: Hans-Jürgen Bauer Die Schaltung klackt. Versagt die Technik? An diesem 4. Tag geht es nach Wertheim. Leider befindet sich die gebuchte Unterkunft in einem Gewerbegebiet. Das Fahrrad wird geschoben, die Kraft reicht am Ende des Tages nicht mehr. Da es sich auf Klickschuhen nicht komfortabel läuft, geht’s auf Socken den Berg hoch. Gut, dass nun der Ruhetag folgt – der 5. Tag. Den nutzt Hans-Jürgen Bauer zu überlegen, ob er über Würzburg, Nürnberg und Regensburg radelt, oder lieber entlang der Tauber und durchs Altmühltal. Die Entscheidung, entlang der Flüsse zu fahren, trifft er nach dem Besuch der Touristen-Information. Hier bekommt er den Radführer durchs &bdquo;liebliche Taubertal“. So führt ihn die Reise am 6. Tag nach Bad Mergentheim und am 7. Tag nach Rothenburg ob der Tauber und schließlich die Altmühl entlang nach Herrieden. Bauer hat Bayern erreicht, und die Schaltung hat einfach aufgehört zu klacken. Der 8. Tag endet in Eichstätt. Inzwischen bucht er seine Hotelzimmer nicht mehr online, sondern schätzt die Tipps und den Service der Mitarbeiter*innen der örtlichen Touristen-Informationen. Heute vermitteln sie ihm eine besondere Unterkunft: Ein Zimmer in der Abtei St. Walburg. An der Pforte des Benediktinerinnen-Klosters wird der als &bdquo;Alleinreisender mit Fahrrad“ angekündigte Gast bereits erwartet. Für Hans-Jürgen Bauer ist die Übernachtung im Kloster die schönste auf der gesamten Reise. Im Zimmer fehlt der sonst übliche Fernseher, es ist günstig, ruhig und beim Frühstück trifft er auf weitere Radfahrer*innen. Die staunen, dass der Düsseldorfer mit dem Rennrad nach Wien will. Nach dem Frühstück, wie immer gegen 9.30 Uhr, geht die Tour weiter. Tag 9 führt nach Kehlheim, Tag 10 nach Straubing. Die Donau ist erreicht. Kurz vor dem nächsten Tagesziel, Passau, fängt es erstmals seit der Abreise an zu regnen. Ab dem 12. Tag ist Hans-Jürgen Bauer auf dem Donauradweg unterwegs. Er hat nun 1000-Rad-Kilometer geschafft, Österreich erreicht und übernachtet in Mauthausen. Von dort geht es an Tag 13 nach Krems. Es ist mit 125 Kilometern die längste Tour auf der Gesamtstrecke. Zur Belohnung freut sich Hans-Jürgen Bauer auf ein deftiges, bürgerliches Abendessen. Doch alle Restaurants sind ausgebucht, es gibt asiatische Küche. Von Krems aus geht es am 14. Tag, auf der letzten Etappe noch einmal 92 Kilometer die Donau entlang. Nach exakt 1350 Kilometern und 66 Stunden und 14 Minuten auf dem Fahrrad ist Bauer in Wien, seinem Ziel. Fürs &bdquo;Beweisfoto“ radelt er an diesem Sonntagnachmittag noch mal locker 20 Minuten weiter zum Schloss Schönbrunn. Und dann in den 12. Bezirk zu den Freunden Roland und Elisabeth. In der Woche, die er in Wien verbringt, muss er nicht nur seine Wäsche waschen, sondern auch sein Rad putzen. Das verlangt ausdrücklich die Deutsche Bahn, mit der er die Heimreise nach Düsseldorf antritt. Die Erkenntnisse Die Stille beim Radfahren, die Natur, die ausgebauten Radwege entlang der Flüsse, das alles hat ihn beglückt und bereichert, seinen Kopf frei gemacht. Und ihn offen für Neues. Die Navigation mit dem Handy hat er schnell aufgegeben und sich - wie früher - mit Hilfe von Karten orientiert, weil man da &bdquo;das Große und Ganze“ sieht. Auch das Online-Buchen der Hotelzimmer hat er nach wenigen Tagen eingestellt. Die Tipps von den Menschen vor Ort und in den Touristen-Informationen waren für ihn viel hilfreicher. Er bedauert, dass er durch viele schöne Orte nur &bdquo;durchgerast“ ist. Dies aber sei dem Ziel geschuldet gewesen. Für Hans-Jürgen Bauer war die Tour schließlich ein kleines Abenteuer. Hat er sich vor dem Start und im Laufe der ersten Tage noch gefragt, ob er das Ziel Wien tatsächlich mit dem Rennrad erreichen kann, kam während des Fahrens die schöne Erkenntnis: &bdquo;Natürlich schaffe ich das!“ Übrigens: Er besitzt nun eine gut funktionierende Luftpumpe.

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