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Employer branding in Düsseldorf: Wenn Jobs sich um Menschen bewerben

Alles redet über Fachkräftemangel, aber kaum einer weiß, was Unternehmen tun (müssen), um neue Mitarbeitende zu finden. Eine Düsseldorfer Agentur hilft dabei, zurzeit auch der Bundeswehr.
Veröffentlicht am 3. Januar 2023
Employer Branding
Diese Imagekampagne, unter anderem auf Plakaten und City-Lights, verschaffte der Bundeswehr einen enormen Zulauf. Foto: Andreas Endermann

So kann’s kommen: Aus „Menschen bewerben sich um Jobs“ wurde „Jobs bewerben sich um Menschen“. Etwas sperriger ist der offizielle Begriff: Fachkräftemangel. Allerdings könnte man den Begriff „Fach“ auch weglassen. Denn es geht nicht nur um qualifizierte Leute, sondern um Mitarbeitende insgesamt. Egal, was sie mitbringen – die allermeisten werden gebraucht. Neulich las ich in einer Stellenanzeige im Internet diesen Satz „Sagen Sie uns, was Sie können. Wir finden die passende Aufgabe!“ Das nenne ich mal flexibel.

Längst sind alle Branchen betroffen, die Industrie- und Handelskammern (IHK) landesweit schlagen seit Monaten Alarm. Nach der jüngsten Umfrage der IHK Düsseldorf vom November (siehe Link unten) sagten von 850 befragten Firmen mehr als die Hälfte, für sie sei der Mangel an Mitarbeitenden das derzeit größte Risiko. In anderen Kammerbezirken ist dieser Anteil ähnlich oder noch höher. Das Basler Forschungsinstitut Prognos kommt zu dem Schluss, dass allein in Deutschland bis zum Jahr 2030 insgesamt drei Millionen Fachkräfte fehlen könnten, falls von Wirtschaft und Politik nicht gegengesteuert wird. Für das Jahr 2040 gehen die Forscher sogar von einem Mangel von 3,3 Millionen Fachkräften aus. Logischerweise wird daher heftig um die gerungen, die noch auf dem Markt und arbeitsfähig sind.

Etliche Agenturen helfen Unternehmen dabei, Leute nicht nur zu finden, sondern sie auch zu sich zu locken. Employer branding nennt man das, und es beschäftigt derzeit alle Unternehmen. Diejenigen, die erkannt haben, um was es geht, holen sich professionelle Hilfe. Beispielweise bei der Agentur Castenow in Düsseldorf, bei der einige Experten für Employer Branding arbeiten. Höchst unterschiedliche Kunden werden oder wurden betreut: zum Beispiel Verlage, das Erzbistum Münster, die Drogeriekette Rossmann, die Städte Köln und Frankfurt sowie die Bundeswehr. Vor allem „beim Bund“ ging die Zahl der Anfragen nach einer Kampagne der Düsseldorfer sprunghaft nach oben, dauerhaft interessierten sich mehrere Hunderttausend Frauen und Männer für einen Job bei Heer, Luftwaffe oder Marine.

Wie das gelang? Über echte Hingucker-Plakate im Stil von Film-Werbung, aber vor allem mit Youtube-Videos über den Alltag bei der Truppe. Die machten deutlich: Wow, die Bundeswehr ist ja ganz anders als erwartet, sie ist spannend und bietet zugleich enorme Perspektiven. Das Interesse war jedenfalls riesig. Aufmerksamkeit wecken – das ist der Knackpunkt solcher Kampagnen. Und überzeugen, sagt Sabine Castenow, die in ihrer Agentur Fachfrau für das Thema ist. Es geht um Image, Werte, Nachhaltigkeit, Flexibilität und Authentizität.

Image
Um nach außen darzustellen, wie das Umfeld sie wahrnimmt, sollte eine Firma sich erst über ihr Selbstbild klarwerden. Was nicht unbedingt dem außen entsprechen muss. Das zu erkennen ist eine der Grundregeln des Employer Branding. Wer sind wir eigentlich? Wofür stehen wir? Wie positionieren wir uns? Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Um das festzustellen und die Marke kennenzulernen, bedarf es vieler Gespräche mit der Führung, aber auch den Mitarbeitern. Dabei wird abgeklopft, ob und wie man sich vom Wettbewerber unterscheidet, im Guten wie im Schlechten. Dies alles im Bewusstsein, gerade in einem harten Kampf um gute Leute anzutreten. Man könnte es mit privater Partnersuche vergleichen: Wer begehrt sein will, muss seine Vorzüge überzeugend präsentieren. Und zwar ehrlich – denn eines Tages kommt immer der Moment der Wahrheit.

Kommunikation
Lediglich 20 Prozent der Mitarbeiterwerbung läuft über klassische Stellenanzeigen – egal, ob Print oder Online. Der Rest funktioniert inzwischen über Kanäle wie Instagram, Facebook, Linkedin und Youtube. Das sind die Plattformen, auf denen potenzielle Kollegen unterwegs sind, und dort kann man sie treffen und ihre Neugier wecken. Ein bisschen so wie bei der Dating-App Tinder.

Soziale Nachhaltigkeit
Das ist ein weiter Oberbegriff für Anforderungen vor allem junger Frauen und Männer an ihren künftigen Arbeitgeber. Gemeint ist, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt des Engagements zu stellen – sowohl ökologisch, ökonomisch, sozial als auch kulturell. Gewinne zu machen ist okay, aber nicht um jeden Preis. Salopp gesagt: Der Wohlfühlfaktor wird hoch angesetzt. Sollte man Work-Life-Balance für eine Spinnerei von woken Jüngeren halten, hat man schon verloren. Unternehmen müssen zeigen, dass sie nicht mehr überholten Hierarchien anhängen. Wer dies zwar von sich behauptet, aber in Wahrheit nicht lebt, wird abgestraft. Das ist angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt kein Problem, da es genug Alternativen gibt, ein Wechsel also leicht realisiert werden kann. Ergo: Authentisch sein! Denn sonst gilt: Fische kommen und schwimmen wieder weg. Der Plan jedoch ist, dass sie bleiben. Daher ist dringend davon abzuraten, wie bei manchen privaten Instagram-Posts Filter zu benutzen: Irgendwann ist die Realität nicht mehr zu leugnen. Sehr dumm, wenn sie gefaked wurde.

Arbeitszeit
Es geht nicht nur um weniger Zeit im Job, sondern um eine andere Verteilung. Egal, ob Vier- oder Mehrtage-Woche: Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sollten ebenso hoch angesiedelt sein wie die des Unternehmens. Also ist Flexibilität verlangt. Junge Eltern wollen die Möglichkeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern und das mit der Arbeit zu vereinbaren. Das geht nur dann, wenn beide Seiten sich bewegen.

Gehalt
Die alte Grundregel lautet: Ein knappes Gut wird teurer. Bei Bewerbern drückt sich das nicht nur im Wunsch nach mehr Geld aus. Mehr Urlaub, flexiblere Arbeitszeit, andere geldwerte Vorteile wie Laptop, iPad, Fitness-Club im Haus, gut gestaltete Arbeitsplätze, Duschen für Radfahrer, gutes Essen in der Kantine jenseits von Currywurst und Erbsensuppe, Fortbildung – hier ist die Fantasie der Firmen gefragt. Ganz oben: Wertschätzung. Der Begriff fällt immer dann besonders oft, wenn nach Gründen für einen Job gefragt wird, gekoppelt mit dem Wort „mangelnde“. Oder, um im obigen Bild zu bleiben: Fische, die sich wertgeschätzt und wohlfühlen, schwimmen so schnell nicht weg.

Weiterführende Links
Die Kampagnen der Agentur Castenow
Ähnlich arbeitet die Agentur Junges Herz
Untersuchung der IHK vom Jahresende


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