Mix aus Biene und Fledermaus: BatBee

Topadressen in Düsseldorf klingen anders als Bolkerstraße 20. Unten sitzen Frauen und Männern hinter Glasparavents auf der Straße vor Tellern mit undefinierbaren Fleischstücken. Nebenan versucht ein Kellner, die Flaneure anzulocken. Und die Haustür ist nicht auf Anhieb zu finden. Eine verwitterte 20 klebt daneben auf der Wand, das Holz des Zugangs ist amateurhaft gestrichen, es riecht nach altem Frittenfett, Alkoholdunst und anderen Dingen, die typisch sind für solche Orte, an denen viele Menschen eng zusammenkommen und bisweilen die Contenance verlieren. Auf der einen Seite heißt der Nachbar Ballermann, auf der anderen Pommes pervers.
Nach leisem Surren lässt sich die Tür öffnen und ich stehe in einer anderen Welt, einer so noch nie gesehenen. Das Treppenhaus geht vor mir schräg und sehr steil nach oben. Alles ist mit Marmor verkleidet, ein dickes Tau, an der Wand befestigt, gibt Halt. Die letzten Meter bis unters Dach muss ich über eine noch engere Wendeltreppe. Wie um alles in der Welt hat hier jemand irgendwas, das größer ist als ein Schuhkarton, nach oben gebracht?
„Mit einem Spezialkran über den Hinterhof“, sagt Anna Zitzmann auf meine Frage. Bisher kannte ich ihre Stimme nur vom Telefon, nun steht sie vor mir – im Zugang des Büros von BatBee. Später lerne ich, dass die junge Frau eine Art Seele des Betriebs ist. Der sitzt in einem Dachgeschoss über der Altstadt, der Blick nach hinten zeigte Belüftungsschächte und Klimaanlangen, Gerümpel auf Terrassen, also eine typische Kehrseite einer nach vorn glitzernden Ausgehmeile. Keine Wohltat fürs Auge.
Hier oben ist Luxus im Stil der 1980er Jahre prägend. Ein riesiger Lüster, opulente Holzvertäfelungen, Wandschränke in mattem Weiß, edle Türgriffe. Mitten drin ein riesiger Schreibtisch mit sechs jungen Leuten. Sie gucken freundlich, winken wortlos. Alle sind in Calls, wie das seit Corona heißt: Videokonferenzen mit wem auch immer.
Es summt und brummt (wie passend, denke ich später) in diesem Raum, der über mehrere Ebenen geht und nach oben den Blick öffnet auf eine rundum gehende Balustrade, bei der ich an Western denke: Von da oben kommen immer die Frauen namens Lily oder Lola und begrüßen den Mann an der Theke, der gerade seinen ersten Whisky kippt und die Hand am Colt hat.
Hier ist alles friedlich. Keine Lolo oder Lily, nirgends. Es gibt eine kleine Besprechungssitzgruppe, an der Wand Regale – und darin stehen Dosen im 0,25-Liter-Format: schlank, gelb mit schwarzen Streifen, darauf ein Logo, das nicht nur auf den ersten Blick aussieht wie eine Biene mit dem Kopf einer Fledermaus: die BatBee. Die Ähnlichkeit mit dem spitzohrigen Batman ist offensichtlich. Und gewollt.
Auf jeden Fall macht es neugierig. Was ist BatBee?
Niclas Remann (31) und Marc Kirsten (43) können das erzählen, und das tun sie gern. Sie haben diesen Hybrid aus Insekt und Säugetier erfunden. Fledermaus und Biene – außer der Fähigkeit zu fliegen, haben sie nichts gemeinsam. Warum also dieser Mix? Weil die flatternde Maus die Nacht, die Biene den Tag symbolisiert. Und für Tag und Nacht soll das gut sein, für das BatBee steht: ein Mixgetränk. Auf die Idee kamen Rehmann und Kirsten, als sie gemeinsam in Moskau waren und im Restaurant irgendwas mit Wodka tranken. Geschmacklich war das wohl keine Offenbarung, aber die Initialzündung zur Idee, selbst etwas ähnliches zu machen und zwar besser.
Wenn die zwei Männer, die beide aus der Immobilienwirtschaft kommen, davon berichten, dann ist die anfängliche Naivität nicht zu überhören. Und sie geben gern und amüsiert zu, keine Ahnung gehabt zu haben, wie lange es dauert, bis man eine Rezeptur findet, von der beide überzeugt sind. Ingwer sollte es sein, als Basis. Dazu ein bisschen Honig und Gurke. Das Ganze ohne Alkohol, süß und prickelnd. Heute, hunderte Kostproben von Ingwer, Gurken und Honig später, steht das Rezept: BatBee hat ein Ingweraroma, eine leichte (und für dieses Gewächs typische) Schärfe im Abgang, Gurke und Honig habe ich nicht geschmeckt. Reichlich Zucker gibt dem Getränk eine in Kombi mit Alkohol so verführerische Süffigkeit. Weil das bei der XS-Kundschaft zwar begehrt, aber kalorienträchtig ist, kommt demnächst seine Zero-Variante auf den Markt. Derzeit liegen für die nächsten 18 Monate Bestellungen für 1,2 Millionen Dosen vor. Sie gehen ausschließlich in die Gastronomie. In der Kundenliste stehen reichlich bekannte Adressen aus Düsseldorf und Umgebung, mit Handelsketten laufen Verhandlungen.
Es gibt zudem neue, so nicht erwartete Erfahrungen. Red Bull („Verleiht Flüüüügel“) schickte seine Anwälte los, weil man sich vom BatBee-Spruch „Hundert Prozent Geschmack, ohne Flügel“ angegriffen fühlte. Der Disney-Konzern sah sein Batman-Profil missbraucht, Bacardi mochte eine zweite Fledermaus nicht hinnehmen, weil man selbst eine im Logo hat. Zwist, der inzwischen gelöst oder abgewehrt ist. Anders als ein Problem, das man ebenfalls so nicht hatte kommen sehen: BatBee hat 352 schwarze Smarts geleast, jeweils auf den Türen gelabelt und zu besonderen Konditionen an die Kunden weitergegeben. Die Idee: über 300 Smarts mit diesem Tierchen auf den Türen – das fällt auf. Tut es auch. Die Neugier ist groß, der Marketingtrick funktioniert. Ich bin ein Beispiel dafür: Mehrmals standen an der Ampel schwarze Smarts neben mir und ich sah das kuriose Logo. Weil ich wissen wollte, was sich dahinter verbirgt, begab ich mich auf die Recherche.
Leider verursachen Autos in der Stadt aber auch Arbeit. Täglich gibt es Knöllchen, ab und zu meldet sich die Polizei und kündigt an, in zehn Minuten werde ein BatBee-Smart abgeschleppt. Das bedeutet: Die Firma muss den Kunden feststellen, dem sie den Wagen gegeben hat und mit ihm den Aufwand abrechnen. Das macht nicht immer Freude, aber stets Arbeit. Nun stellt man jemanden ein, der sich nur diese Dinge kümmert. Und lernt einmal mehr, wie vielfältig die Herausforderungen sind, obwohl man nur ein neues Mixgetränk auf den Markt bringen wollte.
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