Keine Pandas – aber Bienen und Raupen

Die Druckwerkstatt liegt im Souterrain. Vorbei an einem Ständer voller vorproduzierter bunter Weihnachtsgrußkarten geht der Blick durch die großen Fenster schräg hinauf in einen dunklen Hinterhof. Dort erblickte Christoph Joachim im vergangenen Jahr noch verschiedene Grüntöne, pflegeleichte Ziersträucher, aber wenig Lebendigkeit. &bdquo;Efeu ist ja schön und gut – aber das sieht aus wie ein Friedhof“, dachte er. Und hatte auch schon einen Plan. Joachim ist hauptberuflich freischaffender Künstler und leitet die Druckwerkstatt mit einer halben Anleiterstelle bei der &bdquo;Etappe“, einer durch das Gesundheitsamt sowie das Jobcenter der Stadt Düsseldorf geförderte Arbeitsgelegenheit der Caritas Düsseldorf für Substitutionspatienten. Das sind Opioid-Abhängige, die mit einem ärztlich verordnetem Ersatzstoff versorgt werden. Insgesamt 26 Teilnehmende arbeiten in der Druck- oder der Holzwerkstatt, reparieren für Kindertagesstätten Einrichtungsgegenstände oder Spielzeug, bereiten in der Küche die Mittagsmahlzeiten für alle zu oder bekommen im Computerraum PC-Kenntnisse. Seit diesem Jahr gibt es ein weiteres Betätigungsfeld. Alles begann mit dem Bau von über 50 Nistkästen und Steinkauz-Brutröhren in der hauseigenen Holzwerkstatt. Nach der Auslieferung an die Willicher Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) Deutschland lud diese die Etappe-Mannschaft zum Frühstück ein und gab Einblicke in ihre Arbeit zum Erhalt der heimischen Biodiversität. Für die Teilnehmer eine tolle Erfahrung, denn sie profitieren von jeder vorurteilsfreien Begegnung im Alltag, schließlich sind sie als Suchtkranke viel häufiger mit Stigmatisierungen konfrontiert. Für Joachim und den beiden sozialpädagogischen Betreuer:innen der Einrichtung, Silke Frey und Dirk Stegemann, schärfte der Kontakt zu den Naturschutzprofis zudem das Bewusstsein, wie nötig der Schutz bedrohter Tierarten mittlerweile ist. Und da war doch noch was: der dunkle Hinterhof. Dort mit “Big Red“ – Geranien und &bdquo;Carneval“ – Petunien ruckzuck das große Farbfeuerwerk zu zünden – die Schnell-und-einfach-Verschönerung, bei der heimische Tiere in die Röhre gucken – kam nicht infrage. Stattdessen beschloss man unter Federführung von Christoph Joachim das Projekt Naturgarten. Joachim wollte möglichst vielen Tieren einen Lebensraum bieten, merkte aber bald, dass man dabei fatale Fehler machen kann. Er lieh sich also in der Stadtbibliothek die besten Bücher zur professionellen Anlage von Naturgärten aus, vergrub sich in Gartenblogs und vernetzte sich in den sozialen Medien mit anderen Naturgartenbauern. Im März ging es los – und als erstes dem nicht-heimischen Grünzeug an den Kragen. Unter anderem den allseits beliebten Bambuspflanzen, über die Joachim sagt: &bdquo;Damit können nur Pandabären etwas anfangen, aber die gibt es hier nicht.“ Aber es gibt hier bestandsgefährdete Wildbienen. Also wurden die Bambusstäbe in der Holzwerkstatt zusammen mit Paletten der Warenanlieferung zu Wildbienen-Nisthilfen (umgangssprachlich fälschlicherweise oft &bdquo;Bienenhotels“ genannt) verarbeitet. Bei der Beet-Gestaltung stand ebenfalls Wiederverwertung mit auf dem Plan, zumal das Budget des Projekts Etappe begrenzt ist und auf die verschiedenen Tätigkeitsbereiche aufgeteilt werden muss. Folglich suchten Frey, Joachim und Stegemann auch im Internet nach Materialien. &bdquo;Wir haben unter anderem auf Ebay-Kleinanzeigen geguckt, wer kostenlos Steine abzugeben hatte und diese dann aus verschiedenen Gärten in Düsseldorf herausgeschleppt“, erzählt Frey. Nach und nach kamen Anhänger voller Kies, Sand oder Steinen an, die in den Garten getragen und eingearbeitet werden mussten. Manche früher auf dem Bau beschäftigte Etappe-Teilnehmer konnten nun ihre Fertigkeiten einbringen. Andersherum erfuhren sie, dass die ihnen bekannten Prinzipien in einem Naturgarten nicht an erster Stelle stehen. Eine Beet-Einfassung einfach zu betonieren wäre ja schon besser, war ein häufiger Einwand. Doch Joachim ließ gemäß der Naturgarten-Philosophie alle Einfassungen als Trockenmauern, also ohne Mörtel gestapelte Steinreihen, gestalten. In den Hohlräumen können es sich Insekten und kleine Reptilien gemütlich machen. Seitdem viele Bauten und Beete fertiggestellt sind, schaut der kleine Garten ein bisschen aus wie eine Mischung aus Miniatur-Abenteuerland und – mittlerweile verblühter - Mini-Bundesgartenschau. Rechts und links der schmalen Wege fassen viele Meter lange, sorgsam gestapelte Trockenmauern kleine Motto-Beete ein. Beispielsweise das jeweils kreisrunde Schatten-Beet, das Lavendelbeet oder das Schmetterlingsbeet, auf dem nicht nur hübsche Schmetterlinge, sondern auch ihre oft stiefmütterlich behandelten Frischlinge, die nimmersatten Raupen, Nahrung finden sollen. Auf der Sonnenseite des Gartens liegt das Magerbeet, dessen Namensgeber der extra eingebrachte nährstoffarme (magere) Boden ist. Es soll ab dem kommenden Jahr florieren und als 24/7-geöffneter Selbstbedienungsladen schützenswerten Tieren offenstehen. Joachim wählte - teils auch seltene - heimische Pflanzen wie Felsenbirne, Kornelkirsche und Holunder. &bdquo;Wenn überall nur Rosen und Tulpen gepflanzt werden, ist das für die Artenvielfalt nicht gut“, erklärt er. Wildtiere profitieren von einem reichlichen Angebot im Garten, von möglichst vielen verschiedenen heimischen Pflanzen mit Blüten für Insekten und mit Früchten sowie Samenständen für Vögel und Eichhörnchen. Inmitten des Gartens plätschert Wasser über ein Steinbett in einen kleinen Teich. Auch dieser ist tiergerecht angelegt, er hat einen flach auslaufenden Steinstrand, damit tierische Gartenbesucher allein wieder herausklettern können. Im hinteren Bereich des Gartens fällt eine Steinpyramide ins Auge. Kein Grab oder Mahnmal, sondern Unterschlupf für Käfer, Salamander oder Eidechsen. Daneben eine Benjes-Hecke, die zunächst nur aus einer stabilisierten Aufschichtung von Ästen, Zweigen und Laub besteht und daher häufig für ein Gartenabfalllager gehalten wird. Sie soll sich zu einem lebhaften Mehrfamilienhaus für Insekten, Igel, Mäuse und Erdkröten entwickeln. Und das Sandarium, ein kleiner Sandkasten, ist natürlich auch nicht für menschlichen Nachwuchs gedacht. Vielmehr sollen dort im Boden nistende Insekten für Nachkommen sorgen können. Von den über 500 verbliebenen Wildbienenarten in Deutschland sind viele Einzelgänger-Arten, die Brutzellen in den Boden oder hohle Pflanzenstängel graben. Vorreiter für den Bienenschutz ist die bundesweite Initiative &bdquo;Deutschland summt“ der Stiftung Mensch und Umwelt. Irgendwann entschloss sich das Etappe-Team, bei deren jährlich ausgelobtem Pflanzwettbewerb &bdquo;Deutschland summt - Wir tun was für Bienen“ mitzumachen. &bdquo;Der Wettbewerb ist wie auf uns zugeschnitten“, sagt Joachim, dem es merklich wichtig ist, den Bienen Nahrung und Nistmöglichkeiten zu bieten. Die &bdquo;Rote Liste der Bienen ist leider sehr lang, etwa die Hälfte der heimischen Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht oder zumindest mehr oder weniger stark im Bestand gefährdet. In diesem Jahr wurden insgesamt 367 Beiträge in zehn Kategorien eingereicht und von einer Jury bewertet. Die Etappe-Mannschaft ließ in der Kategorie &bdquo;Firmen-, Institutions- und Vereinsgärten“ mit dem zweiten Platz 43 Konkurrent:innen hinter sich und konnte sich über ein Preisgeld von 300 Euro freuen. Was passierte mit dem Geld? &bdquo;Ich habe davon ganz viel Saatgut bestellt“, sagt Joachim. Reibt sich die Hände und freut sich sichtlich auf den Frühling, wenn das Projekt Naturgarten in die zweite Runde geht. Weiterführende Links Die Internetseite des Projekts &bdquo;Etappe“. Den Naturgartenbau und viele weitere Projekte der Etappe kann man auf Instagram verfolgen unter @etappeduesseldorf. Die Initiative &bdquo;Deutschland summt – Wir tun was für Bienen“ ist hier zu finden. (*) Die Rote Liste der Bienen listet gefährdete und bereits ausgestorbene Arten steht hier.

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