Kö ohne Autos – warum eigentlich nicht?

Vorab persönliche Erfahrungen: Ich lebe und arbeite seit Anfang der 1980er Jahre in Düsseldorf. In dieser Zeit bin ich häufig mit dem Auto auf die Kö gefahren. Es war immer mit Stress verbunden, obwohl ich überraschend oft einen Parkplatz gefunden habe. Noch häufiger jedoch habe ich eines der nahen Parkhäuser genutzt, bin – sehr entspannt – die wenigen Schritte zur Kö gebummelt und habe dort gekauft, was ich brauchte. War ich auf die Kö als Fahrbahn angewiesen? Klare Antwort: Nein. 15 Jahre hatte ich mein Büro in den Schadow Arkaden mit Blick auf die Kö. Reibungslos floss der Verkehr dort nie, und vor allem zwischen Ende Oktober und Ende Januar tobte unten, vor meinen Augen, ein mit PS und Hubraum geführter Krieg. Dennoch habe ich immer geglaubt, die Kö und die Autos, das gehöre zusammen. Aber nun schlage ich vor, frei von Ideologien das Thema neu zu überdenken, meinetwegen ergebnisoffen. Es hat sich nämlich viel verändert in den letzten zwei, drei Jahren. Andere Städte haben diesen Schritt weg vom Auto mit unterschiedlichen Ergebnissen hinter sich. In Zürich käme niemand auf die Idee, die feine Bahnhofstraße für Autos freizugeben, ähnlich sieht es in den Zentren von Barcelona und Kopenhagen aus. Auch die Hohe Straße in Köln ist pure Flaniermeile. Hamburg hat es mit dem Jungfernstieg versucht und erntete ein Verkehrschaos, Berlins Friedrichstraße wirkt ohne Autos auch nicht gerade einladend. Die einzelnen Beispiele zeigen: Es kommt drauf an. Auf die Lage, das unmittelbare Umfeld, die Verkehrsführung. Braucht man die Kö als Verkehrsachse?Nein. Sie spielt im Innenstadtverkehr keine zentrale Rolle. Wer von Süden (Graf-Adolf-Straße, Haroldstraße) nach Norden will oder umgekehrt, wird nur im Notfall über die Kö fahren, denn dort geht es meist stop-and-go vorwärts – wegen der vielen auf einen Parkplatz wartenden Wagen. Auch die Querverkehre (Grünstraße, Königstraße) sind nicht entscheidend und könnten leicht umgelenkt werden. In welchem Bereich käme eine autofreie Zone in Betracht?Ab der Ecke Theodor-Körner-/Schadowstraße im Norden (Kaufhof Kö, Breidenbacher Hof, Mayersche Buchhandlung) bis zur Ecke Bahnstraße (Höhe Interconti) im Süden. Vor allem die nördliche Begrenzung ist entscheidend, weil so der Verkehr von der Heinrich-Heine-Allee kommend durch die Blumenstraße zum Parkhaus Schadow Arkaden oder zur Immermannstraße und zum Kö-Bogen-Tunnel fließen könnte. Im Süden wäre die Zufahrt zur Huschbergerstraße mit dem Parkhaus Moll möglich. Über die Grünstraße (dann als Sackgasse) wären die Parkhäuser Stilwerk und Kö-Galerie von der Berliner Allee aus erreichbar. Würde man weiter Wert legen auf die Achse Stein-/Benrather Straße – die Verbindung von der Berliner Allee Richtung Altstadt – wäre es denkbar, diese Trasse für den Autoverkehr offen zu lassen, den autofreien Bereich an dieser Stelle sozusagen zu durchtrennen. Was durch Fußgängerampeln leicht zu regeln wäre. Würde sich die Parkplatzsituation drastisch verändern?Nein. Die Kö selbst hat zwar etliche Abstellflächen, aber im unmittelbaren Umfeld gibt es mehr als ein halbes Dutzend Tiefgaragen, mittelbar weitere Parkhäuser wie Ratinger Tor, Stresemannstraße und im früheren Kaufhof an der Berliner Allee. Ohne Autos weniger Umsätze?Wer dazu den Vorsitzenden der Interessengemeinschaft der Kö-Anlieger, Peter Wienen, befragt, wird ein klares Ja als Antwort bekommen. Er ist fest davon überzeugt, dass mit dem Auto ankommende Kunden mehr Geld ausgeben als andere. Auch der Architekt Walter Brune, Erbauer der Kö-Galerie und der Schadow Arkaden, sagte in einem Interview: &bdquo;Der Kofferraum des Autos ist die größte Einkaufstüte.“ Es gibt aber gegenteilige Aussagen. Beispiel Berlins Friedrichstraße: Optisch ohne Autos wohl kein Gewinn, aber offenbar ist kein Schaden für den Einzelhandel entstanden. 500 Meter zwischen Französischer und Leipziger Straße sind für Autos gesperrt worden, und das Kaufhaus Lafayette hatte mit einem Umsatzrückgang von 25 bis 30 Prozent gerechnet. Das Gegenteil trat ein, sagte Lafayette-Geschäftsführer Philipp Hugot im good-news-Magazin: Die Zahl der Kunden sei gestiegen. Auch in Frankreich gab es überraschende Erkenntnisse: 1298 Personen wurden in den Städten Dijon, Grenoble, Lille, Nantes, Salon-de-Provence und Straßburg nach ihrem Einkaufsverhalten befragt. Das Ergebnis: Autofahrer geben zwar pro Einkauf in Einzelhandelsgeschäften mehr Geld aus als ÖPNV-Nutzer, Fahrradfahrer und Fußgänger. Doch die letzten drei Gruppen gehen öfter einkaufen. Das heißt unter dem Strich: Auf die Woche gesehen machen die Händler mit Autofahrern den geringsten, mit Fußgängern den höchsten Umsatz. Bei einer Studie der Uni Toronto kamen die Forscher nach einem Versuch in einer der Einkaufsstraßen zu einem ähnlichen Ergebnis: Mehr Käufer, mehr Umsatz. Madrid machte ebenfalls solche Erfahrungen. Sind solche Studien und Pilotprojekte auf Düsseldorf übertragbar?Nur eingeschränkt. In Berlin beispielweise wurden verkehrsberuhigte Einkaufsstraßen untersucht und man stellte fest, dass weniger als zehn Prozent der Kunden mit dem Auto kamen. Die Händler hatten diesen Anteil weitaus größer eingeschätzt. Zudem legten die meisten Kunden nur rund einen Kilometer Strecke von daheim zum Einkaufen zurück. Das ist bei der Kö anders. Dort kaufen sehr viele Leute aus dem Umland ein, und die reisen fast alle mit dem Auto an. 20 Prozent sind laut der Interessengemeinschaft der Kö-Anlieger Düsseldorfer und aus der unmittelbaren Nachbarschaft, 40 Prozent aus dem weiteren Umfeld, in Teilen aus ganz NRW, und 40 Prozent aus dem Ausland. Das heißt: Ein großer Teil nutzt das Auto, fährt jedoch in eines der genannten Parkhäuser und geht die wenigen Meter zur Kö zu Fuß. Was hat sich insgesamt geändert?Derzeit denken viele über ihr Mobilitätsverhalten nach und ändern es. Klimawandel durch Schadstoffe (auch von Autos), steigende Spritpreise, E-Mobilität, Lastenräder – alles Faktoren, die vor nicht allzu langer Zeit keine Rolle spielten. Heute aber doch. Die autogerechte Stadt ist Historie, und das gilt auch für die Kö. Das Einkaufen läuft nach anderen Regeln als noch vor wenigen Jahren. Saturn an der Kö hat jetzt zum Beispiel angekündigt, seine Fläche im Sevens zu verkleinern. Hintergrund dürfte der wachsenden Online-Handel sein. Das gilt auch für weitere Geschäfte. Auf dem westlichen Teil der Straße (früher Banken-Seite) findet schon seit geraumer Zeit ein enormer Wandel statt, von vielen unbemerkt. Die Banken sind nur noch in Teilen dort, neue Büros entstehen. Man könnte das zum Anlass nehmen, die zwei Seiten dieser Meile im Herzen Düsseldorfs endlich als Einheit zu betrachten, auch in ihrer künftigen Entwicklung. Wieso dennoch Autos auf der Kö?Sehen und gesehen werden sei wichtig, meinen einige, die luxuriöse Kö und Autos gehören zusammen. Was sicher auch stimmt: Die Porsche-, Range-Rover-, Ferrari- und Mercedes-Dichte auf der Kö wird nur noch von den Firmenparkplätzen der jeweiligen Marke übertroffen und gehören mit ihrer oft spektakulären Optik zum Gesamtkunstwerk Kö. Aber seitdem Autoposer den Prachtboulevard für ihre lebensgefährlichen Spektakel nutzen, sollte man anfangen, das differenzierter zu sehen. Denn eine autofreie Kö hätte auch diesen Vorteil: Das sinnlose Auf- und Abfahren dieser sehr speziellen Klientel wäre vorbei. Zu Fuß ist die nie unterwegs. Was man tun könnte: Neue Gedanken wagen, bisher scheinbar Vertrautes in Frage stellen. Die Chance sehen: Die Kö ohne Autos könnte zu einem städtebaulichen Highlight werden, gewänne Platz für Gastronomie, Kleinkunst, Events. Professionelle Ausarbeitung eines neuen Konzepts: Befragung der Kunden, Studien über tatsächliches Einkaufsverhalten, Begutachtung der Verkehrsströme. Kooperation initiieren zwischen Einzelhandel und Politik, Stadtplaner, Architekten, Gastronomen, Anwohnern und Immobilieneigner einbeziehen. Die Düsseldorfer und ihre Kö – das ist eine enge, über Generationen gewachsene und regelrecht genetisch geprägte Bindung. Wenn es jemals wichtig war, eine echte Bürgerbeteiligung zu realisieren, dann bei einem solchen Projekt. Quellen Interview mit Walter Brune Interview mit Peter Wienen Bericht über autofreie Innenstädte

Kö ohne Autos – warum eigentlich nicht?

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