Schadowstraße: Wie man Rad- und Fußverkehr trennen sollte
Am Ende wird man sich wieder fragen, warum ein offenkundiges Problem so lange bestehen blieb und eine naheliegende Lösung nicht ergriffen wurde. In dieser Hinsicht ähnelt die Schadowstraße der Unterführung am Gerresheimer Bahnhof. An letztgenannter Stelle hat die Stadt zwei Jahre lang Varianten geprüft, um schließlich die ursprünglich schon ins Auge gefasste Lösung zu wählen (hier nachzulesen).
An der Schadowstraße ist auch seit Jahren bekannt, dass der jetzige Zustand höchst unbefriedigend ist. Radfahrende und Fußgänger:innen kreuzen dort beständig die Wege der anderen. Die Frage, wie man die Situation verbessern kann, kommt im November wieder in die politischen Gremien und soll wie die Gerresheimer Frage noch 2024 abgeräumt werden.
Vorgeschichte
Um die möglichen Lösungen zu bewerten, muss man sich zunächst erinnern, was bisher geschah. Die Schadowstraße war ursprünglich eine Einkaufsstraße mit Gehwegen an den Seiten sowie Autos und Straßenbahnen in der Mitte. Dies änderte sich mit dem Bau der neuen U-Bahn und der beiden Teile des Kö-Bogens. Die Züge verschwanden unter der Erde, motorisierte Fahrzeuge gibt es dort nur noch im Lieferverkehr. Die Schadowstraße wurde in ihrer vollen Breite (rund 20 Meter) eine Zone für Fußgänger:innen und Radfahrende.
An dieser Stelle kommt eine Gruppe ins Spiel, die ich in einem anderen Text „Vereinigung der Hobby-Stadtplaner des Stadtrats“ genannt habe. Diese Gruppe bildet eine so genannte Kleine Kommission. Das sind politische Arbeitsgruppen, die komplexe Themen vertieft behandeln und Empfehlungen für die beschließenden Gremien aussprechen.
Die Kleine Kommission zum Kö-Bogen legte den Schwerpunkt darauf, dass ein möglichst einheitliches und nach ihrer Wahrnehmung hochwertiges Bild der Schadowstraße entsteht. Selbst große Piktogramme mit dem Radfahrsymbol störten ihr ästhetisches Wohlbefinden. Die Folge: Die Radstrecke war und ist kaum vom Rest der Straße zu unterscheiden. Erschwerend hinzu kommt, dass viele Fußgänger:innen auf ihr Smartphone gucken und wenig auf ihre Umgebung achten. Deshalb kommen sich die verschiedenen Verkehrsteilnehmer:innen regelmäßig in die Quere.
Beteiligte
Noch einmal verkompliziert wird die Lage dadurch, dass sich überdurchschnittlich viele Interessensvertreter:innen am Konflikt beteiligen:
- Der Verein Fuss setzt sich bundesweit für die Belange der Fußgänger:innen ein. Die Düsseldorfer Ortsgruppe ist stark geprägt von einem FDP-Politiker aus dem Düsseldorfer Norden, Ferry Weber. Er führt mit großer Beharrlichkeit einen Unfall zwischen einem Radfahrenden und einem Kind an, den es auf der Schadowstraße gegeben hat, und organisierte wiederholt Demos vor Ort. Innerparteilich wird dieses Engagement immer wieder lobend erwähnt und als ein Grund dafür angeführt, dass er wiederholt zum Vorsitzenden seines Ortsverbands gewählt wurde.
- Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat eine Düsseldorfer Gruppe. Diese war in früheren Jahren vor allem für eine ausgeprägte Freude an der Suche nach Haaren in der Suppe bekannt. Selbst Fortschritte für den Radverkehr wurden mit Liebe zum Detail kritisiert. Heute agieren die Protagonist:innen nach meiner Wahrnehmung besonnener und kompromissbereiter. An der Schadowstraße haben sie allerdings eine unumstößliche Position: Die Straße ist Teil des Radhauptnetzes und wird zwingend als Verbindungsachse gebraucht. Eine Verlegung der Route in andere Straßen kommt für den ADFC nicht in Frage.
- Im Stadtrat gibt es kein klares Bild. In den meisten Fraktionen findet man sowohl Befürworter:innen für den Radverkehr auf der Schadowstraße als auch dafür, diesen einzuschränken. Mit Blick auf die schwarz-grüne Ratsmehrheit ist nicht klar, ob die beiden Fraktionen einen Kompromiss suchen oder probieren, ihre jeweilige Position mit anderen Stimmen durchzubringen.
Problemursachen
Die Grundlage für die bald anstehende Entscheidung ist auf zwei Wegen zustande gekommen. Die Stadt hat einen Gutachter beauftragt. Nach meinen Informationen liegt dessen Bericht inzwischen im Rathaus vor, Anfang November waren die Inhalte allerdings noch nicht öffentlich bekannt.
Für eine solche Studie war zunächst die Technische Universität Dortmund angefragt worden. Diese hatte keine Kapazitäten, fragte aber, ob Studierende die Konflikte auf der Schadowstraße in einem Projekt untersuchen dürften. Die angehenden Raumplaner:innen beobachteten die Situation vor Ort und führten zahlreiche Interviews mit Expert:innen und Betroffenen in Düsseldorf. Aus ihrer Studie habe ich zwei wesentliche Ursachen für die Probleme auf der Schadowstraße entnommen:
- Die Schadowstraße wird irrtümlich als Fußgängerzone wahrgenommen und der Streifen in der Mitte nicht intuitiv erkannt. Man sollte also bei der Gestaltung ansetzen.
- Die Schadowstraße ist am Kö-Bogen schlecht beschildert, die dort geltenden Regeln sind kaum zu erkennen. Unabhängig von den sonstigen Lösungen müssen mehr Schilder aufgestellt und anders positioniert werden.
Lösungen
Auf der Basis all dessen erscheinen aus meiner Sicht die folgenden Schritte denkbar:
Farbe Es gibt in Düsseldorf inzwischen an vielen Stellen sehr rote Radwege. Die haben offensichtlich eine Wirkung auf andere Verkehrsteilnehmer:innen. Selbst bei intensiven Smartphone-Freunden bestünde die Hoffnung, dass sie diese bemerken.
Den Anhängern des ruhigen Straßenbildes ist diese farbige Variante natürlich ein Schmerz im Auge. Sie haben dabei ein gutes Argument auf ihrer Seite: Der Mittelstreifen der Schadowstraße ist nicht als Radweg definiert, sondern als Fahrbahn. Diese kann nicht rot markiert werden. Ich bezweifle, dass in der komplizierten politischen Lage ausgerechnet eine Umwidmung der Straße mit all ihren Voraussetzungen und Konsequenzen die mehrheitsfähige Lösung bildet.
Zeitfenster Das ist ein Vorschlag, den insbesondere die Händler:innen an der Schadowstraße mögen. Danach wäre Radfahren ausschließlich in Zeiten möglich, in denen nicht so viele Fußgänger:innen unterwegs sind, also zum Beispiel montags bis freitags morgens und vormittags sowie nach 20 Uhr.
Dieser Vorschlag ist mit zwei Schwierigkeiten verbunden. Er ist schwer kontrollierbar, so dass die Konflikte wahrscheinlich bestehen blieben. Und er bedeutet für diejenigen, denen das Radhauptnetz besonders wichtig ist, eine zu große Einschränkung.
Grün-Grenzen Wenn man die Radstrecke nicht mit roter Farbe deutlich machen kann, dann ist dies aber mit klar erkennbaren grünen Grenzen möglich. Man könnte dort am rechten und linken Rand Rasenstreifen schaffen oder mobile Pflanzkübel positionieren. Dann wäre die Radstrecke ab dem Kö-Bogen sofort erkennbar, gleichermaßen für Menschen mit Seheinschränkungen wie für Smartphone-Nutzer:innen. Radfahrende und der Lieferverkehr hätten weiterhin ihre Strecke, sie bräuchten nur gelegentliche Lücken, um dorthin beziehungsweise von dort wegzukommen. Und während des Weihnachtsmarkts kann man die Kübel leicht beiseiteräumen.
Letztlich würde man in den Grundzügen der Straße einen ähnlichen Zustand wie vor dem Umbau herstellen, als noch Autos und Bahnen in der Mitte rollten. Das ist auch für die Händler:innen ein wichtiger Hinweis. Als die Fußgänger:innen früher links oder rechts liefen, wechselten sie die Seite, um ihre Ziele zu erreichen, und die Schadowstraße war eine der am besten besuchten Einkaufsadressen der Stadt. Starke Umsatzeinbrüche durch ein klar begrenzte Mitte erscheinen daher unwahrscheinlich.
Nebenstraßen Es gibt auch Beobachter:innen, die den Versuch als gescheitert ansehen, auf der Schadowstraße Radfahren zu ermöglichen. Sie plädieren dafür, die Routen auf parallele Achsen zu verlegen. In Betracht kommen zum Beispiel die Kloster- und die Liesegangstraße, um zwischen Berliner Allee und Wehrhahn zu fahren.
Aus meiner Sicht besitzt dieser Vorschlag größere Herausforderungen. Die genannten Seitenstraßen sind heute stark von Autos und Parkplätzen geprägt. Man müsste sie deutlich zugunsten der Radfahrenden umbauen, was mir in den derzeitigen Debatten nicht mehrheitsfähig erscheint. Selbst wenn dies gelänge, wäre die Folge ein Zickzack-Kurs, der Radfahren in der Innenstadt nicht attraktiver macht.
Fazit
Die Debatte um einen autofreien Corneliusplatz (hier nachzulesen) hat gezeigt, wie kompliziert es in Düsseldorf sein kann, in Verkehrsfragen Mehrheiten zu finden. Es ist gut möglich, dass CDU und Grüne erneut unterschiedlich abstimmen. Nach meiner Einschätzung könnte dies zur selben Mehrheit wie beim Corneliusplatz führen. Das würde für ein radfreundliche Variante sprechen, wahrscheinlich ein Testlauf mit einer klaren Abgrenzung.
Immerhin ein Umstand erleichtert die Debatte: Es sind keine Parkplätze betroffen.