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Zu nah an Kölsch? Startup Költ wehrt sich erfolgreich gegen Behörde

Drei Jahre war das Bier schon auf dem Markt. Zwei Jahre zuvor hatte ein Landesamt das junge Unternehmen auf einer großen Messe gefördert – und nun wollte es Költ plötzlich verbieten. Es folgten viele Anwaltstreffen und große Unsicherheit. Aber der Mut der Gründer zahlte sich aus.
Veröffentlicht am 21. Oktober 2022
költ Gründer Hans Berlin mit dem neuen költ Alkoholfrei_Bildrechte költ GmbH
Hans Berlin, Gründer von Költ. Das Unternehmen ist in Monheim gestartet und hat heute sein Büro in Bilk. Foto: Költ GmbH

Im Mai 2021 erhält Hans Berlin einen Brief, den er anschließend mit dem Wort „Klatsche“ beschreibt. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) schreibt ihm als Geschäftsführer der Brauerei Költ. Über mehrere Seiten zitiert die Behörde zahlreiche Paragraphen und Gerichtsurteile, die bittere Nachricht für Hans Berlin und sein Unternehmen steht ganz am Ende: „Ich beabsichtige daher, Ihnen die Vermarktung des Produktes „Költ“ und etwaiger Produktabwandlungen, z.B. „Költ-Zitrone“, zu untersagen.“ Es beginnen 14 Monate großer Untersicherheit für das Startup – aber auch eine Geschichte, die Mut macht, mutig zu sein und sich als kleines Unternehmen gegen eine große Behörde zu wehren.

Der Brief erscheint in mehrfacher Hinsicht überraschend: Költ ist nicht gerade erst auf den Markt gekommen, sondern schon mehr als drei Jahre aktiv. Ende 2017 ermöglichte ein Crowdfunding, das rund 20.000 Euro erbrachte, den Start des Unternehmens. Vielen Medien gefiel die Geschichte des Friedensbiers, das obergärig mit Zutaten aus Düsseldorf und Köln gebraut wird. Es erschienen jede Menge Berichte in Zeitungen, auf Onlineseiten und im Fernsehen.

In den nunmehr fünf Jahren seit dem Crowdfunding haben die Gründer es zudem geschafft, ihr Bier in mehr als 600 Lebensmittel-Märkten (Unternehmensangabe) zu platzieren. Und sie haben weitere Produkte entwickelt, unter anderem das Biobier „Költ 1288“, das auf das Gründungsjahr der Stadt Düsseldorf anspielt, und ein Radler namens „Költ-Zitrone“.

In all diesen Momenten hatte das Landesamt offenbar kein Problem mit Költ. Im Gegenteil: Im Jahr 2019 ermöglichte es den Brauern auf der „Internationalen Grünen Woche“, der weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau in Berlin, sogar einen eigenen Stand.

Nun aber wollte dieselbe Behörde Költ plötzlich verbieten. Im Zentrum der Argumentation stand dabei die „geschützte geografische Angabe“. Damit werden Produkte beschrieben, deren Herstellung an einen bestimmten Ort gebunden sind. Das gilt für Nürnberger Lebkuchen ebenso wie für Parma-Schinken oder Schaumwein aus der Champagne.

Anders als Altbier zählt Kölsch zu den rund 80 deutschen Bezeichnungen, die so geschützt sind. Bier, das so heißen soll, muss in Köln oder einem der wenigen zulässigen Orte im Umland (unter anderem Bonn, Brühl und Leverkusen) hergestellt werden. Die Kölsch-Konvention aus den 80er-Jahren definiert genau, wer Kölsch brauen darf. Der Schutz gilt in der EU. In den USA haben die Kölner dagegen keine Möglichkeit einzuschreiten. Deshalb gibt es dort zahlreiche Kölsch-Biere und beim World Beer Cup sogar eine eigene Kölsch-Kategorie.

Für die Költ-Gründer bedeutete das mitten in der Corona-Krise eine weitere gewaltige Herausforderung: Da verschiedene Rechtsgebiete (Verwaltungsrecht, Markenrecht, Patentrecht) betroffen waren, mussten sie sich ein Team von Anwält:innen zusammenstellen. In den Sitzungen mit diesem Team erarbeiteten sie die Gegenargumente: Költ will gerade kein Kölsch sein, sondern ein Bier in der Mitte zwischen Düsseldorf und Köln. Das zeige sich unter anderem darin, dass es eine andere Farbstärke hat. In der Einheit EBC (steht für European Brewery Convention) wird definiert, wie hell oder dunkel ein Bier ist. Je dunkler, desto höher der EBC-Wert. Kölsch liegt auf der Farbstärken-Skala bei einem einstelligen Wert, Költ unter anderem wegen seiner Röstmalze mit einigem Abstand deutlich höher.

So gut die Argumente schienen, so unsicher war die Lage. Die Költ-Macher wussten nicht, ob es sich noch lohnt, neue Etiketten zu bestellen, Hopfen zu kaufen oder weitere Produkte zu entwickeln. Die Unsicherheit blieb lange, denn nach dem Schreiben ans Lanuv passierte erst einmal nichts. Am Ende brauchte es 14 Monate und viele Anrufe im Landesamt, um das mit den Argumenten erhoffte Ergebnis zu erreichen. In dieser Zeit lernen die Költ-Macher, dass andere Startups und auch eine große Brauerei Ähnliches erlebt haben:

Dölsch Nach der Eröffnung ihres Fachgeschäfts „Holy Craft“ an der Friedrichstraße entwickelten die Inhaber die Idee, neben den vielen besonderen Bieren anderer auch ein eigenes anzubieten. Brauer Sebastian Sauer brachte sie auf den Gedanken, ein Wieß herauszubringen, also ein Bier nach alter Kölner Brauart. Der Name Dölsch lag für ein Düsseldorfer Geschäft dann nahe, und so kam die Eigenentwicklung 2017 in den Handel sowie später als Hausbier in die Bar von „Holy Craft“ – bis auch hier 2021 das Lanuv einschritt. Es untersagte mit denselben Argumenten wie bei Költ den weiteren Vertrieb des Dölsch.  

Die Holy-Craft-Chefs berieten mit einer Markenrechtsanwältin über ihre Chancen, schließlich wollten sie nur mit dem Namen spielen und kein Kölsch sein. Am Ende bewerteten sie das Risiko als zu hoch, einen möglichen Prozess zu verlieren, und stellten das Produkt ein. Sie hätten den Namen ändern können, aber dann wäre der Gag weggewesen.

Gölsch Die Kaiser Brauerei im schwäbischen Geislingen brachte im Mai 2021 eine limitierte Serie von Bieren heraus, die zehn Braumeister und Brauer kreiert hatten. Einer von ihnen stammte aus Köln und entwickelte daher sein Gölsch. Zwei Monate später gab es Post aus NRW. Der Zusammenschluss der Kölsch-Brauereien schickte Unterlassungsansprüche. „Das Bier war von Anfang an als limitierte Edition geplant und wir waren richtig schnell ausverkauft. Als das Schreiben des Brauereiverbandes bei uns ankam, hatten wir keine einzige Flasche mehr im Lager“, erklärt Christoph Kumpf, Geschäftsführer der Kaiser Brauerei. Soweit die gute Nachricht. Eine zweite Auflage war für die Geislinger aber nicht mehr möglich.

Sölsch Das Bier mit diesem Namen stammt aus dem österreichischen Wintersportort Sölden und kombiniert dessen ersten Buchstaben mit der Brauart. Das war dem Kölsch-Brauerei-Verband zu nah an ihrem Produkt, deshalb ging er zwei Jahre lang juristisch dagegen vor. Im Mai fiel die Entscheidung: Das Lanuv untersagt, Sölsch in Nordrhein-Westfalen „zum Verkauf vorrätig zu halten, anzubieten, feilzuhalten, zu liefern, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen“.

Colonia Braufactum ist eine Craft-Beer-Marke, die zur Radeberger-Gruppe zählt. Das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt hatte ein Bier auf den Markt gebracht, auf dessen Etikett der Kölner Dom und die Deutzer Brücke zu sehen sind. Das „obergärige Bitterbier traditioneller rheinischer Brauart“ trug den Namen Colonia – zu viel für die Kölsche Konkurrenz und das Landesamt. Letzteres untersagte alle Vertriebsarten mit demselben Wortlaut wie beim Sölsch.

Anders als in den vier genannten Beispielen hat sich Költ mit seiner Argumentation durchgesetzt. Lediglich ihre Kommunikation mussten die Unternehmer, die ihr Büro in Bilk haben, leicht verändern. Sie dürfen in ihrer Werbung von einem „Bier zwischen Düsseldorf und Köln“ sprechen, nicht aber von einem „Bier zwischen Kölsch und Alt“.

Die Költ-Gründer haben zwar viele tausend Euro für ihre Anwälte ausgeben müssen, aber nun wieder die Sicherheit, dass es weitergeht – in diesem Winter auch mit einem neuen Produkt, einem alkoholfreien Költ. „Wir haben so viel mit-gemacht, wir wollten jetzt auch mal etwas ohne machen“, sagt Hans Berlin.


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