Keine Kohle an der Kö: Adios, Calatrava

Die Centrum-Gruppe, Investor dieses Milliarden-Projekts, wackelt. Sie muss nachweisen, weiterhin liquide zu sein. Insider sind skeptisch, dass die Sanierung gelingt, es gehe um zuviel Geld. Für Düsseldorfs berühmte Shopping-Meile sind die Folgen unerfreulich.
Veröffentlicht am 18. Juli 2023
Präsentation Calatrava-Boulevard
Da zeigte man noch Optimismus: Im Januar präsentierten Centrum-Chef Uwe Reppegather (links) und Architekt Santiago Calatrava (rechts) das Modell ihres Boulevards an und über der Kö. Oberbürgermeister Stephan Keller ließ sich damals erklären, wie man sich das künftig vorstellen soll. Foto: Xity

Es war einer dieser Termine, die Rathaus-Chefs eigentlich lieben: Sie zeigen sich mit berühmten Architekten am schicken Modell eines beeindruckenden Bauprojekts, das im Falle seiner Realisierung neue Maßstäbe für die Stadt setzen würde. Im konkreten Fall standen am 23. Januar beisammen: Stephan Keller, Düsseldorfs Oberbürgermeister, Centrum-Boss und Investor Uwe Reppegather sowie Architekt Santiago Calatrava. Präsentiert wurde das Modell eines neuen Kö-Shopping-Tempels namens Calatrava-Boulevard. Keller machte freundlich lächelnd mit. Ob er sich sehr wohlgefühlt hat, darf bezweifelt werden. Zu dieser Zeit war nämlich schon klar, dass auch gern und laut brüllende Bau-Löwen von den Preisexplosionen bei Neubauten zerzaust werden würden. Keller als Chef der Verwaltung einer Stadt, in der permanent irgendwo gebaut wird, dürften die allgemeinen Sorgen der Branche da bereits bekannt gewesen sein. Warum also sollte ausgerechnet das Riesending in Düsseldorf glatt über die Bühnen gehen?

Heute wissen wir: Es wird nicht so reibungslos ablaufen, wie lautstark verkündet. Investor Centrum wackelt, binnen weniger Monate hat sich die Kapitallage fundamental verändert. Die Firma ist in einem speziellen Konstrukt des deutschen Insolvenzrechts, der Insolvenz in Eigenverwaltung. Man könnte es auch so nennen: Es ist die letzte Chance, den Karren noch aus dem Dreck zu schaffen. Ziehen wäre das falsche Wort, denn ziehen müssen andere, nämlich Geldgeber. Die muss man nun finden, und zwar schnell, sie stehen aber keineswegs Schlange. Die Insolvenz umfasst neben der Holding auch die Tochterunternehmen der Centrum-Gruppe, zu denen die Centrum Development GmbH & Co. KG, die Centrum Beteiligungsgesellschaft mbH sowie die Centrum Investment GmbH zählen. In einschlägigen Info-Briefen der Finanzbranche war übrigens schon Ende 2022, bezugnehmend auf Centrum, vor Problemen gewarnt worden.

Finanzierung
In der Regel werden Bauvorhaben dieser Größenordnung zu einem erheblichen Teil über Fremdkapital, also Schulden, finanziert. Das Geld kann von Banken kommen, aber auch von Versicherern oder anderen Investoren. Sie sind alle stets auf der Suche nach interessanten, das heißt profitablen, Investments. Ein Neubau an der nach wie vor attraktiven Kö liegt im Ranking ganz weit oben. Also stellten sie Liquidität zur Verfügung. Centrum wollte an der Kö in die neue Passage mehr als eine Milliarde Euro investieren. Es gilt als sicher, dass der Anteil an geliehenem Geld ein hoher dreistelliger Millionenbetrag ist. Das wäre normalerweise kein Problem, denn diesen Krediten steht ein entsprechender Wert gegenüber. Schulden wollen jedoch bedient, also zurückgezahlt werden, mit Zinsen. Als die Planungen für den Bau begannen, lag der Zins auf einem historisch niedrigen Niveau.

Sollte man auf dieser Basis geplant haben, und danach sieht es aus, steht man jetzt vor einem riesigen Problem: Der Preis des Geldes ist steil nach oben gegangen und die für die Rückzahlung nötigen Summen entsprechend, das macht Banken nervös. Sie wollen die Sicherheit, dass weiter gezahlt werden kann, und daran hapert es derzeit bei Centrum. Was das bedeutet, kann man am Beispiel eines privaten Bauherrn erklären. Wer eine Immobilie kauft oder baut, nimmt fast immer eine Hypothek auf. Die kann man mit einem Festzins von der Bank bekommen, aber auch mit einem variablen. Letzterer birgt natürlich ein gewisses Risiko. Hat man zu Niedrigzins-Zeiten auf weiter sinkende Zinsen gesetzt und einen nicht-festen vereinbart, stünde man in einer Lage wie jetzt vor der Pleite. Ähnlich ergeht es auch großen Investoren, nur in anderen Dimensionen.

Die Mieten
Zur Finanzplanung gehört auch die Kalkulation künftiger Einnahmen, vor allem der Ladenmieten. Aber auch da haben sich die Voraussetzungen verändert. Online-Handel und eine allgemeine Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern machen es schwierig zu berechnen, was man einnehmen wird, wenn die Läden dereinst eröffnen. Also ein weiterer Unsicherheitsfaktor: keinesfalls garantierte Einnahmen.

Neues Geld
Centrum wird nun versuchen, neues Kapital zu beschaffen. Das jedoch ist schwer, erklärte mir ein Finanzexperte, der selbst von der neuen Lage betroffen ist und seit Monaten erlebt, wie zurückhaltend auch potente Unternehmen mit Investitionen sind. Dass es am Ende zu einem sogenannten Schuldenschnitt kommt, halten Experten für durchaus denkbar. Gemeint ist: Das ins Wackeln geratene Unternehmen schlägt den Banken vor, auf einen Teil der Forderungen zu verzichten, um einen kompletten Konkurs zu vermeiden. Nach dem Motto: Lieber nur einen Teil bekommen, als gar nichts. René Benko, in Düsseldorf ebenfalls höchst aktiver Immobilienvermarkter, hat das in den vergangenen Jahren unter anderem mit seiner Firma Galeria (Kaufhof, Karstadt) gemacht, mit Erfolg. Ob es so weit bei Centrum kommt, ist im derzeitigen Zustand der Dinge noch nicht absehbar, aber möglich. Gehen die Geldgeber auf solche Angebote ein, installieren sie aber nicht selten eine neue Führungsspitze. Ein entsprechendes Unternehmen übernimmt dann die Leitung. Konkret würde das bedeuten: Centrum-Boss Uwe Reppegather wäre raus, und der Steuerzahler drin. Denn Verluste schreiben Banken ab und mindern damit ihre Steuerlast, zu Lasten des Fiskus, also zu Lasten von uns allen.

Folgen für die Kö
Sollte das gesamte Projekt gestoppt werden, hätte das enorme Konsequenzen. In Teilen laufen bereits Neubauten (beispielsweise im früheren Standort der Galerie Paffrath), andere Objekte wie auf der Königsstraße stehen schon lange leer, um demnächst abgerissen zu werden. Insider gehen davon aus, dass unter Umständen etliche Vereinbarungen rückabgewickelt werden müssen. Mit heute noch nicht überschaubaren Folgen für die Beteiligten und für den Standort.

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Über Fortbestand oder Weggang von Franzen an der Kö habe ich hier berichtet. Und hier steht mein Text über René Benko und Uwe Reppegather – zwei in Düsseldorf sehr aktive Investoren.


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