Der zweite Hauptbahnhof – und was Bilk dazu noch fehlt

Das Bild ist ein bisschen übertrieben, aber der Gedanke, der darin steckt, ist es nicht. Auf dem Bild ist ein Glasdach über die Gleise am Bilker Bahnhof gezeichnet. Unter den Gleisen ist eine kleine Grünanlage zu sehen, daneben eine Mobilstation und ein Fahrradparkhaus. Das Ganze trägt den Titel &bdquo;Hauptbahnhof Bilk“ und ist eine Illustration aus dem Positionspapier &bdquo;Stadt der Zukunft“, das die Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer veröffentlicht hat. Sie beschreibt damit die Vision, in der die U-Bahn unterirdisch mit dem oberirdischen Regionalhalt verbunden ist, an dem noch mehr Züge stoppen, zum Beispiel ein Niederrhein-Express, der über Xanten, Moers und Krefeld-Linn nach Düsseldorf fährt. Die Pendler:innen, die so nach Düsseldorf kommen, können aus einem breiten Angebot wählen, mit welchem Verkehrsmittel sie weiterfahren. Auch wenn Teile dieses Vorschlags noch zahlreiche Jahre von der Wirklichkeit entfernt sind, faszinieren mich Titel und Gedanke. Ich habe mir die Station in Bilk mit der Frage im Kopf angeschaut, inwiefern sie schon der zweite Hauptbahnhof ist und was dazu noch fehlt. Das sind die Ergebnisse meiner Recherche: Was Bilk zum zweiten Hauptbahnhof macht Eine Kombination aus S- und U-Bahn Man muss in Düsseldorf gar nicht wissen, dass Regionalverkehr und die lokalen Busse und Bahnen von unterschiedlichen Unternehmen betrieben werden – man merkt es sofort. Die Züge, die oben auf dem Bahndamm rollen, und die Fahrzeuge, die unten unterwegs sind, haben keinen erkennbaren Bezug zueinander. Neben einigen S-Bahn-Stationen halten nur Busse, die Nebenstrecken bedienen. Wenn mal eine Straßenbahn in der Nähe eine Haltestelle hat, dann dauert es viele Minuten, bis sie von dort ins Zentrum gelangt. In Düsseldorf ist diese Distanz ein Grundproblem des Öffentlichen Verkehrs, in anderen Städten ist eine solche Schwierigkeit gar nicht bekannt. In Berlin oder München halten S- und U-Bahnen oft nebeneinander und noch öfter im selben Gebäude, also nur ein paar Meter voneinander entfernt. Die einzige echte Ausnahme in der NRW-Landeshauptstadt neben dem Hauptbahnhof bildet Bilk. Dort liegt eine kurze Distanz zwischen den Zügen des Regionalverkehrs und den Zügen der Wehrhahn-Linie, die ab von dort fünf Minuten bis zur Heinrich-Heine-Allee brauchen. Die günstige Kombination hat sich letztlich aus zwei komplett getrennt ablaufenden Entwicklungen ergeben, umfangreiche Abstimmungen zwischen den Unternehmen, die die Regionalzüge betreiben, und der Rheinbahn sind nicht bekannt. Aber die schiere Dichte des Angebots (oben: acht S- und Regionalbahn-Linien, unten vier U-Bahn- sowie vier Bus-Linien) ergibt für die Pendler:innen eine Situation, in der sie zügig von einem auf das andere Verkehrsmittel wechseln können. Nach Angaben der Deutschen Bahn nutzen mehr als 20.000 Menschen pro Tag den Bilker Bahnhof. Mehr Züge aus dem Umland Der Fortschritt kam erstaunlich unspektakulär. Über den zweiten Bahnsteig des Bilker Bahnhofs haben Land, Stadt und Deutsche Bahn viele Jahre verhandelt. Nachdem die Bauarbeiten dann gestartet waren, hat es noch einmal deutlich länger als geplant gedauert, bis das Ganze fertig war. Im März dieses Jahres veröffentlichten Stadt und Bahn dann einfach eine Mitteilung, der Bahnsteig sei nun in Betrieb. Tatsächlich ist dieser zweite Bahnsteig ein enormer Fortschritt. Bisher musste man, wenn man mit einem Regionalzug vom Niederrhein nach Düsseldorf kam, bis zum (ersten) Hauptbahnhof fahren, weil es vorher keinen Stopp im Stadtgebiet gab. Das heißt, wenn man zum Beispiel in der südlichen Innenstadt arbeitet, musste man vom Hauptbahnhof wieder eine Bahn oder einen Bus nehmen, um zu den Zielen zu gelangen, die man vorher schon am Fenster vorbeziehen sah. Dies ist nun anders. Mit den Regionalbahnen kommt man (wenn alles glatt läuft) zügig bis Düsseldorf und kann in Bilk umsteigen, statt bis zum Hauptbahnhof sitzen bleiben zu müssen. Das wiederum entlastet den Hauptbahnhof und schafft Kapazitäten, um das regionale Verkehrsangebot insgesamt zu erhöhen. Zum Beispiel mit einer Verbindung aus Xanten und Moers. Neue Radwege werden sichtbar Rund um den Bilker Bahnhof sieht man seit einigen Wochen deutlich mehr Rot. Die Stadt hat neue, breite Radwege gekennzeichnet und so die Straßen südlich der Station (Brunnen-, Merowinger- und Aachener Straße) besser mit den Wegen Richtung Zentrum (zum Beispiel auf der Friedrichstraße) verknüpft. De Radwege beinhalten eine Reihe von Untergrundwechseln und Kurven, die kein Hochvergnügen sind. Aber sie sind trotzdem ein guter Schritt, um am Bilker Bahnhof den Schienen- mit dem Radverkehr zu verbinden. Leider lassen weitere wichtige Schritte für Radfahrer:innen auf sich warten – wie ich nun in den verbesserungswürdigen Punkten erläutere. Was am Bilker Bahnhof noch fehlt Das Fahrradparkhaus Vor den Düsseldorf Arcaden gibt es eine Fläche, die noch trostloser wirkt als die Architektur des Einkaufszentrums. Dort stehen Zäune, in deren Mitte ein graues Beton-Fundament und eine flache Holzkonstruktion unter schwarzer Folie liegen. Das war’s. Eigentlich sollte an der Stelle bereits ein Fahrrad-Parkhaus in die Höhe gewachsen sein, das die Stadt im Herbst dieses Jahres eröffnen wollte. Das mit dem Bau beauftragte Unternehmen ist aber laut Stadt ein lokales Opfer der Lieferketten-Schwierigkeiten und Preissteigerungen, über die in den überregionalen Nachrichten viel berichtet wird. Seit Beginn der Arbeiten im vergangenen September hat sich unter anderem der Stahlpreis verdreifacht. Das ist ein so großer Unterschied, dass die Stadt nun beschlossen hat, das Projekt neu auszuschreiben. Weil die Kosten deutlich höher sein werden, müssen die politischen Gremien darüber noch einmal abstimmen. Wann dies geschieht und wann das Parkhaus in etwa fertig sein könnte, hat die Stadt mir auf meine Nachfrage bisher nicht mitgeteilt. Wenn es dann eines Tages so weit ist, hat Bilk sogar einen Vorteil gegenüber dem Hauptbahnhof. Dort liegt die Radstation auf der wenig einladenden Rückseite. In Bilk hat das Parkhaus eine attraktive Position und ist damit ein echtes Angebot an pendelnde Radfahrer:innen, die ihr Rad dort unterstellen, um damit das letzte Stück in Düsseldorf zu absolvieren. Eine Mobilitätsstation In Düsseldorf sollen 100 Orte entstehen, an denen verschiedene Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, etwa Sharing-Autos, Mieträder und -roller. Auch für den Bilker Bahnhof ist eine solche Mobilitätsstation vorgesehen – aber noch nicht da. Statt die Premiere neben dem Stadttor zu feiern, wo bisher wenig los ist, hätte man mit der ersten Mobilitätsstation am Bilker Bahnhof ein echtes Zeichen gesetzt. So ist es ein Signal, dass weitere Fortschritte in Bilk keine Priorität haben. Das belegt auch der nächste Punkt. Eine bessere Unterführung Die Brücke, über die die Regionalzüge fahren, ist tief und duster. Die Wände sind beschmiert, der Übergang für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen zu schmal, Fahrräder sind irgendwo abgestellt und drangeschlossen. Der Gesamteindruck ist mit &bdquo;wenig ansprechend“ noch freundlich umschrieben. Auch dafür gilt: Wenn man in Bilk den zweiten Hauptbahnhof sieht und dessen Entwicklung priorisiert, muss man dort mehr machen. Mehr Licht, mehr Sauberkeit, mehr Platz am Übergang. Ein Anziehungspunkt in der Station Wer den Bilker Bahnhof betritt, muss an Krefeld denken. In dortigen Hauptbahnhof sieht es ähnlich traurig aus. In der Düsseldorfer Version gibt es einen Selbstbedienungsbäcker und einen Kiosk. Beides ist nicht weiter schlimm, aber beides ist eben auch nicht mehr als Minimalversorgung für Pendler:innen. Wenn man dort etwas Ungewöhnliches anbieten würde, und sei es nur ein cooles Büdchen, würde man Stadtteil und Station viel stärker miteinander verbinden. Ein neuer alter Bahnsteig Die Deutsche Bahn hat sich in den oben beschriebenen Verhandlungen mit Land und Stadt schon nicht besonders konstruktiv präsentiert. Der Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Bahnsteig wirkt aber fast wie der Versuch, Fahrgäste zu vergraulen. An den beiden neuen Gleisen gibt es moderne Anzeigetafeln, Windschutz, einen sauberen Aufgang mit gewollter Street Art und gute Beleuchtung. An den alten stößt man dagegen auf Schmierereien, antiquarische Anzeigen und keinen Windschutz – und damit noch einmal auf Dinge, die gar keine große Vision, sondern nur eine mittlere Investition erfordern, um in Düsseldorf einen zweiten Hauptbahnhof zu schaffen.

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