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Nun gibt es an der Kö keine Journalisten mehr

Düsseldorfs Einkaufsmeile war über viele Jahrzehnte die Adresse von großen Redaktionen. Vor allem im Girardethaus saßen zahlreiche Redakteure. Das ist nun vorbei – die letzten vier ziehen aus.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 4. Dezember 2023
Girardet-Haus Kšnigsallee
Im Hintergrund ist hier das Girardethaus an der Königsallee zu sehen, fotografiert von der gleichnamigen Brücke aus.

Es war ein Sterben auf Raten, von den meisten unbemerkt. Dabei betrifft es alle. Es geht um Journalismus in Düsseldorf. Der war in den Anfängen des vorigen Jahrhunderts, vor allem aber in den Jahrzehnten nach dem Krieg im Herzen der Stadt konzentriert: an der Königsallee. Damit ist jetzt Schluss: Die letzten vier Redakteure des Boulevardblatts Express haben das Girardethaus an der Kö 27 verlassen und ziehen in viel kleinere Räume im Medienhafen. Schick zwar, aber weitab vom Puls der Stadt. Denn der schlägt immer noch zwischen Hofgarten, Hauptbahnhof, Graf-Adolf-Straße und Rheinufer. In der Innenstadt also.

Düsseldorf war bis vor wenigen Jahren ein bundesweit seltenes Beispiel für Medienvielfalt. Es gab allein fünf komplette Redaktionen: Bild, Express, Neue-Rhein-Zeitung, Rheinische Post und Westdeutsche Zeitung. Die Aufzählung ist bewusst alphabetisch, also keine Wertung. Diese Blätter waren höchst unterschiedlich und zu ihren Glanzzeiten bis Mitte der 2000er Jahre jeweils Schwergewichte – entweder quantitativ oder qualitativ, im Idealfall beides. Außerdem hatte die überregionale Wirtschaftszeitung Handelsblatt ihren Sitz an der Kasernenstraße. Das Wirtschaftsblatt ist inzwischen an die Toulouser Allee umgezogen.

Hinzu kamen das Lokalradio Antenne Düsseldorf, der WDR sendete aus dem Hafen seine Lokalzeit, RTL war zeitweise vertreten, und es gab eine Reihe von Anzeigenblättern unterschiedlicher Qualität. Ein Versuch der Süddeutschen, in Düsseldorf einen NRW-Teil zu machen, scheiterte nach wenigen Jahren, ebenso die Welt kompakt.

Dann begann der stille Niedergang. Weil ein riesiger Teil des Anzeigengeschäfts ins Internet abwanderte, diese Entwicklung von den meisten Verlagen viel zu spät erkannt und ohne griffige Konzepte beantwortet worden war, hielten es die Unternehmen für ein probates Mittel gegen den wirtschaftlichen Rückgang am Produkt zu sparen. Ausgaben wurden zusammengelegt, Redaktionen verkleinert. Geholfen hat es nicht. Im Gegenteil: Nicht zuletzt wegen in jüngster Zeit explodierender Papierpreise musste man die Abo- und Verkaufspreise immer wieder erhöhen. Was bei sinkender Nachfrage keine gute Idee ist.

In Düsseldorf zeigt sich der Niedergang an der Königsallee. Dort, auf der Bankenseite, waren neben den Banken stets Medienhäuser präsent. Mit großem Selbstbewusstsein zeigten sie ihre Anwesenheit. Vor allem im Girardethaus an der Ecke Kö/Trinkausstraße. Das Haus wurde 1908 gebaut und ist – wie die Brücke über den Stadtgraben gegenüber – benannt nach der Familie Girardet. Wilhelm Girardet gründete den Verlag 1865, zuletzt war dieser über verschiedene Verzweigungen an anderen Firmen beteiligt. Oder zumindest gab es, nach außen schwer durchschaubar, eine Reihe von Querverbindungen, unter anderem zur Rheinischen Post. Im Gebäude selbst saßen über Jahrzehnte zwei Redaktionen: die Westdeutsche Zeitung (WZ) und der Express.

Die WZ in der zuletzt bekannten Optik entstand Anfang der 1970er Jahre. Vorher war das Blatt unter dem Titel „Düsseldorfer Nachrichten“ in der Landeshauptstadt populär und viel gelesen. Also behielt man diese Bezeichnung im Untertitel bei. Langjährige Leser waren dennoch irritiert über die Veränderung. Die Zeitung unterhielt an der Kö eine komplette Redaktion mit den üblichen Abteilungen für Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Vor allem aber mit einem täglich erscheinenden Lokalteil für Düsseldorf. Allerdings hatte die WZ ihre meisten Leser in Krefeld und Wuppertal.  

Aber die Landeshauptstadt war aus Imagegründen eine wichtige Adresse. Im Erdgeschoss ging man in den 1980er Jahren sogar daran, die Arbeit der Redaktion nach außen zu tragen. NT (Nachrichten-Treff) hieß das im Stil dieser Zeit designte Bistro. Darin wollte man den Eindruck erwecken, ganz nah am Zeitgeschehen zu sein. Über Bildschirme an den Wänden liefen Nachrichten, leuchtende Schriftbänder simulierten die Optik einlaufender Nachrichten, Dutzende von Zeitungen und Magazinen standen zur Verfügung. Tatsächlich war es über die Jahre schick, dort zu sitzen, zu essen, die News zu verfolgen. Stockheim war der Gastronom des Betriebs. Aber irgendwann hatte sich der plüschige Charme überlebt, das Lokal verschwand. Heute verkauft Hermes dort seine Luxusartikel.

Passend dazu schrumpfte die Redaktion – bis sie im Jahr 2020 mit der Schließung der Lokalredaktion Düsseldorf völlig verschwand. Einige Redakteure zogen nach Krefeld, den Düsseldorfer Lokalteil erstellt eine RP-Abteilung in Neuss und verwendet dafür ausschließlich Texte der Rheinischen Post. Eine Entscheidung, die journalistisch gesehen ein Unding ist und nicht funktionieren kann. Vielleicht auch gar nicht sollte.

Mit diesem Prozess einher ging der Weg in die Bedeutungslosigkeit, denn dadurch verlor die Zeitung ihr eigenes Profil und wurde zur Kopie der Rheinischen Post, die selbst nie an der Königsallee, sondern ein paar hundert Meter entfernt stets an der Blumenstraße saß.

Im Girardethaus blieb noch die Redaktion des Express. Dieses Boulevardblatt gehört in Teilen zum Kölner Dumont-Verlag, der unter anderem den Kölner Stadt-Anzeiger herausgibt. In Düsseldorf kooperierte der Express mit der WZ zum Beispiel bei den Anzeigen. Bis vorige Woche arbeiteten an der Adresse auch noch vier Redakteure in inzwischen weitgehend leeren Räumen.

Der stärkste und anfangs übermächtige Konkurrent des Express war über die gesamte Zeit die Bild-Zeitung. Deutschlands immer noch größtes Boulevardblatt hatte einst in Düsseldorf eine komplette Lokalredaktion mit mehreren Redakteuren und produzierte tägliche mehrere Seiten für die Landeshauptstadt. Aber auch Bild-Eigner Springer strich Stellen und Seitenzahl zusammen. Die feine Adresse Königsallee 1 – über dem Kaufhof an der Kö – wurde anfangs mit einer spektakulären Party eröffnet, später aber still und diskret geschlossen.

Heute sitzt die Redaktion in Essen und betreut von dort Teile des Reviers und des Niederrheins. Düsseldorfer Themen sind rar geworden. Dafür erscheinen manchmal Berichte über Köln in der Ausgabe, die auf dem Titel immer noch mit dem Städtenamen „Düsseldorf“ den Eindruck erweckt, eine echte Ausgabe der Landeshauptstadt zu präsentieren. Tatsächlich gibt es die nicht mehr.

Mit dem Auszug der letzten Express-Redakteure aus dem Girardethaus findet diese über Jahre dauernde Entwicklung nun ihr Ende. Zurück bleibt einzig Familienpatriarch Michael Girardet (91). Der Enkel des Gründers Wilhelm Girardet lebt manchmal im Penthouse des Gebäudekomplexes an der Kö.

Girardethaus Königsallee
Die Düsseldorfer Nachrichten, wie die Westdeutsche Zeitung früher hieß, gibt es seit Anfang der 1970er Jahre nicht mehr.

Girardethaus Königsallee
Das Haus an der Königsallee gehört dem Girardet-Verlag.

Girardethaus Königsallee
Es ist nach Entwürfen von Hermann vom Endt im Jahr 1909 fertig gestellt worden. Ab den 1980er Jahren befand sich hier das Café und Restaurant N.T., Nachrichten-Treff. Heute befindet sich in den Räumen eine Boutique von Hermès.

Girardethaus Königsallee
Seit Jahrzehnten ein gewohntes Bild: Die Schaukästen mit den Zeitungsseiten der WZ und des Express.

Girardethaus Königsallee
Nun ist die letzte Redaktion dort ausgezogen.


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