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Wie die Düsseldorfer Kino-Geschichte nach dem Krieg neu begann

1933 verliert Hans Heidenheim seinen Job bei der UFA, weil er Jude ist. Er überlebt die NS-Diktatur und baut nach 1945 den „Europa-Palast“ an der Graf-Adolf-Straße neu auf. Im Interview lässt Sohn Till (92) das Leben seines Vaters und seiner filmbegeisterten Familie Revue passieren.  
Veröffentlicht am 4. Juli 2024
Europa-Palast plus Apollo-Schau 1948
1948: Der Europa-Palast an der Graf-Adolf-Straße mit Hinweis auf die ins Kinogeschen eingebundene "Apollo-Schau". Foto: Filmmuseum Düsseldorf

Kürzlich habe ich über den aus Gerresheim stammenden Till Heidenheim geschrieben und mir von ihm die Geschichte der beiden Stolpersteine vor seinem ehemaligen Elternhaus an der Friedingstraße erzählen lassen (hier nachlesen). Im nun folgenden Interview mit dem Wahl-Lübecker geht es um seinen Vater Hans Heidenheim (1887-1949), der vor und nach dem zweiten Weltkrieg in Düsseldorfs Film- und Kinoszene eine prägende und zuletzt selten gewürdigte Rolle spielte.

Als Sie 1932 geboren wurden, war Ihr Vater schon 20 Jahre im Filmgeschäft tätig. Er trat zur Stummfilmzeit in die Branche ein, als Kinos noch Kinematographen genannt wurden und anfangs gar von „lebenden Photographien“ die Rede war. Für seine Karriere spielte die Eifel eine gewisse Rolle.
Till Heidenheim: So wie seine vier Brüder meldete sich auch mein Vater als jüdischer Frontsoldat freiwillig für den ersten Weltkrieg. 1915 war er bei einer Sanitätskompanie in der Nähe von Trier stationiert. Im Sommer versetzte man ihn für einige Monate in den kleinen Ort Obermendig bei Mayen. Dort sollte er gemeinsam mit einigen Kameraden Mineralwasser für die Front aufbereiten. Da es in diesem Teil der Eifel noch kein Kino gab, eröffnete er kurzerhand eines. Für ihn war das erst mal ein Nebenerwerb, denn geöffnet war nur an den Wochenenden. Damals war das Medium Film noch umstritten, und es ist ein Schreiben meines Vaters an den örtlichen Pfarrer überliefert. Dieser hatte sich in einer Predigt Sorgen gemacht, ob von den Filmen, die mein Vater aufführte, ein „Verderben bringender Einfluss“ ausgehen könnte, besonders auf die Jugend. Mein Vater verwies erst einmal auf die Gemeinsamkeiten – nämlich, dass sowohl für Pfarrer, als auch für Kinobesitzer der Sonntag der arbeitsreichste Tag sei. Dann bedankte er sich für die unfreiwillige Werbung, durch die sein Lichtspielhaus so gut wie ausverkauft gewesen sei, und verwies auf die Zensur. Seine Filme seien „kinderfrei“, und auf besonderen Wunsch des Bürgermeisters verzichte er sogar trotz Freigabe auf sogenannte „Detektivfilme“. Und schließlich bot mein Vater dem Pfarrer für den kommenden Sonntag Kino-Freikarten an. So war der Konflikt mit Witz und Ironie entschärft. Typisch für Vatis Humor.

Schlagen wir noch kurz den Bogen in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg: Ihr ursprünglich aus Chemnitz stammender Vater heiratete 1912 in Düsseldorf und bekam einen Sohn – ihren Halbbruder Gustav. Zu der Zeit kam er durch den Berliner Josef Rideg in Kontakt mit der Filmbranche.
Heidenheim: Vater arbeitete damals erfolgreich als Dekorateur. Rideg, ebenfalls jüdischer Herkunft, war Filmverleiher und Produzent und betrieb zwei Kinos. Für seine regelmäßigen Geschäftstermine in Westdeutschland suchte er eine feste Unterkunft. Mein Vater und seine erste Frau Elsbeth vermieteten ihm ein Zimmer und freundeten sich mit ihm an.  Mein Vater wurde Ridegs Teilhaber, dann begann der erste Weltkrieg. Nach dem Scheitern der Ehe und dem Ende des Krieges kehrte mein Vater an den Rhein zurück und übernahm 1919 als persönlich haftender Gesellschafter Ridegs Filmverleih – mit seinem Bruder Bruno Heidenheim und einem weiteren Partner. Das Unternehmen an der Oststraße 50 firmierte offiziell als Film Kommanditgesellschaft Hans Heidenheim & Co, vormals Josef Rideg. Aus den Unterlagen und Dokumenten, die mein Vater hinterließ, geht hervor, wie die Stummfilme hießen, die er in Düsseldorf und Umgebung zur Aufführung brachte. Einer der Titel war „Vom Rande des Sumpfes“, ein anderer „Die Jüdin von Toledo“ und ein weiterer „Mazeppa, der Volksheld der Ukraine“. Den geschäftlichen Durchbruch brachte „Alraune“ – die zweiteilige Verfilmung eines Skandal-Romans, der vom ebenfalls aus Düsseldorf stammenden Hanns Heinz Ewers geschrieben worden war. Aus den Memoiren meines Bruders Hannes weiß ich, dass mein Vater die Uraufführung von „Alraune“ im Düsseldorfer Asta-Nielsen-Theater an der Graf-Adolf-Straße 37 arrangierte. Denn dieses gehörte den Baltes-Brüdern, mit denen er befreundet war.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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