Kö und Altstadt: Düsseldorf muss auf Jahre mit Bauruinen leben
Wochenlang passierte nichts auf der riesigen Baustelle am Carschhaus, aber jetzt ist Bewegung, und zwar sehr emsige. Eine Gruppe von Bauarbeitern, vorschriftsmäßig in Warnwesten und mit Schutzhelmen, räumen Maschinen zusammen. Aber es geht nicht etwa weiter mitten in der Innenstadt – nein: „Die räumen die Baustelle und packen ihr Material ein“, erklärt ein Immobilien-Experte, der das Treiben vom Rand aus durch eine Lücke im Bauzaun beobachtet und den ich zufällig treffe.
Später bestätigt mir ein Mitarbeiter des Abbruchunternehmens aus Bielefeld den Eindruck: Da Rechnungen nicht mehr beglichen werden, packe man nun zusammen. Ein großer Bagger, mehrere kleine sowie Spezialgerät für das Aufknacken und Abtragen von Betondecken oder -schutt werden in Transporter geschoben. Rund ein Dutzend Männer hatten mehrere Monate dort gearbeitet, um zu erschaffen, was ich bei VierNull als „Carschloch“ beschrieben habe.
In diesem Beitrag zitiere ich einen FDP-Politiker, der davor warnte, sich bei der Gestaltung des Platzes in die Hand eines einzigen Bauträgers zu begeben. Womit er Recht behielt: Die Firma dieses Investors, René Benko, ist nun in finanziellen Problemen und hat deren Leitung an einen Restrukturierungsexperten übergeben. Sein Imperium zerbröselt. Insidern zufolge kreisen bereits die Geier und warten ab, wann und wo sie niedergehen, um brach liegende Bauruinen günstig einkaufen zu können. Das jedoch kann noch Jahre dauern. Was für den Bereich Heinrich-Heine-Platz und Carschhaus ein jammervolles Dasein als Bauruine bedeutet.
Eine Aussicht, die im Rathaus ängstlich beäugt wird. Spätestens Ende nächsten Jahres beginnt der Wahlkampf für die Kommunalwahl 2025. Den in einer Stadt zu führen, deren Herz von Bauruinen verunstaltet wird, will keiner. Dabei wären die Verantwortlichkeiten keineswegs eindeutig. Auf den Weg gebracht wurden die gesamten Projekte vor der Wahl 2020. Es wird interessant zu beobachten sein, wie man sich gegenseitig die Schuld für das Debakel zuschiebt. Ex-OB Thomas Geisel jedenfalls wird künftig nicht mehr stolz darauf sein, Benko zu duzen.
So wie Benko hat auch der andere große Immobilienentwickler Uwe Reppegather (Centrum) große Probleme. Die wirken sich bei den folgenden Projekten aus:
Königsallee 44, vormals Galerie Volmer
Das Gebäude wurde von der Centrum-Gruppe des Immobilienentwicklers Uwe Reppegather gekauft, ebenso die Nachbarn rechts und links: das Haus der Galerie Paffrath und das Porzellangeschäft Franzen. Die drei Gebäude bilden architektonisch mit ihren unter Denkmalschutz stehenden Fassaden eine Einheit. Das Äußere zu erhalten, hat sich der neue Eigentümer auch verpflichtet, als er seine Pläne für den geplanten Calatrava-Boulevard präsentierte, in dem die Objekte aufgehen sollten.
Ob dieser Prachtbau jedoch wirklich entsteht, ist mehr denn je fraglich. Denn wie Benko ist auch Centrum und damit Uwe Reppegather ins Stolpern geraten, große Teile des Firmengeflechts sind pleite und über der Baulücke auf der Kö zwischen Franzen und Paffrath herrscht Stille. Die Baustelle, die keine mehr ist, wurde mit über zwei Meter hohen Bauzäunen blickdicht eingepackt, auf denen immerhin noch der Name Centrum prangt.
Schadowstraße 26
In dem Haus schräg gegenüber von Peek & Cloppenburg saß einst eine große Filiale der Parfümerie-Kette Douglas. Die ist weitergezogen, und das Gebäude stand leer. Reppegather kaufte es, weil er eine adäquate Adresse für das neue Franzen brauchte. Dieses in Düsseldorf seit mehr als 100 Jahren bekannte Geschäft hatte sich nämlich mit dem Baulöwen geeinigt, ihm das komplette Gebäude auf der Kö zu verkaufen (kolportierter Kaufpreis 88 Millionen Euro).
Zu diesem Deal gehörte es, einen alternativen Standort zu bieten, um an neuer Stelle ein neues Konzept innenstadtnah umzusetzen. Die Adresse an der Schadowstraße passte, also einigte man sich. Dann jedoch ging Centrum das Geld aus, und der Verkauf/Kauf stockte. Die Familie Franzen hält sich bedeckt, verweist auf Verträge und gemachte Zusagen. Immerhin: Auf der über Wochen stillliegenden Baustelle an der Schadowstraße ist wieder Bewegung, zuletzt räumten dort Arbeiter Bauschutt in große Container.
Auch bei Benko sind es noch mehrere Stellen, bei denen mit Problemen zu rechnen ist, die sich auf das Bild der Innenstadt auswirken. Denn seiner Signa-Gruppe gehören noch:
Kaufhof an der Kö
Das Haus gilt als Prachtstück der Kette und wurde zuletzt aufwändig saniert. Das angrenzende Parkhaus sollte zugunsten von Büros abgerissen werden. Dass dieser Plan zeitnah umgesetzt wird, ist unwahrscheinlich.
Kaufhof Wehrhahn
Das Warenhaus hat geschlossen, ein temporärer Mieter nutzt die Fläche.
Karstadt Schadowstraße
Dieses Kaufhaus ist krisengeschüttelt, wurde vor wenigen Monaten nach drohender Schließung abermals gerettet. Dennoch ist seine Zukunft mehr als unsicher. Das Grundstück ist natürlich von großem Wert.
Im Rathaus wird man im Nachhinein erleichtert sein, sowohl mit Reppegather wie mit Signa nicht final in Gespräche zum Neubau der Oper gegangen zu sein. Reppegather wollte am alten Standort bauen, Benko hatte versucht, mit der Stadt einen Deal zu machen und sein Grundstück am Wehrhahn angeboten, auf dem noch der frühere Kaufhof steht. Von manchen Medien bejubelt, präsentierten beide bereits Entwürfe für gigantische Gebäude, jeweils bestehend aus Oper, Büros, Geschäften und Wohnungen. Nun sind sie untergegangen im Strudel der Pleiten.
Übrigens: Mit stockenden Neubauten kennt die Stadt sich aus. Von 1999 bis 2005 verrottete der Breidenbacher Hof, bis der Abriss des Schandflecks im Herzen der Stadt begann. Die Geschichte wiederholt sich, allerdings gleich an mehreren Stellen.
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