Konsum-Kathedrale an der Kö: Wo Luxus keine Probleme hat
Die bisherigen Shopping-Tempel in der Innenstadt sind in die Jahre gekommen, sowohl die Kö-Galerie als auch die Schadow Arkaden kämpfen sichtlich um neue Ideen und ihre Zukunft. In beiden gibt es Leerstände, eine Besserung wäre, wenn überhaupt, nur mit viel Geld möglich.
Solche Probleme, das jedenfalls glaubt Investor Uwe Reppegather (Centrum) wird das neue Bauwerk nicht erleben, das gerade zwischen der Königsallee, der König- und der Steinstraße entsteht: eine Art Appendix der Prachtmeile, Boulevard genannt. Parallel zur Einkaufsstraße entsteht im Inneren des gewaltigen Projektes eine überdachte Laden- und Gastronomiestraße. Mehr als zehn Meter hohe Bäume, viel Grün und ein gläsernes Dach schaffen umsatzförderndes Wohlfühlambiente der äußerst komfortablen Art für Seh-Leute und vor allem für die Kunden.
Die müssen auf jeden Fall gut betucht sein, denn nur die teuren 1a-Labels dürfen hinein. Schon, wer eine Stufe drunter ist, also bestenfalls mit 1b wirbt, ist nicht erwünscht. Man legt großen Wert auf den Unterschied zwischen so genannten Premium-Marken wie Gant, Hilfiger, Lacoste oder Ralph Lauren auf der einen und den Spitzenlabels in der Liga Chanel, Fendi, Dior oder Prada auf der anderen Seite.
Entworfen hat dieses noch edlere Kö-Teil der spanische Architekt Santiago Calatrava (71). Weil dieser Name nicht nur gut klingt, sondern auch für große Bauwerke weltweit (unter anderem den Bahnhof am World Trade Center in New York) steht, versucht man derzeit, den künftigen Prachtbau nach ihm zu benennen – also Calatrava-Boulevard. Mal schauen, ob sich das durchsetzt. Er selbst ist, natürlich, hörbar beseelt von dem, was er da kreiert hat und bald in Stahl und Beton entstehen lässt. Sehr ausführlich philosophierte er jetzt bei einer Präsentation über seine Gedanken, wie er die Kö und Düsseldorf gefühlt hat und schließlich auf die Idee für die Umsetzung gekommen ist. Dass er sein Werk am Ende sogar wie eine Konsum-Kathedrale darstellte, liegt optisch durchaus nahe: Der Meister schätzt nämlich, wie man auf den Bildern sieht, sehr hohe Räume mit sakraler Attitude. Die arkadenartigen Bögen zu den Läden und die nach oben geschwungenen Linien in hellen Farben erinnern nicht zufällig an prachtvolle Kirchen vergangener Zeiten. Jedenfalls auf den sehr aufwändigen Animationen. Es ist sozusagen eine eindrucksvolle Architektur zu Ehren Mammons. Das ehrfurchtsvolle Staunen mit vielen Blicken himmelwärts dürfte sehr wahrscheinlich sein.
Wer ist der Bauherr?
Errichtet und finanziert wird das Ganze von der Centrum-Gruppe des Investors Uwe Reppegather. Der hat in Düsseldorf einst das Sevens umgebaut und den Kö-Bogen II gebaut. Außerdem ist er einer von zwei Bewerbern für eine Kooperation mit der Stadt zum Bau einer neuen Oper. Der sehr raumgreifend auftretende Geschäftsmann, stets lässig gekleidet mit einem langen, grauen Zopf als Markenzeichen, gilt derzeit als einer der einflussreichsten Strippenzieher im bundesdeutschen Immobiliengeschäft etlicher Metropolen. In Düsseldorf ist er nicht nur geschäftlich angesiedelt, er lebt hier auch in einem Haus in allerbester Lage.
Wie viel wird investiert?
Laut Reppegather wird rund eine Milliarde Euro ausgegeben sein, wenn alles fertig ist. Bis auf einige Restgrundstücke hat er bereits den größten Teil des Areals erworben. Es gehört ihm und seinen Kindern. Zuletzt hat er den Familien Franzen (Glas, Porzellan, Wohn-Accessoires) und Paffrath (Kunstgalerie) ihre Immobilien abgekauft, nach jahrelangen Verhandlungen, wie er selbst sagt. Beide haben mit Hilfe der Centrum-Gruppe ihnen offenbar genehme Standort-Alternativen gefunden. Paffrath sitzt bereits jetzt in der oberen Etage im Haus neben dem Breidenbacher Hof, Franzen geht 2024 an die Schadowstraße und bietet künftig schräg gegenüber von P&C seine Waren an.
Wann ist das Projekt fertig?
Der Komplex wurde Stück für Stück angegangen, die ersten Neuen – Fendi und Moncler – haben bereits 2022 eröffnet, die nächsten folgen bald. Bis Ende 2027 will man komplett durch sein. Einen erheblichen Teil der Bauarbeiten geht man von der Kö-abgewandten Seite an, also von hinten. Damit versucht man die Befürchtung zu zerstreuen, Düsseldorfs müsse sich auf einige Jahre Baustelle einrichten.
Wer sind die Mieter?
Wie bereits erwähnt, will man nur die bekannten Luxus-Marken dulden. Die pochen auf ein passendes Umfeld und haben angeblich großes Interesse, erste Verträge seien unterzeichnet. Dazu passend wird die Gastronomie gemixt. Man will zwar keine Sterneküche, aber ebenfalls ein Angebot von hohem Niveau. Im Bereich zum Martin-Luther-Platz entstehen zudem über 20.000 Quadratmeter Bürofläche.
Wie ist das Ladenkonzept?
Am Ende werden die Geschäfte zwei Zugänge haben: einen von der Kö und den anderen im neuen Boulevard. Das verlangt, so hieß es, zwar höheren Personalaufwand, steigere aber auch den Komfort. Was sich an diesem sehr praktischen Beispiel zeigt: Zurzeit warten bisweilen Dutzende Kunden vor Louis Vuitton bei jedem Wetter draußen vor der Tür, bevor sie eingelassen werden. Das ist künftig vorbei. Wer dringend darauf wartet, sehr viel Geld auszugeben, tut das künftig im Trockenen oder sogar bei einem Gläschen Schampus in einem der gastronomischen Betriebe nebenan. Vom Erfolg ist man beim Investor Centrum fest überzeugt. Reppegather: „Der Luxus hat keine Probleme.“ Das sei auch in diesen Zeiten klar zu erkennen.
Die Optik
Von oben erinnert das gesamte Projekt in der Gesamtansicht an eine riesige Jacht, die an der Kö vor Anker gegangen ist. Das benachbarte Justizministerium wirkt dagegen winzig und wie im Schatten des neuen Nachbarn. Zur Kö hin werden ein erheblicher Teil der bisherigen Fassaden erhalten bleiben, da sie unter Denkmalschutz stehen.
Fazit
Falls die Centrum-Pläne tatsächlich Realität werden wie hier auf dem Foto abgebildet, werden sie die tiefgreifendste Veränderung der Kö sein, die es in den vergangenen Jahrzehnten gab. Das Projekt wird Käuferströme neu prägen und den Druck auf die anderen Anbieter enorm erhöhen. Vor allem für die Kö-Galerie und die Schadow Arkaden erwächst eine starke Konkurrenz, was ihre ohnehin ungelösten Probleme nochmals verschärft. Zudem verstärkt sich das Gefälle auf der Kö Richtung Norden – dort wächst die Exklusivität, auf der anderen Seite (Richtung Graf-Adolf-Straße) sinkt das Niveau.