Rheinbahn-Umbruch verlangt Opfer – auch vom Oberbürgermeister
Der 16. September war kein Tag, an dem bei der Rheinbahn viel über Dienstpläne oder das zurückliegende Wochenende gesprochen wurde. Hauptthema war eine Rundmail des Vorstands. Diese beinhaltete einiges, das es erstmal zu verdauen galt: Vier Führungskräfte, die unter dem Vorstand angesiedelt waren, verlassen das Unternehmen.
Ein solcher Schritt hatte sich spätestens seit dem Sommer abgezeichnet. Das Gutachten eines Beratungsunternehmens ergab damals ein bitteres Bild: Silo-Denken, kaum Fortschritte bei der Digitalisierung, kaum Kund:innen-Orientierung, wenig wirtschaftliches Denken. Hinzu kam ein System, in dem die Protagonisten dafür sorgten, dass sie selbst gut verdienten und sich wechselseitig schützten.
Vorstandssprecherin Annette Grabbe, seit September 2023 im Amt, demonstrierte, einen anderen Kurs mit der Rheinbahn einschlagen zu wollen. Das geschah erkennbar in dem Wissen, dass den harten Monaten zuletzt nun harte Entscheidungen folgen. Angesichts der genannten Probleme war zum Beispiel kaum vorstellbar, die Verantwortlichen für Revision oder Recht zu behalten.
Viele Vertraute hatte Annette Grabbe in ihrem ersten Jahr als Chefin nicht. Dafür war das System aus Bevorteilung und Angst zu weit verzweigt. Das wird sich nun ändern. Sie hat künftig ein Führungsteam mit Menschen, auf die sie setzen kann und die zugleich Vorbilder für den neuen Kurs sind.
Das Ganze kostet Geld. Meist einigte man sich auf den Abschied und das ist dann mit Abfindungen verbunden. In mindestens einem Fall soll es eine Kündigung gegeben haben, dies kann einen Arbeitsgerichtsprozess zur Folge haben – mit ungewissem juristischem und finanziellem Ausgang.
Oberbürgermeister Stephan Keller hat in den vergangenen Monaten seine Rückdeckung für die Rheinbahnchefin deutlich gemacht, auch indem er die anstehenden Kosten für die personellen Veränderungen genehmigte. Bei den Neubesetzungen hat er einen weiteren Vertrauensbeweis erbracht. Die Ab- und Zugänge im Überblick:
Die Abgänge
Thomas Kötter: Der bisherige Sprecher hat sein Team am 16. September übergeben. Er ist in der Stadtgesellschaft recht bekannt, weil er zuvor für die Modemesse Igedo und den Düsseldorfer Flughafen Kontakte pflegte.
Thomas Kötters Wechsel zur Rheinbahn vor gut vier Jahren war mit mindestens einer Überraschung verbunden. Der damalige Vorstand erlaubte ihm, zugleich Geschäftsführer der Destination Düsseldorf sein. Diese Gesellschaft kümmert sich um das Frankreichfest und Prowein goes city, früher auch um die Jazz Rally. Diese Großereignisse binden einen nicht das ganze Jahr. Aber sie fordern doch viel Aufmerksamkeit von jemandem, der zugleich die Kommunikation eines Unternehmens mit mehr als 250.000 Abonennt:innen leiten soll.
Zu diesem Umstand kam der Eindruck, dass Thomas Kötter in den Sozialen Netzwerken eher den eigenen Namen als den des Arbeitgebers promotet. Für einen kommunikations-intensiven Umbruch erschien er daher offenbar nicht als der passende Mann.
Leitung Recht: Wie erwähnt waren die Entdeckungen der vergangenen Monate mit der Frage verbunden, warum all das nicht aufgefallen war beziehungsweise keine Konsequenzen hatte. Diese Frage richtete sich unter anderem an die Leitung des Bereichs Recht, Controlling, Einkauf, Finanzen. Gegen sie stehen darüber hinaus juristische Vorwürfe im Raum, die bald geklärt werden.
Leitung Revision: Auch hier ging es darum zu klären, warum der frühere Vorstandssprecher Klaus Klar und dessen Unterstützer so wirken konnten, wie sie wirkten. Man kam offenbar zu keinem zukunftsfähigen Ergebnis, sondern zu dem offiziellen Satz: Der bisherige Leiter der Revision wolle „sich einer neuen beruflichen Herausforderung“ stellen. Außerhalb der Rheinbahn.
Leitung Risiko- und Fördermittelmanagement: Der verantwortliche Mitarbeiter war fast so lange bei der Rheinbahn wie der frühere Vorstandssprecher Klaus Klar, nämlich 44 Jahre. Er saß unter anderem als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Holding der Landeshauptstadt. Für den jetzigen Umbruch fand man bei ihm eine leichtere Lösung. Man zog den passiven Teil seiner Altersteilzeit vor. Auf sofort. In dem Zusammenhang habe ich während meiner Recherchen das Wort „Geschenk“ gehört.
Die Neuen
Andrea Rzany: Die Juristin arbeitet schon lange mit Stephan Keller zusammen. Sie war in dessen Verkehrsdezernat in Düsseldorf, ging mit ihm, als er Stadtdirektor in Köln wurde, und wurde nach seiner Wahl zum hiesigen Oberbürgermeister stellvertretende Büroleiterin und persönliche Referentin. Sie nun zur Rheinbahn ziehen zu lassen, ist die erwähnte zusätzliche positive Geste.
Andrea Rzany wird als „extrem korrekt“ beschrieben. Sie erscheint damit als jemand, die die Abteilung Recht sowie die nun endlich geschaffene Stelle für Compliance im Sinne des neuen Kurses führt.
Nadin Kirchner: Sie hat schon einmal mit und für Annette Grabbe gearbeitet. Beide waren zwischen 2021 und 2023 gemeinsam bei Westenergie. Es ist offensichtlich ein Vertrauensverhältnis entstanden, denn Transformationsexpertin Nadin Kirchner folgte Annette Grabbe zu Jahresbeginn zur Rheinbahn. Dort untermauert sie ihren guten Ruf seitdem eindrucksvoll: Um das Unternehmen genau zu verstehen, ist sie in diversen Schichten dabei gewesen und hat sich wirklich alle Ecken angeschaut. Daraus folgten viele konstruktive Vorschläge, was man besser machen kann.
Mit diesem Wissen konnte sie zudem passende neue Kommunikationsformate entwickeln. Schließlich kriegt man zum Beispiel die Mitarbeitenden des Fahrdienstes aus naheliegenden Gründen nie alle zugleich zusammen. Deshalb kommunizierte der Vorstand in möglichst großen Runden (Townhall Meetings), die zugleich aufgezeichnet wurden. So konnten alle Beschäftigten sie jederzeit anschauen und sich informieren.
Nadin Kirchner übernimmt nun kommissarisch die Unternehmensentwicklung und die Kommunikation.
Philipp Schuchall: Er wird zum 1. Oktober der neue Leiter der Revision. Er sei sehr flexibel, habe einen guten strategischen Blick und sei zukunftsgewandt, lautet das Vorschusslob. Die Rheinbahn-Spitze sagt nicht nur, was nicht mehr geht, sondern zeigt zugleich, wie die neue Philosophie umgesetzt wird. Philipp Schuchall erscheint als eines dieser Vorbilder.
Fazit
Ich habe im Zusammenhang mit dem personellen Umbruch bei der Rheinbahn einen schönen Satz gehört: „Ein anpassungsfähiges Organigramm ist ein Zeichen der Stärke.“ Das stimmt, muss deshalb aber noch lange nicht bei den Beschäftigten der Rheinbahn so ankommen. Für die bedeuten die Veränderungen Bruch mit Gewohntem und oft auch Angst.
Die Rheinbahn-Spitze hat deshalb ausführlich und mit relativ wenig nordkorea-tauglichen Formulierungen die Beschäftigten informiert. Die vielleicht wichtigste Botschaft: Die Abgänge sind kein Zeichen für Personalabbau, sondern für einen Aufbruch.
Weitere VierNull-Geschichten zur Rheinbahn
Rheinbahn: Wie es nach dem Umbruch weitergeht
Der vorerst letzte Machtkampf bei der Rheinbahn
Die Rheinbahn hat jetzt eine Chefin: Mobilität wird weiblich