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Kölner bauen neuen Stadtteil an Düsseldorfs Grenze

Auf dem Areal Böhler wird seit 1993 kein Stahl mehr verarbeitet. Stattdessen sprießen dort Firmen unterschiedlicher Prägung. Investoren aus der Domstadt wollen dort ihre Vision eines neuen Viertels wahr werden lassen.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 21. August 2024
Areal Böhler
Früher Industrie, heute Dorf: das neue Areal Böhler.

Klären wir zunächst die geographischen Details. Beim Areal Böhler an der Grenze zwischen Düsseldorf und Büderich sprach man noch bis vor wenigen Jahren vom Böhler-Gelände. Aber das war den Eigentümern zu prosaisch. Also setzte man das eleganter klingende „Areal“ vor den Namen. Tatsächlich ist der Eindruck einer Industriebrache verschwunden. Das ehemals vom Stahl geprägte Grundstück hat sich seit dem Produktionsende 1993 mächtig verändert und wird das weiter tun. Es geht um 230 000 nutzbare Quadratmeter. Wer dort unterwegs ist, sollte das nicht zu Fuß tun, es wäre zeitraubend.

Zurück zur Geographie: Weil 99,9 Prozent der Fläche auf Meerbuscher Stadtgebiet liegen, ist es den Nachbarn naheliegenderweise wichtig, das Viertel für sich – sagen wir: einzunehmen. Das zeigt auch die Adresse: Ursprünglich hieß sie Hansaallee. Die ist eine Düsseldorfer Straße und sie endet beziehungsweise beginnt direkt am Böhler-Eingang. Das hat man geändert und firmiert unter Böhlerstraße. Sie geht seitlich an der alten Fabrikmauer vorbei und bildet exakt die Stadtgrenze. Links Düsseldorf, rechts Büderich.

Und was ist mit den verbliebenen 0,1 Prozent? Es sind die paar hundert Quadratmeter des Rondells am Eingang plus Pförtnerloge. Diese liegen auf Düsseldorfer Stadtgebiet. Eine grenzwertige Lage also, buchstäblich.

Und da wäre noch die Sache mit der Telefonnummer. Einige der heute dort arbeitenden Firmen sind unter 0211 erreichbar, obwohl sie die Vorwahl von Büderich (02132) haben müssten. Historische Gründe, heißt es. Als Böhler 1914 startete, weitab von jeder Bebauung und Infrastruktur, verlängerte man den Düsseldorfer Anschluss auf der anderen Straßenseite und ließ das über die Jahre unverändert. Was den Betrieben recht ist: Sie können so den Anschein erwecken, Düsseldorfer zu sein. Was sie aber nicht sind.

Soweit die Kuriositäten. Kommen wir zu den aktuellen Fakten:

Die Eigentümer
Im vergangenen Jahr kaufte der Kölner Investor Christoph Kahl das Areal für 156 Millionen Euro vom Vorbesitzer Voestalpine. Er hat vor Jahren in den USA ein Unternehmen namens Jamestown gegründet und dort mit Immobilienfonds viel Geld verdient. Ein Beispiel: Ein Gelände in New York verkaufte er für 2,4 Milliarden Dollar an Google. Erworben hatte er es wenige Jahre zuvor für einen Bruchteil dieser Summe. Das Böhler-Projekt wird von Kahls Sohn Sebastian verwaltet.

Das Ziel
Als bei Böhler noch Stahl verarbeitet wurde, hatten dort weit über 5000 Menschen einen Job. Diese Zahl wollen die Kahls wieder erreichen. Aber nicht mehr mit einem großen, sondern mit vielen kleinen Unternehmen. Und zwar jeder Branche: Dienstleistung, Handwerk, Gastronomie, Beratung – alles ist möglich. Die Entwicklung dahin hatte Voestalpine bereits angestoßen, nun wird sie forciert.

Die Mieter
Schon jetzt arbeiten zig Firmen im Areal, die Bandbreite ist enorm: Es gibt einen Tierarzt, der Schnell-Imbiss Böckels Beste hat dort seine Verwaltung. Ein Dentallabor formt neue Zähne und ein Handwerker firmiert ganz bescheiden unter „Holzarbeiten“. Mehrere Berater unterschiedlicher Branchen sind vor Ort, ein Rechtsanwalt und technische Betriebe ebenfalls.  

Caterer Georg Broich hat gerade einen neuen Mietvertrag über 20 Jahre abgeschlossen und kocht an der Stadtgrenze für seine zahlreichen Kunden. Die Restaurants in seiner Nachbarschaft heißen Les Halles, Café Böhler oder Rigatoni & Riesling.

Es gibt mehrere Autowerkstätten der besonderen Art. All4Tracks hat sich auf Offroadfahrzeuge verschiedener Hersteller spezialisiert, Pete’s Offroad Garage fährt nur Defender älterer Bauart auf die Hebebühne seiner filmreifen Werkstatt. Auch Modeunternehmen sind vertreten, unter anderem der Spross der Igedo-Gründer-Familie Kronen, Philipp Kronen mit einer Niederlassung.

Einige der großen Hallen werden für Messen und Events genutzt. Im Rhein-Riff kann man auf einer mächtigen Welle Surfen lernen oder mit den Füßen im Sand Cocktails trinken. Was die Athletenschmiede anbietet, beschreibt der Name unmissverständlich.

Michael Kuchenbeck
Michael Kuchenbecker und sein „Rigatoni & Riesling“ sind fester Teil der Böhler-Community.

Peter Hinterleitner
Peter Hinterleitner hat eine Offroad-Garage auf dem Gelände.

Georg Broich
Caterer Georg Broich hat gerade einen neuen Mietvertrag über 20 Jahre abgeschlossen.

Rheinriff
Das Rheinriff ermöglicht Wellenreiten mitten in der Stadt.

Die Pläne
Da noch Platz für weitere Mieter ist, wird man die derzeit lediglich zwei vorhandenen Zugänge um weitere Tore ergänzen. Die strenge Fabrikmaueroptik außen soll dafür aufgelockert werden. Geplant ist außerdem ein Parkhaus für rund 1000 Fahrzeuge. Wichtig ist den Eigentümern ein umfassendes gastronomische Angebot. Ein halbes Dutzend Betriebe sind bereits dort, weitere werden folgen. Die Absicht ist klar: Wer auf dem Gelände arbeitet, soll es nicht verlassen müssen, wenn er essen oder sich mit Freunden oder Geschäftspartnern treffen will.

Wohnungen?
Kenner der Pläne sprechen von einem stetig, aber langsam wachsenden neuen Stadtteil. Dazu würden Wohnungen gehören. Die jedoch sind nicht vorgesehen, das Areal ist ein Gewebegebiet mit sehr guter Anbindung: Direkt am Eingang ist eine Haltestelle für die Straßenbahnen, die zwischen Düsseldorf und Krefeld pendeln. Nach Fertigstellung der Linie U 81 werden auch Neuss und Mönchengladbach direkt angeschlossen sein. Zudem liegt eine Auf- und Abfahrt der A 52 nur wenige hundert Meter entfernt.

Wohnen wird nur außerhalb des Areals möglich sein, allerdings unmittelbar nebenan. Auf der Düsseldorfer Seite sind einige hundert Wohneinheiten und sogar neue Straßen entstanden, die nach Künstlerinnen benannt sind (Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Romy Schneider). An dieser Stelle kommt der Name Adenauer ins Spiel: Die Brüder Patrick Adenauer und Paul Bauwens-Adenauer haben dort das Projekt mit dem Namen „40549“ verwirklicht.

Büderich hat es ähnlich, wenn auch eine Dimension kleiner gemacht: Einen Steinwurf vom Böhlergelände entfernt entstanden Reihen- und Mehrfamilienhäuser. Auch die letzte noch freie Fläche unmittelbar an den Fabrikmauern steht bereit für weiteren Wohnraum, Entwickler dort ist das Unternehmen BPD.

Fazit
Das Areal Böhler zeigt beispielhaft, wie Kommunen sich weiterentwickeln – in diesem Fall gleich zwei: Ohne die Nähe zu Düsseldorf wäre der Gewerbepark weniger attraktiv. Ohne dieses größtenteils zu Meerbusch gehörende Gelände könnte die Landeshauptstadt sich nicht mit diesem Solitär schmücken. Postalische Adressen oder Telefonnummern spielen dabei keine Rolle.   

Transparenz-Hinweis
In einer früheren Version dieses Textes haben wir geschrieben, dass Investor Kahl und die Adenauer-Brüder gemeinsam das Wohnbau-Projekt unmittelbar an den Fabrikmauer verwirklichen. Das war ein Fehler. Die beiden Kölner Unternehmen agieren in Nachbarschaft zueinander, nicht aber gemeinsam.

Weitere Eindrücke vom Gelände

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