Die Rheinbahn hat jetzt eine Chefin: Mobilität wird weiblich

Die Frauenquote bei der Rheinbahn ist in weiten Teilen immer noch bitter. Laut Lagebericht 2022 beträgt sie im Aufsichtsrat 31 Prozent, in der ersten Führungsebene unter dem Vorstand 25 Prozent und in der zweiten Ebene 12,5 Prozent. Die einzige Zahl, die Rheinbahn auf ihrer Homepage für vorzeigbar hält, lautet 41,4 Prozent. Es ist die „Frauenquote bei Neueinstellungen im Ausbildungsbereich“.
Seit dem 27. September hat sich an einer Stelle im Verkehrsunternehmen allerdings Entscheidendes verändert: Den obersten Posten, bei der Rheinbahn Vorstandssprecher:in genannt, hat erstmals eine Frau übernommen. Der Aufsichtsrat hat Annette Grabbe zur Chefin und zur Arbeitsdirektorin gewählt.
Die Diplom-Kauffrau ist im Frühjahr zur Rheinbahn gekommen. Damals suchte man eine Finanzvorständin als Nachfolgerin von Susanne Momberg. Annette Grabbe war zuvor Geschäftsführerin in der Energiebranche und überzeugte im Bewerbungsverfahren mit diesen Kompetenzen sowie ihrem Blick von außen. Ihre damaligen Vorstandskollegen Klaus Klar und Michael Richarz arbeiteten schon viele Jahre beziehungsweise ihr gesamtes Berufsleben lang bei der Rheinbahn. Deshalb brauchte es dringend jemand Externes im Spitzengremium.
Offensichtlich bestätigte Annette Grabbe den guten Eindruck in den ersten Monaten im Unternehmen. Denn es waren noch keine Rheinbahn-Mitarbeiter mit Überstunden von der Teilnahme an der Abschiedsfeier für den abgetretenen Chef Klaus Klar überzeugt worden, da wurde die Mittvierzigerin schon als Nachfolgerin gehandelt. Und das obwohl sie anders als Michael Richarz erst so kurz im Hause war.
Die neue Chefin findet nun eine ganze Reihe von Baustellen vor: In der Rheinbahn gibt es reichlich verkrustete Strukturen, das Unternehmen muss sich neue Zielgruppen erschließen und ein attraktiver Arbeitgeber sein. All das hat ihr Vorgänger nicht so angepackt, wie es die politischen Spitzen im Rathaus von ihm erwarteten. Deshalb bewegten sie ihn recht rustikal zum Rücktritt.
Allein mit den genannten Punkten wäre die Arbeitswoche der neuen Rheinbahn-Chefin gut gefüllt. Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: die Hoffnung, dass Mobilität in Düsseldorf weiblicher wird. Dass die Rheinbahn und andere städtische Verkehrsunternehmen und -gremien von Männern dominiert werden, hat eine ebenso logische wie bittere Folge: Die Perspektiven von Frauen kommen unterdurchschnittlich zur Sprache und werden in Plänen selten berücksichtigt.
In Gesprächen mit Verkehrspolitikerinnen habe ich gelernt, wo sich im ÖPNV dringend etwas ändern muss:
1. Mehr Sicherheit: Frauen nehmen aus Angst andere und längere Wege in Kauf. Tür-zu-Tür-Mobilität spielt für sie eine große Rolle, das heißt, sie wünschen sich sichere Möglichkeiten, um von der Haltestellen nach Hause zu kommen. Für ein besseres Sicherheitsgefühl sorgen zum Beispiel Taxibusse, also Neunsitzer, die abends auf wenig genutzten Routen den Bus ersetzen. Eine wichtige Rolle spielen zudem E-Scooter. Diese schätzen Frauen für die letzten Meter des Heimwegs, weil sie sich darauf schwerer angreifbar fühlen. Es sollte daher mehr Haltstellen geben, an denen man Mieträder oder -scooter nehmen kann.
2. Andere Routen: Das Bus-und-Bahn-Netz orientiert sich stark an Pendlern, die in die Stadt hinein und wieder hinausfahren. Es ist deshalb sternförmig aufgebaut. Die Wege derjenigen, die Care-Arbeit übernehmen – und das sind überwiegend immer noch Frauen – führen aber eher im Kreis durch die Stadt. Da die Rheinbahn in den nächsten Jahren im Bus- und im Stadtbahn-Netz vieles verändert, sollten Tangenten dabei eine große Rolle spielen.
3. Bessere Stationen: Im gerade vorgelegten jüngsten Qualitätsbericht bewerten Testkund:innen nur 66 Prozent der Haltestellen als sauber. Das ist trotz eines Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr ein Wert mit viel Luft nach oben. Zudem sind viele Stationen immer noch nicht barrierefrei. Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl müssen oft einen Bordstein runter, über die Straße und dann wieder mindestens eine Stufe hinauf, um mit Bahn oder Bus zu fahren. Auch von diesem Problem sind in der Mehrheit Frauen betroffen.
Dass die Chancen gut stehen, dass sich mit Annette Grabbe etwas ändert, hat die neue Rheinbahn-Chefin vor kurzem mit einem Linkedin-Beitrag deutlich gemacht. Darin schreibt sie, dass das Buch „Der 2-Stunden-Chef“ von Insa Klasing sie beeindruckt habe. Die Ergebnisse des Werks spiegelten ihre Erfahrungen als Führungskraft in den vergangenen Jahren stark wider. Wie die Autorin sei sie überzeugt, dass Autonomie und Freiräume „Motivation, Kreativität, Innovationskraft und Weiterentwicklung bei den Mitarbeitenden“ schaffen.
Man solle zwei Stunden Führung am Tag für maximalen Erfolg einsetzen, lautet die Essenz des Buchs (und des Linkedin-Beitrags). Und was macht man mit dem Rest der Zeit? Annette Grabbe nennt drei Dinge: „Zukunft – Netzwerk – Kunden“.
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