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Auf dem Weg zum Taxi ohne Fahrer

Das Unternehmen Rhein-Taxi lässt Technik in seine Autos einbauen, um die Stadt zu vermessen. So entsteht die Grundlage, um Anfang 2024 das erste autonome Taxi auf die Strecke schicken zu können.
Veröffentlicht am 16. August 2022
Rheintaxi Düsseldorf
Michael Mühlin, Geschäftsführer von Rheintaxi, zeigt die Messgeräte, mit denen eine 3D-Karte von Düsseldorf entsteht (im Hintergrund: Techniker Rainer Wolfertz). Foto: Andreas Endermann

Im Frühjahr 2024 könnte folgendes passieren: Ein Taxi fährt vor, und niemand sitzt drin. Wirklich keiner, auch kein Fahrer. So sieht der Plan von Rhein-Taxi-Geschäftsführer Michael Mühlin aus, der mit seinem Team gerade den nächsten großen Schritt in Richtung autonomer Taxen macht. Aktuell wird in alle Autos eine so genannte Telematik eingebaut. Das bedeutet: Die Fahrzeuge sammeln ganz viele Daten. So vermisst Rhein-Taxi die Stadt und schafft eine 3D-Karte, mit der sich die selbstfahrenden Autos später in Düsseldorf orientieren.

Welche Daten sammeln die Taxen?

Die Messinstrumente senden keine Bilder, sondern Pixel. Folglich sind alle Informationen anonymisiert und – anders als zum Beispiel bei den Fahrzeugen von Google Street View – mit Blick auf den Datenschutz unbedenklich. Das System versteht die Darstellung dennoch genau, weil alle Sub- und Objekte einen eigenen Code haben. Der Bordstein, das Schild, die Laterne und der Baum auch, ebenso der Mensch, das Rad, das andere Auto. Darüber hinaus vermisst das System alles genau, also wie hoch die Bordsteinkante an einer Stelle ist, wie lang die weißen Linien auf dem Boden sind oder wie tief ein Schlagloch reicht.

Jedes Mal, wenn ein Telematik-Taxi an etwas vorbeifährt, vergleicht es die Daten mit den vorhandenen. Verschwindet etwas (zum Beispiel ein Straßenschild), lernt das System mit. Ein Fahrzeug muss ein Objekt mindestens sechs Mal erfassen, um es als permanent vorhanden abzuspeichern.

Das System misst neben den statischen Objekten auch die dynamischen. Es registriert, wie schnell Fahrzeuge an einer Stelle sind, in welchem Takt die Ampeln Rot oder Grün zeigen und ob ein Ort gefährlich ist. Kommt es an einer Stelle mehrfach zu riskanten Situationen, meldet das System dem Verkehrsamt einen Beinah-Unfallpunkt, damit es sich den Ort anschaut und idealerweise entschärft. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass die Stadt nicht mehr nur auf Unfallschwerpunkte reagieren kann, an denen schon etwas passiert ist, sondern präventiv agiert.

Wenn ein Taxi einen Ort 24 Mal durchfahren hat, dann kennt es diesen so gut, dass es auch weiß, welches die optimale Geschwindigkeit ist, um energiesparend und für den Fahrgast angenehm voranzukommen.

Rhein-Taxi-Chef Michael Mühlin geht davon aus, dass drei bis fünf Monate Normalbetrieb reichen, um die Strecken und Viertel zu vermessen, in denen die Fahrzeuge regelmäßig unterwegs sind. Dabei werden zugleich die Lücken ersichtlich, die man dann mit gezielten Messfahrten schließen muss. Ende 2023 sollte die Vermessung der Stadt größtenteils abgeschlossen sein.

Wie funktioniert das System mit autonomen Taxen?

Mit all den Informationen entsteht ein detailliertes Bild von Düsseldorf mit allem, was auf den und rund um die Straßen von Bedeutung ist. Die reinen Fahrwege würden für ein selbstfahrendes Taxi nicht genügen. Es muss wissen, wo es am Rand halten kann, also wo keine Bäume, Laternen oder Radbügel stehen, und ob die Fahrgäste dort genug Platz zum Ein- oder Aussteigen haben. 

Die Daten wird Rhein-Taxi nächstes Jahr der Stadt und dem Landesverkehrsministerium übergeben. Die Behörden bewerten dann, ob die Informationen ausreichen und sie die ersten Taxen ohne Fahrer auf die Straße lassen. In der Pilotphase wären es voraussichtlich drei bis fünf Autos. Sie werden – wie später auch alle weiteren autonomen Taxen – aus einem Kontrollzentrum überwacht. Das ist vergleichbar mit der Leitstelle der Rheinbahn.

Verläuft das Pilotprojekt erfolgreich, wird die Zahl der autonomen Fahrzeuge wachsen. Das Fernziel von Michael Mühlin lautet 40 Prozent Taxen ohne Mensch am Steuer. Umgekehrt wird es viele Kund:innen geben, die weiter auf Fahrer angewiesen sind, weil sie zum Beispiel zum Arzt müssen oder Hilfe beim Ein- und Aussteigen benötigen.

Warum verfolgt Rhein-Taxi diesen Plan?

  1. Das Unternehmen verfolgt keine Mode-Erscheinung, sondern agiert vor allem mit Blick auf einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Schon heute fehlen Rhein-Taxi 150 Fahrer:innen. Geschäftsführer Michael Mühlin geht von einer wachsenden Lücke aus, indem er vorrechnet, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland in den kommenden Jahren von 47 auf 40 Millionen Menschen sinkt. Es geht nicht darum, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Vielmehr ließe sich der Betrieb ohne selbstfahrende Taxen schlicht nicht aufrechterhalten.
  2. Die Daten, die das System sammelt, sind auch lehrreich für die Fahrer:innen. Sie erfahren dadurch, wo sie zu schnell oder zu langsam unterwegs sind, wo sie zu heftig in eine Kurve gehen oder wie oft sie abrupt abbremsen. Machen sie das nach den Hinweisen besser, haben die Kunden ein angenehmeres Gefühl und das Auto einen geringeren Verbrauch. Das führt uns zum dritten Grund des Plans.
  3. Selbstfahrende Taxen bedeuten zunächst einmal eine Investitionen, mittel- und langfristig aber auch Spareffekte, zum Beispiel beim Energieverbrauch oder bei den Versicherungssummen.

Was braucht es noch, damit die Pilotphase begonnen kann?

  1. Parallel zur Vermessung setzt Rhein-Taxi weitere Pläne um. Es digitalisiert sein gesamtes System – von der App für die Nutzer:innen bis zur Künstlichen Intelligenz in der Zentrale, die vorzeitig Bedarfe erkennt und dadurch Leerfahrten vermeidet oder die Schichten der Fahrer:innen so optimiert, dass deren Dienstplan perfekt auf Spitzen- und maue Zeiten abgestimmt ist.
  2. Die autonomen Taxen sind rein elektrische Fahrzeuge. Deshalb baut Rhein-Taxi eine eigene Lade-Infrastruktur auf und kann dank der Digitalisierung die Ladezeiten der einzelnen Fahrzeuge so planen, dass man immer gleichmäßig Strom abgreift und die Stadtwerke nicht mit plötzlichen Belastungsspitzen im Stromnetz überrascht.
  3. Weniger Skepsis bei den möglichen Nutzer:innen. Autonomes Fahren ist schon seit gut zehn Jahren ein Thema, alle Erhebungen haben in dieser Zeit aber dasselbe Ergebnis erbracht: Eine Mehrheit der Menschen traut den Autos ohne Fahrer nicht, fühlt sich unsicher und leidet unter dem Kontrollverlust. Deshalb braucht es Neugierige, die selbstfahrende Taxen in der Pilotphase ausprobieren und damit dem Rest der Stadt signalisieren, dass eine neue Normalität begonnen hat.

Wie weit sind andere Städte?

In München wird voraussichtlich im nächsten Jahr ein Angebot mit autonomen Taxen starten. Der Autovermieter Sixt hat Fahrzeuge des chinesischen Startups Nio mit Instrumenten des israelischer Herstellers Mobileye ausgerüstet. Wenn Stadt und Land die Autos so zulassen, könnte der Start im Großraum München einige Monate vor dem in Düsseldorf erfolgen.

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Einen Bericht über die Konzepte zu Flugtaxis lesen Sie hier.


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