Mein Feind der Baum

Spätestens, wenn Florian Heubes sich umzieht und seine Ausrüstung aus dem Kofferraum des kernigen Lada Niva holt, spätestens dann beginnt der Laie zu ahnen, dass der Job dieses Mannes womöglich ein sehr anspruchsvoller ist. Die Aufgabe an sich ist dagegen schnell erklärt. Florian Heubes wird gerufen, wenn irgendwo ein Baum weg muss. Oder mehrere. So ein Einsatz läuft immer gleich ab. Zuerst begutachtet er das Objekt sehr gründlich, und zuletzt startet er die Kettensäge. Davor jedoch steigt er in seine Montur: schwere Arbeitsschutzschuhe, eine Art Latzhose aus einem Gewebe, das selbst eine versehentlich darauf fallende, laufende Kettensäge nicht durchdringt, und ein entsprechendes Oberteil. Auf den Kopf kommen der Helm mit Visier und Ohrschutz, dicke Handschuhe sind ein Muss. Seine Firma ist noch jung, gegründet hat er sie Ende vorigen Jahres. Sie ist ein Start-up, aber ein völlig anderes, denn außer der Fernbedienung für seine Seilwinde ist bei Heubes nichts digital oder elektronisch. Der 33-Jährige ist gelernter Industrie-Mechaniker. In seinem früheren Leben reiste er weltweit zu den Kunden eines bergischen Maschinenbauers und baute dort Apparate zusammen, die er hier mit konstruiert hatte. Über Jahre war er engagiert in der Freiwilligen Feuerwehr, lernte dort unter anderem den Umgang mit der Kettensäge. Und schon immer hatte er eine Vorliebe für Arbeiten im Wald. Als er immer häufiger um Hilfe gebeten wurde, wenn ein Baum weg sollte, kam die Idee auf, das hauptberuflich zu machen. Heute ist sein Auftragsbuch gut gefüllt. Firmen, Privatleute und Kommunen heuern ihn an, wenn irgendwo was wächst, was dort nicht (mehr) wachsen soll. Und obwohl sein Job ihn sichtlich freut, versucht Heubes zu retten, was zu retten ist. Wenn er der Meinung ist, der vermeintlich umsturzgefährdete Baum stehe fest und sicher, dann versucht er, den Kunden vom Erhalt zu überzeugen. Das gelingt allerdings nur manchmal. Wenn die Leute Angst haben, die zig Meter hohe Buche neben dem Haus könnte kippen, wollen sie, dass der Baum verschwindet. Heubes geht ans Werk, wenn auch schweren Herzens. Die Arbeit ist anspruchsvoll, nicht zuletzt, weil sie gefährlich ist. Denn ein Baum fällt nicht immer so, wie er soll. Es braucht viel Wissen und Erfahrung, um das zu beeinflussen. Außerdem hat Holz meist eine innere, nur schwer erkennbare Spannung. Sie richtig auszumachen und zu berücksichtigen, ist die hohe Kunst des Kettensägers. Eine wichtige Regel: Wenn die Buche oder Eiche endlich am Boden liegt, darf man nicht sofort hingehen, sondern muss erstmal sorgfältig nach oben schauen. Sehr oft bleiben Äste in den Kronen der anderen Bäume hängen und fallen erst wenig später zu Boden. Das kann für Unvorsichtige tödlich enden. Heubes' wichtigste Geräte sind drei Kettensägen mit unterschiedlich langen Blättern. Sie zu wechseln, ist für den Ungeübten schwierig, bei ihm dauert das nur wenige Minuten. Der Kanister mit Zweitaktgemisch ist immer dabei, außerdem einer mit einer Art Motoröl. Das braucht die Kette, sie muss permanent geschmiert sein. Rapsöl geht auch, sagt Heubes, hat er selbst ausprobiert. Riecht nur komisch, wenn es heiß wird. Wie beim Braten. Auch immer dabei ist ein langes, dickes Seil, das an die Winde des Geländewagens kommt und dem zu fällenden Baum die Richtung vorgibt. Ist das Seil befestigt und straff, beginnt die eigentliche Arbeit unten am Stamm. Nach und nach wird das Holz durchsägt, Alukeile halten den Abstand, und durch die vorsichtig nachgespannte Winde zieht es den Stamm in die gewünschte Richtung. Irgendwann überwindet er den Kipppunkt und binnen Sekunden kracht der Koloss zu Boden. Das ist der Moment, den Heubes aus sicherer Entfernung verfolgt. Die Gründe, einen Baum final zu beseitigen, sind vielfältig. Manche sind, nicht immer sichtbar, krank und würden früher oder später von allein umkippen. Andere sind von Stürmen geschädigt oder schlicht zu groß geworden und ängstigen die unmittelbar daneben lebenden Menschen. Aber ohne weiteres fällen geht nicht, denn in Deutschland haben die Kommunen so genannte Baumschutzsatzungen. Die regeln sehr exakt, wann gefällt werden darf. Auf jeden Fall braucht es eine Genehmigung, und wer die nicht einholt und dennoch mit der Säge rangeht, dem drohen oft empfindliche Geldstrafen. Zu überprüfen, ob die Kommune das Ende des Baumes genehmigt hat, gehört ebenfalls zum Job des Florian Heubes. Er kontrolliert das immer selbst, denn wenn es das Okay nicht gäbe, würde man ihn belangen.

Mein Feind der Baum

Mein Feind der Baum

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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