Nachhaltige Sneaker: Mit geretteten Wolldecken gegen Fast Fashion
Wenn über Karina Ranfts Beruf berichtet wird, ist die Stoßrichtung in der Regel schon klar. Es geht dann um fehlende Auszubildende, schließende Betriebe, den Kampf gegen das Aussterben. Auch Ranft bekommt das mit, es ist aber nicht ihre Realität. Ihre Realität sind sich stapelnde Schuhpaare in ihrer kleinen Gerresheimer Werkstatt. „Ich habe gerade bei uns das Gefühl, dass immer mehr Leute sich für Reparaturen entscheiden. Auch wenn um mich herum viele etwas anderes sagen.“ Sie klingt dabei fast entschuldigend.
Ranft ist Schuhmacherin. Sie geht die Dinge aber ein wenig anders als die meisten der Familienbetriebe, von denen sie 2019 nach dem Tod ihres Vorgängers selbst einen übernommen hat. Ihre Werkstatt ist ein offener Laden. Wer ihn betritt, sieht die gesamte kreative Unordnung. Die Nähmaschine, die Arbeitsecke, die bunten Schuhe, die sie selbst entwirft. Ranft repariert weiterhin das allermeiste, das ihre Kunden ihr vorbeibringen. Maßanfertigungen stellt sie allerdings nicht mehr her. Stattdessen hat sie sich auf ein anderes Projekt konzentriert: Sneaker-Unikate, aus geretteten Wolldecken hergestellt.
Ein Fan der Schuhe ist Ranft schon seit ihrer Pubertät. Doch sie standen auch für etwas, das ihr nicht gefällt: Für Fast Fashion mit ihrer Massenproduktion, mangelnden Qualität und kaum möglichen Reparaturen. „Ich wollte einen qualitativ hochwertigen Sneaker entwickeln, der individuell ist, langlebig und gut repariert werden kann.“ Sie experimentiert mit unterschiedlichen Materialien – Cord, Denim, Stoffen. Dann stößt sie auf die Berliner Designer „Moot“, die Jacken aus Wolldecken herstellen. Ranft lässt sich Reste schicken, ist mit dem Ergebnis erstmals zufrieden und beginnt eine lange und mühsame Produzentensuche.
Die meisten Produzenten, die Ranft anfragt, möchten nicht mit geretteten Wolldecken arbeiten. „Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein schwieriges Thema, wenn man da etwas umsetzen möchte.“ Die Suche zieht sich, bis jemand Ranft an eine kleine Manufaktur in Italien verweist. Dorthin schickt sie Stoffe und Entwürfe. Der dritte Prototyp überzeugt sie. Ranft gibt 100 Paar in Auftrag, alles Unikate, die es nur einmal pro Schuhgröße gibt. Es ist gerade so viel, wie sie sich mit ihrem Eigenkapital als Risiko zutraut. Zehn Paar hat sie bereits im Laden und an ihr direktes Umfeld verkauft, für mehr will sie nun auch im Internet bekannter werden. Schuhe für 349 Euro das Stück kauft der Gerresheimer nicht einfach mal spontan.
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