Mobilitätstationen: Wichtig für die Verkehrswende, zu wichtig für den Geldgeber
Die Verkehrswende beginnt immer mit der gleichen Frage: Wie schafft man ein Angebot, das attraktiver ist als ein Fahrzeug, auf das man jederzeit zugreifen und in dem man alleine sitzen kann? Eine Stadt kann mehr Busse und Bahnen auf die Strecke schicken, neue und gute Radwege bauen, aber so bequem wie im eigenen Auto ist man dann immer noch nicht unterwegs. Eine wahre Alternative müsste die Nachteile beseitigen, die der hauseigene Pkw hat. Das wäre der Fall, wenn man keinen Parkplatz mehr suchen und sich keine Gedanken über Emissionen machen müsste sowie das Ganze auch für kurze Strecken nutzen könnte.
Wir reden also von einer eierlegenden Wollmilchsau. Ausnahmsweise ist diese rhetorische Figur nicht als Gegenargument gemeint, sondern ein Ideal, dem man nahekommen kann. Die eierlegende Wollmilchsau könnten die Mobilitätstationen sein, die es in anderen Großstädten bereits gibt und die nun auch in Düsseldorf entstehen. Der Grundgedanke: An einem Ort stehen den Nutzer:innen verschiedene Verkehrsmittel verlässlich zur Verfügung, sie können immer dasjenige nehmen, das zu ihrer nächsten Tour passt: Auto, Scooter, Roller, Lasten- oder Normalrad.
Wichtig ist dann noch, dass diese Eier-Wolle-Milch-Orte nah sind. Wenn das für möglichst viele Einwohner:innen gelten soll, braucht es auch entsprechend viele Mobilitätstationen in einer Stadt. In Düsseldorf soll bis zum Jahr 2030 ein Netz mit rund 100 Punkten entstehen.
Wie diese aussehen werden, kann man sich in Unterbilk und Friedrichstadt anschauen. Dort sind die ersten drei Stationen entstanden – jeweils mit Sharing-Möglichkeiten für Autos und diverse (motorisierte und -nicht-motorisierte Zweiräder), Abstell-Bügeln und Garagen für Räder sowie Reparatur-Säulen, die mit Werkzeugen und Luftpumpen ausgestattet sind.
Ich habe alle Mobilitätstationen mehrfach besucht. Sie sind in Lage, Wirkung und Reaktion der möglichen Zielgruppen unterschiedlich – und folglich jede für sich lehrreich mit Blick auf die Frage, ob und wie diese Orte für die Verkehrswende wirken.
Das Musterbeispiel: Friedensplätzchen
Wenn man nicht so genau hinschaut, fällt einem zunächst gar nicht auf, dass sich mitten in Unterbilk eine Mobilitätstation befindet. Die einzelnen Elemente knubbeln sich nicht an einer Stelle, sondern sind an den Ecken des Platzes verteilt und fügen sich aufgrund der Materialien (Edelstahl, Holz) und Farben gut in die Umgebung. Wenn man das einmal verstanden hat, sieht man, was es dort alles gibt:
- Carsharing mit festen Parkplätzen. Bisher hatte Carsharing den Nachteil, dass man als Nutzer:in in den zentralen Stadtteilen lange nach einer Abstellmöglichkeit suchen musste. Nun sind die Plätze reserviert und sensor-überwacht. Steht jemand auf dem Platz, der nicht das Signal eines Carsharing-Fahrzeugs sendet, wird nach einer bestimmten Zeit abgeschleppt. Das Angebot des Unternehmens Cambio scheint anzukommen. Am Eröffnungstag der Mobilitätstation gingen der Mitarbeiterin die Anträge aus.
- Lastenrad-Automat: Wer keines dieser gerade schwer beliebten Transportmittel hat oder haben mag, kann sich über eine App eines mieten und dann aus der Halterung lösen. Preis: ein Euro pro Stunde.
- Fahrradgarage: Wer in der Innenstadt wohnt, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit schon mal die traurige Erfahrung gemacht, dass einem das Rad gestohlen wird. Wer nicht über einen Fahrradkeller verfügt oder nur über einen am Ende einer halsbrecherischen Treppe, möchte das Diebstahlsrisiko vielleicht anders minimieren. Für solche Personen sind die gesicherten Stellplätze in den dunkelgrauen Boxen interessant. Preis: 15 Euro pro Monat. Am Friedensplätzchen sind nach Angaben der zuständigen städtischen Tochter Connected Mobility Düsseldorf (CMD) die zwölf Plätze alle gebucht.
- Überdachte Fahrradständer: Wer weder in den Keller kann noch in die Garage will, kann sein Rad am Friedensplätzchen zumindest trocken unterstellen, wenn sie oder er einen freien Bügel unterm Dach erwischt.
- Fläche für Roller und normale Mieträder: Im Umfeld der Mobilitätstation kann man E-Roller nicht einfach abstellen und sich abmelden. Man muss dafür auf die speziell markierte Fläche. Das sorgt für Ordnung im Viertel und eine in aller Regel ausreichende Zahl vorhandener Gefährte.
Die Kosten für die Station lagen laut CMD bei rund 300.000 Euro. 80 Prozent davon hat das Land übernommen – so wie bei anderen Mobilitätstationen auch. Die übrigen 20 Prozent stammen aus dem Klima-Etat der Stadt.
Der schwierige Fall: Stadttor
Nur Bruchteile der Beliebtheit der Station am Friedensplätzchen würde man sich für die Fläche neben dem Stadttor wünschen. Dort gibt es mit Ausnahme des Lastenrad-Automats zwar ein ähnliches Angebot. Die Station liegt aber nicht mitten in einem Wohngebiet, sondern vorrangig neben einem Gebäude mit vielen Arbeitsplätzen, dem Stadttor. Die Idee: Nutzer:innen brauchen Mobilitätstationen vor allem für die ersten und die letzten Meter ihres Wegs, also auch, um zur Arbeit zu kommen oder dort den Heimweg zu starten. Die Wirklichkeit: Der Platz erschien nach der Eröffnung im Mai oft so einsam, dass nur noch vom Wind losgerissene Dornbüsche durchs Bild hätten rollen müssen, um das Szenario abzurunden.
Mittlerweile sind nach Angaben von CMD 75 Prozent der Fahrradgaragen-Plätzen mindestens bis Jahresende vergeben. Das Carsharing-Angebot sei seit August rund 660 Mal genutzt worden.
Vielleicht braucht es für Stationen neben großen Arbeitgebern eine längere Gewöhnungszeit als in Wohnvierteln. Vielleicht war aber auch der Wunsch des Fördergeldgebers, ein Vorzeigeprojekt vor der Tür zu haben und noch vor der Landtagswahl zu eröffnen, einfach zu stark. Im Stadttor hatte die damalige Landesverkehrsministerin Ina Brandes ihren Sitz.
Die Bus-und-Bahn-Kombination: Kirchplatz
In der Mitte zwischen Unterbilk und Friedrichstadt gibt es seit Mitte Oktober die dritte Mobilitätstation. Sie bietet alle Möglichkeiten wie das Friedensplätzchen, zum Teil sogar an mehreren Stellen rund um den Platz. Die Wohngebiete sind wieder ein paar Meter weiter entfernt, dafür hat die Station eine andere Verknüpfung: eine mit dem ÖPNV. Vier Bahn- und fünf Buslinien halten am Kirchplatz. Wer dann mit etwas anderem als den eigenen Füßen weiterkommen möchte, hat eine breite Auswahl.
Mit ebenfalls 300.000 Euro wurde eine dritte Variante (neben der Station im Quartier und an einem Ort mit vielen Arbeitsplätzen) geschaffen. Mit ihr kann man Erfahrungen sammeln, ob und wie ÖPNV-Nutzer:innen nach dem Aussteigen noch umsteigen.
Die nächsten Stationen
In diesem Jahr sollen noch fünf weitere Mobilitätstationen eröffnen – wenn es die Lieferengpässe bei den Baumaterialien denn zulassen: Auf’m Hennekamp, am Bachplätzchen, am Horionplatz, sowie an zwei Standorten auf dem Uni-Campus.
Am Bachplätzchen dominieren im Moment noch Bauzäune und Hügel von Ex-Asphalt das Bild. Dort versteht man, was Mobilitätstationen noch können könnten: positiv auf die Stadtentwicklung wirken. Teile der Fläche werden entsiegelt und begrünt, der Weg zur nahe gelegenen Grundschule sicherer und der Platz so belebt, dass dort nächsten Sommer rund um das orangefarbene Büdchen sogar Kultur möglich wird.
Für 2023 sind bisher zwei weitere Eröffnungen geplant. Zugleich will die CMD die Erfahrungen der verschiedenen Modelle auswerten und Lehren für die künftigen Projekte daraus ableiten. Anschließend soll es dann mit gesundem Tempo weiter in Richtung der 100 Stationen bis zum Jahr 2030 gehen.