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Wenn jemand muss und nur dort darf, wo die Stadt will

Die optisch, olfaktorisch und sozial verträgliche Entsorgung menschlicher Stoffwechselprodukte ist beim Straßenkarneval ein drängendes Problem. Düsseldorf gibt sich dieses Jahr mehr Mühe denn je, ausreichende Erleichterung zu ermöglichen. Sonst droht Wildpinkeln. Oder Schlimmeres.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 3. März 2025
Toiletten Konzept zu Karneval 2025, Altstadt, Toilettenanlage Burgplatz, Stadterhebungsmonument Foto: Andreas Endermann
Pissoirs neben dem Stadterhebungsmonument am Burgplatz: Diese Kegel sind nicht gerade schön, aber praktisch.

Jeder, wirklich jeder und jede, die im Straßenkarneval unterwegs ist, kennt das Problem: Irgendwann muss raus, was raus muss. Frage ist nur: Wo und wohin? Weil das nur auf den ersten Blick simpel und leicht lösbar scheint (laufen lassen), hat sich die Stadt offenbar eine Menge Gedanken gemacht und – allen Ernstes – ein Toiletten-Konzept entwickelt. Wer es liest, entdeckt ein strategisch sorgfältig ausgetüfteltes Konstrukt. Aufgrund von Erfahrungswerten versucht es zu kalkulieren, was man für zigtausend Menschen braucht, die müssen, aber nicht überall dürfen, sondern Örtchen aufsuchen sollen, wo sie tun können, was getan werden muss.

So entstehen bemerkenswerte Kuriositäten. Beispielsweise eine Art Entsorgungs-Park hinter der Lambertuskirche unterhalb der dortigen Kreuzigungs-Szene an der Rückseite der Basilika. Der Ort ist weder blasphemisch noch pietätlos gewählt, sondern basiert auf Beobachtungen der vergangenen Jahre. Der pure Pragmatismus also. Diese Ecke am Rand der Altstadt hat eine hohe Attraktivität durch eine scheinbar diskrete Abgeschiedenheit und wurde daher gern genutzt um das loszuwerden, was der Körper nach einer gewissen und leider sehr kurzen Zeit aus Altbier verstoffwechselt. Das ist nicht nur unappetitlich, müffelt wirklich und lange unangenehm, sondern greift (nachgewiesenermaßen) auf Dauer auch das Mauerwerk in seinen Grundfesten an. Man glaubt es kaum: Wildpinkler lassen Lambertus‘ Fundamente erodieren. Es ist wirklich so: Urin ist ein ganz besonderer Stoff. Er mag heilsame Wirkung haben, wie die Ex-WDR-Moderatorin Carmen Thomas behauptet, aber in Verbindung mit Wasser, Sandstein und Beton entwickelt er destruktive Wirkung.

Toiletten Konzept zu Karneval 2025, Altstadt, Toilettenanlage Altestadt, St. Lambertus Foto: Andreas Endermann

Pissoirs an der Kirche
Weil man enthemmtes Benutzen der sekundären Geschlechtsmerkmale an dieser Stelle angesichts der christlich bedeutsamen Szene der Kreuzigung auf dem Golgatha unpassend fand, sperrte man den Bereich mit Baustellenzäunen ab. Zudem bot man, im Bewusstsein des unerwünschten Reizes, direkt nebenan eine Alternative an und stellte mehr als ein Dutzend offene Pissoirs auf. Die sehen aus wie riesige Zitronenpressen und sind eine Offerte an die männlichen Jecken: Vier von ihnen können gleichzeitig davorstehen und sich von dem trennen, was sie loswerden müssen. Vor allen Augen und doch nur von hinten sichtbar. Das finden besonders vorbeigehende Frauen komisch. Aber auch dort gilt: Not kennt kein Gebot, und drängende Notdurft schon gar nicht. Da ein Kirchenvertreter hörbar angepisst war, hat man diese spezielle Art der öffentlichen Bedürfnisanstalt nun ein bisschen verrückt.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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