Feierabend-Parken: Preisgekrönt, aber nicht genutzt
An der Oberbilker Allee 61 stehen mehr Fahrräder als Autos – und trotzdem ist das keine gute Nachricht für die Verkehrswende. Denn der Ort ist eine der Flächen, die für das Feierabend-Parken in Düsseldorf vorgesehen sind. Doch gegen 21.30 Uhr sind nur zwei Lücken belegt, der Rest ist frei. Ein ähnliches Bild ergaben meine Besuche auch an anderen Stellen. An der Aachener Straße 152 waren es drei Autos, an der Oberbilker Allee 245 immerhin 13. Und das alles, obwohl zu dieser Jahreszeit weniger Menschen verreist sind und die Nachfrage nach Parkplätzen hoch sein müsste.
Das Feierabend-Parken ist genau für solche Zeiten und Viertel mit mehr Autos als Abstellmöglichkeiten gedacht: Supermärkte ermöglichen, dass man zwischen 18 und 21 Uhr den Wagen auf dem Parkplatz abstellen darf. Nach Ladenschluss geht das Tor zu, und am nächsten Morgen muss man zwischen 6.30 und 8.30 Uhr wieder weg sein. Wenn man zwischendurch etwas aus dem Auto holen möchte, gibt es an der Seite offene Törchen, durch die man immer auf den Parkplatz gelangt. Das Ganze kostet vier Euro pro Nacht oder 30 Euro im Monat. Mehr dazu finden Sie in dieser Geschichte meines Kollegen Hans Onkelbach.
Der Jury des Mobilitätspreises NRW gefiel die Idee offenbar ganz gut, sie vergab Mitte Dezember den mit 10.000 Euro dotierten zweiten Platz ans Feierabend-Parken. Die Düsseldorfer Stadtspitze feierte dies ausgiebig und ließ sich mit Sätzen zitieren, die angesichts der Leere, die ich beobachtet habe, unfreiwillig komisch wirken. „Durch die Nutzung vorhandener Flächen kann unnötiger Parksuchverkehr vermieden und die Umweltbelastung in der Stadt nachhaltig gesenkt werden“, sagte Verkehrsdezernent Jochen Kral. Oberbürgermeister Stephan Keller möchte das Konzept schon „verfeinern und weitere attraktive Standorte nutzbar“ machen.
Die Stadt hat im Zuge der Preisverleihung auch erklärt, dass ihr bald eine Statistik zur Auslastung vorliegen werde. Solange sie noch wartet, teile ich hier meine Eindrücke im Detail:
Lidl, Oberbilker Allee 61
Das ist die Stelle mit den drei Fahrrädern und den zwei Autos. Direkt vor dem Tor des Parkplatzes ist das Verhältnis ein anderes. Auf den nicht unbedingt legalen, aber kostenfreien Plätzen am Zaun stehen jede Menge Autos. Selbst wenn man nach Feierabend-Parken suchen würde, könnte man nicht erkennen, dass es dort angeboten wird. Ein Transporter parkt direkt vor dem Schild.
Ein Grund für die sehr geringe Beliebtheit der eigentlichen Parkfläche könnte deren Lage sein. Sie ist etwa 100 Meter von der Oberbilker Allee nach hinten versetzt. Der anschließende Heimweg ist keine Strecke, die man gerne allein im Dunkeln läuft.
Lidl, Aachener Straße 152
Der Discounter und sein Tor schließen später als die anderen, erst um 22 Uhr. Auf die Nachfrage hat das keinen Einfluss. Drei Autos zählte ich auf dem gesamten Gelände. Der Anbieter fürs Feierabend-Parken hat sogar extra Plätze für sein Angebot gekennzeichnet und reserviert. Das einzige Fahrzeug dort war bei meinem Besuch ein leerer Einkaufswagen.
Auch hier wechselt das Bild, sobald man den Parkplatz verlässt. Auf beiden Seiten ist alles voll mit Autos. Der breite Radweg, den es im ersten Teil der Aachener Straße gibt, wird in diesem Teil nicht fortgeführt – weil der Platz neben den Straßenbahnschienen dem sehr ruhenden Verkehr vorbehalten ist.
Aldi, Oberbilker Allee 245
Hinter dem geschlossen Tor und dem geöffneten Törchen sah ich 13 Autos. Das war das beste Ergebnis meiner Tour, aber auch dort gab es deutlich mehr Lücken als Reifen. Offensichtlich bevorzugen Fahrerinnen und Fahrer in Oberbilk ebenfalls die Plätze an der Straße – und parken im Zweifel eher auf dem Radweg als beim Discounter.
Ähnlich wie an der Oberbilker Allee 61 liegt die Fläche etwas abseits der Straße und ist kein Musterbeispiel für ein gutes Sicherheitsgefühl.
Ich möchte nicht beim Problem stehen bleiben, sondern mögliche Lösungen für ein funktionierendes Feierabend-Parken erörtern:
Besser bewerben
Man kann einiges von Netflix und den Zeugen Jehovas lernen. Streamingdienste lassen ihre künftigen Kund:innen das Angebot zunächst kostenfrei oder zu einem Schnupperpreis testen. Das hieße auf Düsseldorf übertragen, dass die Stadt ihrer Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel einen Monat freies Parken schenken könnte oder mit einem stark rabattierten Preis.
Geht man davon aus, dass das Angebot noch gar nicht bekannt ist, kann man es so machen wie diejenigen, die ihre Zielgruppe in Fußgängerzonen suchen: mit Handzetteln oder Broschüren arbeiten. Man müsste sich in der Zeit, bevor das Tor schließt, im jeweiligen Viertel aufhalten und diejenigen, die verzweifelt eine Lücke suchen, mit Infomaterial ansprechen. Die Plakate, die ich bisher zum Feierabend-Parken gesehen haben, reichen nach meinem Empfinden nicht.
Angebot flexibler gestalten
Wer das Angebot nutzen möchte, hat abends ein Zeitfenster von drei Stunden und morgens eines von zwei. Man muss sich also abends im Zweifel beeilen und morgens unter Umständen schon wieder ins Auto steigen, wenn man noch gar nicht starten will. Die Regeln sind aus Sicht der Discounter nachvollziehbar, lassen mögliche Kund:innen aber schon wieder nachdenklich werden. Und das widerspricht dem alten Verkaufsgrundsatz „Don’t make me think“. Mehr Flexibilität zumindest auf einem Teil der Flächen wäre sicher hilfreich.
Draußen den Druck erhöhen
Der Oberbürgermeister und die schwarze-grüne Mehrheit im Rat hatten als Ziel für diese Ratsperiode ausgegeben, den öffentlichen Raum neu zu verteilen. Dort sollten mehr Geh- und Radwege und Aufenthaltsbereiche entstehen und das Parken dafür in den privaten Raum wechseln. Die Feierabend-Idee passt grundsätzlich zu diesem Zeil, weil es solche privaten Flächen öffnet.
Alle anderen Schritte für diesen Weg fehlen aber noch. Das zeigen die vielen und bestens belegten öffentlichen Parkplätze in der Nachbarschaft der Discounter. Solange diese Flächen weiter bestehen und nichts oder wenig kosten, fehlt der Druck, sich ernsthaft mit alternativen Angeboten zu beschäftigen. Eine Rechnung verdeutlicht das: Feierabend-Parken kostet 30 Euro im Monat, ein Bewohnerparkausweis (für den öffentlichen Raum) rund 30 Euro im Jahr.
Fazit
Die Idee des Feierabend-Parkens ist gut, das Vertrauen in ihre Kraft aber zu groß für die Praxis. Die Stadt muss mehr an und in Zielgruppen denken: Welche Bedürfnisse und Schmerzpunkte haben sie? Wann brauchen sie welches Angebot? Wie und wo erreicht man sie kommunikativ?
Schon das mulmige Gefühl auf den Wegen von den Plätzen nach Hause zeigt, dass man das Preisgeld noch gut investieren muss, bis das Ganze schlüssig – und dann vielleicht sogar für ein ersten Platz geeignet ist.