Im Reifenhotel ruhen die Räder

Was machen eigentlich unsere Sommerreifen im Winter? Und die Winterreifen im Sommer? Klare Antwort – nichts! Sie stehen rum. Zu viert. Aber wo tun sie das? Jedenfalls nicht in einem Schuppen hinter der Werkstatt oder im Keller unterm Verkaufsraum der Autohändler. Die weitaus meisten Räder werden eingelagert. So nennt das die Werkstatt, die im Frühjahr und im Herbst die Pneus wechselt und den Kunden stets fragt: &bdquo;Sollen wir die Räder Ihres Wagens einlagern?“ Und weil die weitaus meisten mangels ausreichend Platz daheim in Garage oder Keller diese Frage mit Ja beantworten, braucht es Raum – viel Raum. Den bietet das Reifenhotel. So nennt die Firma &bdquo;4Wheels“ ihre riesigen Lagerhallen wirklich, die sie in ganz Deutschland betreibt. Das Düsseldorfer Unternehmen, Hauptsitz ist eine Adresse im Medienhafen, hat über 70 Standorte, in der NRW-Landeshauptstadt gibt es zwei: einen in Benrath, und einen an der Stadtgrenze Ratingens. Um zu erkennen, welche logistische und technische Leistung sich hinter dem vermeintlich simplen &bdquo;Einlagern“ verbirgt, muss man sich eines dieser Lager ansehen. Und mit den beiden Geschäftsführern Christian Mörtl und Oliver Bussick sprechen. Eins vorab: Beide erzählen begeistert von dem Job, sich um ihre Gäste zu kümmern – eben diese Dinger, die für die meisten von uns kaum von Interesse und eben rund und schwarz sind. Das stimmt natürlich auch, aber ihre Bedeutung für jeden Autofahrer ist elementar, sozusagen überlebenswichtig. Denn auf der wenigen Quadratzentimeter großen Fläche, mit denen der Reifen die Straße berührt, ruht das gesamte Gewicht des Fahrzeugs, auf ihnen wird die Kraft auf die Straße gebracht, und sie sind auch bei 200 km/h die einzige Verbindung zum festen Untergrund. Um das zu garantieren, wird den Gästen des Reifenhotels ein Rund-um-Paket angeboten – in Beherbergungsbetrieben mit menschlichen Gästen würde man von einem All-inclusive-Angebot sprechen. Die Reifen werden also immer sorgfältig unter die Lupe genommen. Empfindliche Messgeräte prüfen die Profiltiefe, Laserstrahlen messen und regulieren die Wucht (das ist der perfekte Rundlauf, bei hohem Tempo enorm wichtig), in einem Wasserbad mit Ultraschall werden Gummi und Metall der Felge gründlich, aber schonend gereinigt. Entdecken die Mitarbeiter Schäden oder abgefahrenes Profil, wird das mahnend angemerkt, schief abgenutztes Gummi weist auf Probleme bei der Technik des Autos hin. Spätestens beim Einchecken wird sowas entdeckt und dann im Prüfprotokoll vermerkt. Wie übrigens auch das Einlagern selbst. Im Reifenhotel ruhen über 13 000 Radsätze – also insgesamt mehr als 50 000 einzelne Räder. Das ist eine Menge Gummi. Die kann man nicht einfach irgendwo ablegen und einen Post-it draufkleben, von wem die sind. Im Augenblick, in dem der Reifen vom Fahrzeug genommen wird (der Fachmann nennt das &bdquo;Runterfallen“), muss er präzise und sicher gekennzeichnet sein. Denn sonst ist die Gefahr von Verwechslungen groß. Von diesem Moment an sind die vier Gäste des Reifenhotels klar zuzuordnen, per Strichcode auf einem Etikett. So weiß man jederzeit, wo sie stehen, wem sie gehören und in welchem Zustand sie sind. Die Regeln dieser Abläufe werden strikt eingehalten – Prozesstreue ist oberstes Gebot, weil die Masse an Rädern sonst nicht zu organisieren wäre. Wie in anderen Hotels auch, gibt es pro Jahr zweimal das, was man Hochsaison nennt: im Frühjahr, wenn die Winterreifen runter und die Sommerreifen drauf sollen, und – umgekehrt – im Herbst. Rund sechs Wochen dauert diese Zeit, in der pro Tag um die 500 Radsätze umgeschlagen werden. 500 kommen, 500 gehen, insgesamt 4000 Gäste, die kommen oder gehen. Dann läuft der Betrieb auf Hochtouren im Reifenhotel, und die Mitarbeiter kommen ins Schwitzen. Ein großer Teil der Arbeit läuft immer noch händisch ab. Die Räder kommen auf Rollwagen, werden gecheckt, gereinigt, wieder auf Rollwagen geht es dann in die schier endlosen Regalreihen, wo sie schließlich auf die Zwischenböden gewuchtet werden. Wer hier vollautomatisierte Hochregallager erwartet, in denen stumme Stapler computergesteuert die Gäste verteilen, ist überrascht: Muskelkraft ist angesagt. Es gibt zwar Systeme, die sowas regeln könnten, aber sie sind zu teuer und nicht so effizient wie die Mitarbeiter. Dass die durchweg so aussehen wie Trainer im Fitness-Studio wundert nicht – so ein Rad mit Felge kann schnell 30 oder 40 Kilogramm wiegen. Das will gestemmt sein.

Im Reifenhotel ruhen die Räder

Im Reifenhotel ruhen die Räder

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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