Kö: Pedale statt Porsche

Derzeit läuft in Düsseldorf ein offenes Diskussionsverfahren unter dem Titel &bdquo;Zukunft der Kö“, vor ein paar Tagen gab es eine erste gemeinsame Veranstaltung. Um der Diskussion eine Grundlage zu geben, kamen mehrere Fachleute zu Wort. Sie referierten über Mobilitätskonzepte, offene Flächen für Menschen, andere Nutzung, mehr Gastronomie. Aber keiner von ihnen sprach diesen Satz aus, der in Wahrheit über allem schwebte: &bdquo;Die Kö mit weniger Autos“. Dabei ist das eindeutig die Richtung, in die man nun denkt. Da dieses Thema in Düsseldorf hoch emotional aufgeladen ist, vor allem bei einigen Geschäftsleuten und Grundstückseignern an dieser Einkaufsmeile, vermied man offenbar auszusprechen, was eindeutig als Vision in den Köpfen ist. Klar wurde es dennoch. Entsprechend reagierte Peter Wienen, Vorsitzender der IG Kö, auf den Vorschlag "Pedale statt Porsche". Diese Gruppe verteidigte bisher eisern das Prinzip des Boulevards als Präsentationsfläche für schickes Blech. Er sei entsetzt gewesen angesichts der bei dem Workshop gemachten Vorschläge, sie bedrohten den Boulevard, und das Werkstattverfahren werde genutzt, um eine politische Intention zu verfolgen. Das Ziel sei nicht das Wohl der Stadt, und man habe keine Ahnung von dem, worüber man da rede. Am Ende habe er sich aus der virtuellen Übertragung ausgeschaltet, empört er sich im Gespräch mit mir. Wienen kam bei der oben genannten Veranstaltung ebenfalls zu Wort und erinnerte in seinem Vortrag an den Schöpfer der Kö, den Stadtplaner Kaspar Anton Huschberger, der um das Jahr 1800 die Grundlage für dieses einmalige Ensemble geschaffen hatte. Heute gehöre das Auto eben dazu, auf das Flanieren mit dem Wagen wollten viele Kö-Besucher nicht verzichten. Wie er das von den berüchtigten Auto-Posern abgrenzen wolle, ist eine für den Immobilienkaufmann nicht so leicht zu beantwortende Frage. Auf jeden Fall sei diese Unsitte des lautstarken Hin-und-Her-Fahrens nicht das, was man wolle. Und man sperre sich ja auch nicht gegen mehr Platz für Fahrräder, sondern plädiere ebenfalls für eine Ausweitung in der Mitte des Boulevards. Dort müssen sich zurzeit noch Fußgänger und Radler einen Weg teilen, einen echten Radweg gibt es nicht. Das soll anders werden, und dafür ist man auch bereit, eine der beiden Fahrspuren und damit den Platz für längsparkende Autos wegfallen zu lassen – zugunsten eines autonomen Radewegs auf dem Mittelstreifen entlang dem Kö-Graben. Neue Köpfe drängen nach vorn So oder so – einer Veränderung des Gesamtbildes und einer veränderten Nutzung wird sich die Gruppe nicht verweigern können. Und sie wird es auch nicht wollen, wie die neue Zusammensetzung des Vorstands zeigt. Breidenbacher-Hof-Inhaber Cyrus Heydarian, Paul Prange (Prange-Schuhe), Breuninger-Geschäftsführer Andreas Rebbelmund und Jürgen Mentzel (Centrum-Gruppe) haben sich in den Vorstand wählen lassen, und das nicht ohne Grund: Cyrus Heydarian Der Hotel-Manager hat während der Corona-Krise sozusagen die Seite gewechselt. Vom Hotel-Manager zum Eigentümer des Hauses. Mit Hilfe einer kuwaitischen Investoren-Gruppe übernahm er das Luxus-Hotel und hat begonnen, die sehr hohe Abhängigkeit von ausländischen Gästen zu verringern und zusätzlich auf inländische Touristen zu setzen. Heydarian vertritt seit langem die Meinung, die Kö als Teil eines gesamtstädtischen Düsseldorfer Angebots zu sehen, das besser vermarktet werden muss. Andreas Rebbelmund Der Geschäftsführer bei Breuninger im Kö-Bogen hat ein fundamentales Interesse daran, dass die Kö auch künftig funktioniert. Seine Kunden können mit dem Auto kommen, aber nicht vors Haus fahren – zur Immobilie gehört eine Tiefgarage, die man über den Kö-Bogen-Tunnel anfährt. Dass er in den Vorstand der Interessengemeinschaft Kö geht, zeigt deutlich, dass er mitreden will bei der neuen Gestaltung der Einkaufsmeile. Die hat sein Haus und der Kö-Bogen ohnehin schon verändert: Durch das Ensemble Kö-Bogen, Schadow Arkaden und umliegende Geschäfte gibt es auf der Königsallee ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Anders gesagt: Der Norden (wo der Kö-Bogen liegt) hat dem Süden (Richtung Graf-Adolf-Straße) deutlich an Glamour und damit Gewicht entzogen. Paul Prange Der Name hat Tradition in Düsseldorf, vor allem rund um die Kö. Inzwischen steckt aber dahinter mehr als nur ein Schuhgeschäft, sondern ein geschickt geschaffenes Konstrukt mehrerer Handelsunternehmen. Salopp gesagt müsste Prange schon von Hause aus eine Kö für Fußgänger bevorzugen. Jürgen Mentzel Der Mann ist die interessanteste Personalie im Vorstand der Interessengemeinschaft Kö. Denn Mentzel ist der Vertreter seines Chefs, Uwe Reppegather – und der wiederum ist die Nummer eins bei Centrum. Dieser Immobilienentwickler spielt derzeit in der Düsseldorfer Innenstadt eine – passend zum Namen – zentrale Rolle: Man bewirbt sich beispielsweise um den Neubau der Oper am alten Standort an der Heine-Allee. Der vom Unternehmen vorige Woche vorgelegte Entwurf mit zwei schräg stehenden Türmen würde unten die Oper und oben profitträchtige Wohnungen und Büros anbieten. Die Bauten seiner Umgebung wie Kaufhof und Steigenberger Parkhotel ließe er auf Lego-Format schrumpfen. Entsprechend heftig waren die Reaktionen: Skeptisch waren die freundlicheren Kommentare, pures Entsetzen die anderen. Die nächsten großen Projekte Auf der Westseite der Kö, früher geprägt durch prachtvolle Verwaltungsbauten der Banken, entkernt der Immobilienentwickler Hines derzeit das frühere Commerzbankgebäude zwischen Kö, Benrather Straße und Breite Straße. Errichtet werden sollen Büro und Geschäftsflächen. Damit setzt sich die dort schon vor Jahren begonnene Entwicklung mit der Ansiedlung von Läden fort. Erfolgreiche Label wie Hermes, Nespresso und Bose haben sich dort erfolgreich niedergelassen und verändern Kundenströme. Die Centrum-Gruppe besitzt an der Kö zwischen Benrather Straße und Königsstraße mehrere Gebäude und prägt dort das neue Gesicht des Einkaufsboulevards. Immobilienexperten gehen davon aus, dass Centrum möglichst viele weitere Grundstücke erwerben und daraus einen Gesamtkomplex errichten will. Was man von außen nicht sieht: Einige der Grundstücke sind sehr tief, in ihren hinteren Bereichen gibt es Innenhöfe oder Lager – aus Sicht heutiger Entwickler sinnlose Flächen, die man besser nutzen könnte. Zumal die großen Labels wie Gucci, Prada oder Louis Vuitton an anderen Standorten begonnen haben, neue Raumkonzepte umzusetzen. Sie schaffen gastronomische Angebote innerhalb ihrer Geschäftsräume, um die Verweildauer der Kunden (und damit die Umsätze) zu erhöhen. Für solche Konzepte braucht man mehr Platz als bisher. Perspektiven Das Projekt &bdquo;Zukunft der Kö“ durch die Stadt zeigt, dass man erkannt hat, wie wichtig der Boulevard für Düsseldorf ist und dass man ihn nicht nur Immobilienentwicklern überlassen darf. Aber auch die Dringlichkeit neuer Ideen für eine breitere Nutzung hat man eingesehen. Bester Beweis für die Dringlichkeit anderer Konzepte: Nach Geschäftsschluss ist die Kö menschenleer, Bars oder Restaurants gibt es zwar, aber nicht ausreichend, um für Belebung zu sorgen. Der Grund: Die hohen Mieten sind mit solchen Betrieben nicht zu erwirtschaften. Nach ersten Inhalten der Diskussionen wird klar, dass man auch andere Ideen prüfen wird, nicht nur Einkäufer auf die Kö zu locken – sei es mit Events, Kleinkunst, Aktionen. Kurz: Aufenthaltsqualität vor Umsatz. Niemand will die Autofahrer vergraulen. Aber selbst Peter Wienen, der Befürworter der Autos auf der Kö, räumt ein, dass es im Umfeld der Einkaufsmeile ausreichend Parkhäuser gibt. Das ist korrekt: Die wenigen hundert Parkplätze an den Fahrbahnen dürften keine Rolle spielen. Und auswärtige Besucher steuern sowieso die gut ausgeschilderten Garagen an. Also: Autos an der Kö auch weiterhin, aber nicht auf der Kö – das dürfte das nächste Ziel sein. Vorbilder: Städte wie Barcelona, Kopenhagen, Monaco zeigen wie es geht. Dort hat man die Autos aus Teilen der Innenstadt verbannt, und der Einzelhandel hat oft davon profitiert. Und ein Beispiel aus der Nachbarschaft: Hohe Straße und Schildergasse in Köln sind seit Jahrzehnten selbstverständlich Fußgängerzonen. Also etwas völlig Neues für Düsseldorf: Von Köln lernen.

Kö: Pedale statt Porsche

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