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IHK Nordrhein-Westfalen: Kölner Kammer im Streit mit allen anderen

Eigentlich sollen die 16 Industrie- und Handelskammern des Landes gemeinsam die Interessen der Wirtschaft vertreten. Aber das können sie derzeit nicht, weil ein Streit tobt – ausgelöst in der Domstadt von der dortigen Präsidentin Nicole Grünewald. Düsseldorf ist auch betroffen.
Veröffentlicht am 24. November 2023
Nicole Gruenewald, Stephan Keller bei der MediaNight CHIO Aachen 2019
Nicole Grünewald mit Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller. die beiden kennen sich aus gemeinsamen Kölner Jahren. Ihr Verhältnis gilt als gut. Foto: Nicole Gruenewald, Stephan Keller bei der MediaNight CHIO Aachen 2019 © Lambertz AG Agency Baganz / Imago Images

Was da gerade in den Kulissen der Industrie- und Handelskammern (IHK) in NRW abgeht, hat etwas von einer karnevalstauglichen Schmonzette: Hier 15 geeinte Interessenvertretungen der Wirtschaft, dort ein Quertreiber, der allen anderen mit seinen Kapriolen die Nerven schmirgelt. 16 Kammern gibt es im Bundesland, Köln ist die größte, gefolgt von Düsseldorf. Und in Köln liegt derzeit das Zentrum des Streits, bei dem es für Außenstehende kaum ersichtlich ist, um was es wirklich geht.

Treiberin ist auf jeden Fall Nicole Grünewald. Seit 2020 ist die Unternehmerin im Ehrenamt Präsidentin der Kölner Kammer. Schon das halten einige für dubios, weil sie es angeblich unter geschickter Ausnutzung eher kleinerer IHK-Mitglieder und persönlicher Kontakte schaffte, eine knappe Mehrheit zu organisieren. Das war seinerzeit in Köln eine Sensation, denn die Spitze dieser Körperschaft war stets männlich besetzt und bildete über Jahrzehnte das Machtzentrum rund um den Dom: Gemeinsam mit dem Verleger des Kölner Stadt-Anzeigers, der Bank Sal. Oppenheim, der Spitze des Karnevals (kein Witz) sowie einigen alteingesessenen Kölner Familien (unter anderem Adenauer und Bauwens) wurde entschieden, was, wie, mit wem und wo ging. Dass dort nun eine Frau auftauchte, erschütterte ein als felsenfest eingeschätztes Machtgefüge.

Nicole Grünewald begann umgehend, ihre Position zu sichern. Den übernommenen Hauptgeschäftsführer drängte sie aus dem Amt und installierte 2021 einen Mann ihres Vertrauens, der – nomen es omen – Uwe Vetterlein heißt. Bis dahin nahmen die anderen Kammern das alles interessiert-amüsiert zur Kenntnis: ein bisschen Kölner Folklore vielleicht, nicht unüblich in der Stadt des Klüngels und des allzeit präsenten Alaafs. Dann aber brach Grünewald aus der Phalanx der Gemeinsamkeit aus. Sie machte keinen Hehl daraus, was sie von den anderen, bis auf zwei Ausnahmen mit alten weißen Männern besetzen Präsidentenstühlen hält – nämlich nichts. Sie plädierte für neue Wege.

Vor allem aber lehnte Grünewald es im Mai ab, den Reviervertrag 2.0 mit der Landesregierung zu unterzeichnen. Darin steht, wie man den Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier bis 2030 regeln will. Es geht um die Energieversorgung. Das Papier entstand zwar unter Beteiligung der Kölner, aber nun sah man dort die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit den gesamten Standort in ernsthafter Gefahr, wie es in einer Stellungnahme der IHK heißt. Also verweigerte man die Zustimmung.

Pikant dabei: Grünewald ist (oder war, das ist nicht ganz klar) Vize-Präsidentin des IHK-Landesverbands. Weil sie aber über Kreuz mit allen anderen ist, legte man ihr nahe, das Amt niederzulegen. Was dann folgte, ist ebenfalls höchst kurios: Die einen behaupten, Grünewald habe vorgeschlagen, das Amt zu behalten, aber an Sitzungen nicht mehr teilzunehmen. Andererseits hieß es dann, sie habe gemeinsam mit ihrem Geschäftsführer Vetterlein entschieden, dass die Kölner gleich ganz aus dem Verband austreten. „Ein bundesweit einmaliger Streit“, sagte ein Fachmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Das sehen auch die anderen Kammerführungen so. Zwei Präsidentinnen fuhren nach Köln und versuchten, Grünewald wieder auf Linie zu bringen – vergebens. Intern sagt man, selbst über Jahre gepflegte Kooperationen würden unterbunden und Mitarbeitern nahegelegt, für Kollegen aus anderen Bezirken nicht mehr erreichbar zu sein.

Insgesamt ist man nur noch genervt von der 50-Jährigen, der man nun unterstellt, nicht an den eigentlichen Zielen der Kammer – Vertretung der Wirtschaft gegenüber der Politik – interessiert zu sein, sondern nur an der eigenen Karriere und der persönlichen Außenwirkung dieser in Köln so mächtigen Position. Manche unterstellen ihr sogar, in Köln eine politische Karriere anzustreben, und zwar das Amt der Oberbürgermeisterin. Offene Kritik ist allerdings bisher unterblieben, man streitet – wie eine große Familie – lautstark, aber unter sich.

Der Präsident der Düsseldorf IHK, Andreas Schmitz, lehnte daher auch jeden Kommentar zu dem Thema ab. Aber aus dem Umfeld der hiesigen Kammer hört man, dass Schmitz fassungslos ist und „keinen Bock auf solche Spielchen“ habe.

Das Ganze hat indes einen ernsthaften Hintergrund. Die Kammern sind derzeit eh in einer schwierigen Lage und hängen von einem klaren, geeinten Auftritt ab, um durchzusetzen, was für sie und ihre (Zwangs-)Mitglieder wichtig ist. Kooperieren sie nicht, bröckelt diese Front. Das mindert die Schlagkraft und richtet verheerenden Imageschaden an.

Das sehen offenbar auch große Kölner Unternehmen so und haben sich aus Gremien der dortigen Kammer zurückgezogen. Ob sie ihren Einfluss geltend machen und 2024, wenn Grünewald sich zur Wahl stellen muss, einen Gegenkandidaten ins Rennen schicken und stärken, wird von außen gehofft. Einfluss will und kann niemand nehmen: „Das müssen die Kölner selbst lösen“, sagt ein Düsseldorfer Kenner der Szene.

Sollte sich nun ein Geschichtskenner an die Schlacht von Worringen 1288 erinnert fühlen, so gibt es da kurioserweise tatsächlich Parallelen. Damals gab es den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg, der nicht nur zahlreiche Mächtige aus dem Umland gegen sich aufbrachte, sondern auch Teile des damals mächtigen Kölner Bürgertums. Die Entscheidungsschlacht bei Worringen verlor er. Düsseldorf bekam die Stadtrechte, wuchs, erblühte und wurde zur Konkurrenz des bis dato übermächtigen Kölns.

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