Digitale Detektivin
An diesem tatsächlich so vorgekommenen Fall kann man erklären, um was es geht: Bei einer Firma war versehentlich ein hoher sechsstelliger Betrag zweimal an einen Lieferanten überwiesen worden. In der eigenen Buchführung, in der täglich viele Transaktionen ablaufen, fiel das nicht auf. Der Empfänger des Geldsegens jedoch war ein ehrlicher Mensch, meldete sich und überwies das Geld zurück.
Nun würde der Laie sagen, Glück gehabt, alles gut, Haken dran. Aber das Gegenteil ist richtig: Bei der Firma, die doppelt gezahlt hatte, schrillten alle Alarmglocken in der Chefetage. Denn wenn einmal so etwas möglich ist, kann das öfter vorkommen. Oder ist bereits mehrfach vorgekommen.
Genau an diesem Punkt setzt das Knowhow des Unternehmens Revidata aus Düsseldorf an. Diese Spezialisten haben Programme entwickelt, mit denen sie Durchblick bringen in das dichte Gestrüpp von internen Buchungsvorgängen. Ein Computerprogramm läuft mit, sozusagen im Hintergrund, und checkt sämtliche Bewegungen auf allen Konten. Gibt es ungewöhnliche Vorgänge – wie zum Beispiel Doppelbuchungen mit identischen Summen – oder andere von der Norm abweichende Muster, werden diese angezeigt. Das Programm legt sozusagen den Finger auf den wunden Punkt, damit man weiß, wo man genauer hinsehen sollte. Anders gesagt: Die Software sucht und findet die Nadel im Heuhaufen. Wozu ein Mensch (Buchhalter, Revisor, Wirtschaftsprüfer) trotz aller Kenntnisse niemals in der Lage wäre.
Wenn der Unternehmensgründer Erwin Jordan und die seit 2004 alleinige geschäftsführende Gesellschafterin Brigitte Jordan aus ihrer Berufserfahrung berichten, ist das Spannung pur. Der Laie staunt, welche Fehler geschehen. Und wundert sich, mit welchen Tricks betrogen, verschleiert oder Geld beiseite geschafft wird. Heutzutage hinterlassen alle Aktionen jedoch stets Spuren der digitalen Art. Vorgänge zu nicht üblichen Uhrzeiten oder Tagen, Namensgleichheiten, plötzlich neu auftauchende Konten – alles platziert ein Signal. Und solche Fußabdrücke werden dann unter die Lupe genommen.
Details zur Kundschaft werden nicht genannt, aber Revidatas Referenzliste ist beeindruckend und lässt die Bedeutung des Themas ahnen. Große und bekannte Namen stehen dort, unter anderem arbeitet man sogar fürs Finanzamt. Auftraggeber sind oft Wirtschaftsprüfer, die sicher gehen wollen, ein korrektes Testat abzugeben und nicht über die digitale Kompetenz für diese tief gehenden Prüfungen verfügen. Man geht dabei übrigens nicht grundsätzlich von kriminellen Machenschaften aus. Häufig sind es menschliche Fehler im komplizierten Ablauf der Finanzen, die für Probleme sorgen.
Zu konkreten Fällen wie dem Wirecard-Skandal haben die Fachleute eine klare Einschätzung: Einen derartigen Betrug mit solchen Summen hätte es bei einer vorschriftsgerechten Prüfung niemals gegeben. Auch bei der Adler-Immobiliengruppe, die wegen eines verweigerten Testats durch die KMPG-Wirtschaftsprüfer neuerdings in den Schlagzeilen ist, sähen sie eine klare Aufklärungsstrategie, die generell unter dem Titel „Fraud-Analyse“ läuft (Fraud: englisch für Betrug). Der Vorwurf gegen Adler, Grundstücke seien zu hoch bewertet worden, sei wie folgt zu checken: Man überprüft die gebuchten Werte von Grundstücken oder Immobilien mit örtlich bekannten statistischen Vergleichswerten. Außerdem seien Verrechnungskonten der mit dem Betroffenen verbundenen Unternehmen im Hinblick auf auffällige finanzielle Verschiebungen/Transaktionen zu untersuchen. Hinzu würden Geldbewegungen im Hinblick auf finanzielle Entnahmen von Mitarbeitern über die Personalkonten, Namen, Adressen analysiert. Am Ende steht die Darstellung aller relevanten Daten, mit denen man erkennen kann, ob und was nicht korrekt gelaufen ist.
Hätte die Düsseldorfer Metro in den frühen 1980er Jahre über dieses Werkzeug verfügt, wäre es nicht zu einem spektakulären Coup zu ihren Lasten gekommen. Er ging als Metro-Betrug in die Kriminalgeschichte ein. Ich schildere ihn in der dritten Folge unseres Podcasts „Kohle, Knast und Kaviar“, die auf allen gängigen Plattformen zu finden ist. Die beiden Täter – der Metro-Finanzdisponent Günter Maximilian Schotte-Natscheff und sein Partner Manfred Vowinkel – erleichterten den Konzern seinerzeit um 36 Millionen D-Mark.
Wie das gelang und wie man mit so viel Geld nach Südamerika flieht, gibt es in der Folge „Money, Manni und die Metro“ hier zu hören.