Wie Düsseldorfer:innen zurück auf die Straße kommen

Ich bin letztens mal wieder durch die Straße in Heerdt gefahren, an der ich aufgewachsen bin. Früher waren dort eigentlich immer Parkbuchten frei, niemand musste am Bordsteinrand parken. Wir haben damals auf der Fläche vor dem Gemeindezentrum gespielt, wenn ein Ball Richtung Straße flog, musste man mal kurz rechts und links gucken, ob gerade jetzt ein Auto kommt. Das war in aller Regel nicht der Fall und der Ball schnell wieder im Spiel. Heute stehen an dieser Straße auf beiden Seiten am Bordstein Autos von vorne bis hinten. Man kommt kaum durch, Ballspielen kann man vergessen. Der dänische Architekt Jan Gehl hat dazu einen wichtigen Gedanken entwickelt. Er spricht vom &bdquo;Leben zwischen den Häusern“. Wir reservieren heute einen Großteil des öffentlichen Raums für Autos, allerdings nicht für fahrende, sondern für stehende. Mehr und mehr Bürger:innen wird bewusst, dass so &bdquo;Leben zwischen den Häusern“ nicht möglich ist, aber genau dort möglich sein könnte. Es gibt erste Ansätze, diese Erkenntnis in Düsseldorf in Veränderungen umzusetzen, die ich hier gleich vorstellen möchte. Da kleine Veränderungen aber leichter mit großen Vorbildern gelingen, beschreibe ich zunächst zwei Konzepte aus anderen Städten. Barcelona und die Super-InselnDie katalanische Stadt besteht aus vielen quadratischen Wohnblocks und Straßenzügen, das erleichtert die Idee der Super-Inseln. Sie geht so: Man nimmt neun dieser Blöcke, klügelt ein System aus, wie der Durchgangsverkehr außerhalb dieser neun Blöcke bleibt und lässt nur noch Fahrzeuge von Anlieger:innen, Krankenwagen und Lieferverkehr zu. Die Super-Insel wird auto-arm. Zugleich entsteht Raum, den die Bewohner:innen nutzen können: für Pflanzen, für Spielflächen, für Bänke und Tische. Bisher gibt es fünf solcher Super-Inseln in Barcelona, die Befürworter der Idee berichten, dass die Zahl lokaler Geschäfte merklich steigt und der Austausch von Nachbarn viel intensiver geworden ist. Unsere Kolleg:innen von &bdquo;Perspective Daily“ haben ein sehr lesenswertes Stück über Barcelona geschrieben, das hier zu finden ist. Berlin und die Kiez-BlocksIn der Hauptstadt setzt sich der Verein Changing Cities dafür ein, Viertel ohne motorisierten Durchgangsverkehr und so lebenswertere Kieze zu schaffen. Zwei pro Jahr sollen es mindestens sein. Auch dort sollen deutlich weniger Fahrzeuge durch die Wohnquartiere rollen (und wenn dann langsamer), auch dort soll so mehr Raum für Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und Ideen der Nachbarschaft entstehen. Auf der Homepage des Vereins findet man 58 Initiativen, die mindestens angefangen haben, die Idee eines Kiez-Blocks umzusetzen. Eine der wichtigen Erkenntnisse dabei: Es kommt auf die Anwohner:innen an. Nur wenn sie eine Veränderung in ihrem Viertel wollen und sich dafür engagieren, diese zu verwirklichen, kann daraus etwas werden. Von der Stadtverwaltung geschaffene Bereiche, die dann keiner nutzt, wären nicht mehr als Pop-up-Vorzeigeobjekte. Zwei Ansätze in Düsseldorf Temporäre SpielstraßenDiese Idee hat sich im ersten Corona-Sommer entwickelt – zunächst auch in Berlin. Nachbarschaften und verkehrspolitische Initiativen kümmerten sich damals darum, dass feste Bereiche regelmäßig für Autos gesperrt und anders genutzt wurden: um Tische aufzustellen und gemeinsam zu essen, Theater oder Musik auf der Straße zu spielen, um Kinder unbesorgt mit Drei-, Lauf- oder Erstrad auf die Fahrbahn zu lassen. Dabei zeigte sich, dass man über die Vorzüge verkehrsberuhigter Bereiche sehr lange reden kann, am Ende aber entscheidend ist, dass die Anwohner:innen einmal tatsächlich erleben, wie dieses andere Leben zwischen den Häusern ist. Das spricht sich rum und bei jedem nächsten Mal kommen mehr Menschen auf die Straße. In Düsseldorf hat die Politik im selben Sommer beschlossen, dass die Verwaltung die Einrichtung von temporären Spielstraßen kurzfristig ermöglichen soll. Die Bezirksverwaltungsstellen sollten die Anwohner über die Möglichkeiten informieren, die Verantwortung für die Umsetzung dann in der Hand privater Initiativen liegen. Damals gab es unter anderem an der Pfalzstraße in Derendorf und an der Karolingerstraße in Bilk temporäre Spielstraßen. Das Ganze erforderte keinen großen finanziellen Aufwand, im Zweifel reichen Kreide, ein paar Sitzmöbel und eine Schüssel Kartoffelsalat. Die Stadt hat inzwischen auf ihrer Internetseite eine Möglichkeit eingerichtet, Straßen für spielende Kinder und Familien für einen begrenzten Zeitraum sperren zu lassen. Wer dies beantragen möchte, muss sechs Wochen vor der Sperrung unter anderem einen Plan mit den Orten für die Absperrungen und ein Infoschreiben für die Nachbarn vorlegen. Das Verkehrsamt braucht nach eigenen Angaben zwei Wochen, um einen Antrag zu bearbeiten. Die Details sind hier zu finden. Im Verkehrsausschuss hat zuletzt Dietmar Wolf, Bürgermeister des Stadtbezirks 3 (südliche Innenstadt), berichtet, dass es Interesse aus der Nachbarschaft der Uniklinik gibt, eine temporäre Spielstraße einzurichten. NachbarschaftszonenDer Verkehrsausschuss hat auch die Steigerung der temporären Spielstraße auf den Weg gebracht: die Nachbarschaftszonen. Sie erkennt man unter anderem hieran: Elemente, die die Fahrbahn am Anfang der Zone schmaler machen, zum Beispiel Bauminseln oder Hochbeete. weiße Querstreifen auf dem Boden am Beginn der Nachbarschaftszone. Sitzbänke und Fahrradständer auf ehemaligen Parkplätzen, also auch weniger Parkmöglichkeiten. In solchen Zonen sollen Autos langsamer fahren, die Sicherheit steigen und das Leben an der Straße angenehmer werden. Die Straßenverkehrsordnung schreibt vor, dass verkehrsberuhigte Bereiche nur in Straßen entstehen sollen, in denen ohnehin wenig Verkehr herrscht und die vor allem dem Aufenthalt dienen. Folglich sollen die Nachbarschaftszonen in Düsseldorf in verkehrsarmen Wohnquartieren (nicht mehr als 1500 Fahrzeuge pro Tag) sowie vor schutzwürdigen Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen entstehen. Im Beschluss des Verkehrsausschusses steht, wo aufgrund von Rückmeldungen aus der Bürgerschaft die ersten Düsseldorfer Nachbarschaftszonen sichtbar werden könnten: auf der Antoniusstraße in Friedrichstadt und auf der Theodor-Litt-Straße in Urdenbach vor dem örtlichen Gymnasium. Leichter entstehen Nachbarschaftszonen in Neubaugebieten, wenn man bereits in den Plänen berücksichtigt, wo der Verkehr entlang rollt und wo autofreie Bereiche möglich sind. FazitEs tut sich etwas in Düsseldorf, das in Richtung der Vorbilder Barcelona und Berlin geht. Das Tempo ist noch gemächlich und entscheidend ist das Bewusstsein. Ich habe Anfang Mai eine temporäre Spielstraße in Bilk besucht, gesehen, wie dort gegessen, gespielt, geredet wurde – und verstanden, dass es durchaus wieder so wie früher werden könnte.

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