Schlechte Nachricht fürs Glasmacherviertel – zumindest vorerst

Das Düsseldorfer Immobilienunternehmen LEG holt sich nicht die Mehrheit an der Gesellschaft, zu der das Bauprojekt in Gerresheim zählt. Damit scheint ein Baustart mittelfristig nicht möglich zu sein. Zwei Resthoffnungen gibt es aber noch.
Veröffentlicht am 5. August 2022
Glasmacherviertel Düsseldorf
Die Brache auf dem Gelände der ehemaligen Gerresheimer Glashütte droht nach den jüngsten Entwicklungen in der Immobilienbranche noch länger zu bleiben. Foto: Andreas Endermann

Die LEG hat am Mittwochabend eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht. Das ist ein sicheres Zeichen, dass etwas Besonderes passiert ist. Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, wesentliche Informationen öffentlich zu machen, damit die Anleger über wichtige Entscheidungen und Entwicklungen Bescheid wissen. Aus der Ad-hoc-Mitteilung der LEG erfuhren sie, dass sie nicht von ihrer Option Gebrauch macht, weitere 63 Prozent der Anteile des Unternehmens Brack Capital Properties (BCP) zu kaufen. Diese Option hatte die LEG erworben, als sie im vergangenen Herbst rund 35 Prozent von der BCP übernahm.

Die LEG hatte bis 30. September Zeit sich zu entscheiden, der Vorstand kam aber nun schon Anfang August zu dem Beschluss – und veröffentlichte so eine schlechte Nachricht für das Glasmacherviertel in Gerresheim.

Warum ist das eine schlechte Nachricht fürs Glasmacherviertel?

Eine der Töchter von BCP ist die Glasmacherviertel GmbH & Co. KG. Sie ist zuständig für das Gelände, auf dem rund 1000 Wohnungen entstehen sollen. Doch bisher ist neben dem Gerresheimer Bahnhof nur Brache zu sehen. Hätte die LEG weitere 63 Prozent von BCP übernommen und dann insgesamt 98 Prozent gehalten, hätte sie dort für einen nicht allzu fernen Baustart-Termin sorgen können. Das war die Hoffnung der Düsseldorfer Politik, die dringend nach Möglichkeiten sucht, die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen.

So aber bleibt alles beim Alten und die BCP wird sehr wahrscheinlich auch weiterhin nicht bauen.

Warum hat sich die LEG so entschieden?

  1. Krisen bei Adler Die BCP ist eine Tochter der Adler-Gruppe, die wegen ihrer Geschäftspraxis, eines nicht erteilten Testats der Bilanzprüfer und heftiger Kritik von Kontrollbehörden regelmäßig in den Medien auftaucht. Jüngster Vorfall: Die deutsche Bankenaufsicht Bafin hatte erklärt, ein Unternehmensabschluss sei zum Ende 2019 fehlerhaft gewesen. Damals stand das Glasmacherviertel mit einem Wert von 375 Millionen Euro in der Bilanz. Laut Bafin ist diese Summe mindestens 170 und maximal sogar 233 Millionen Euro zu hoch.
    Nach Angaben des „Handelsblatt“ sollten 63 Prozent der Anteile an BCP rund 768 Millionen Euro kosten. Es war schon im Laufe des Jahres fraglich, ob dieser Preis noch markttauglich ist, die jüngste Kritik an Adler hat die Frage verschärft. Die Antwort der LEG lautet offensichtlich Nein.
  2. Der Aktienkurs der LEG Der Vorstand des Düsseldorfer Unternehmens blickt dabei auch auf den eigenen Aktienkurs. Der niedriger ist als erhofft und innerhalb eines Jahres von mehr als 130 Euro auf unter 90 Euro gefallen. Nachdem die Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht worden war, ging der Kurs am Donnerstag zunächst hoch auf 89,82 Euro, beendete den Handelstag aber bei 86,70 Euro, was einen Verlust von mehr als einem Prozent gegenüber dem Vortag bedeutete. Solche Zahlen machen sensibel für die Frage, wie Anleger Deals mit einem krisengebeutelten Unternehmen einschätzen.
  3. Gestiegene Projektkosten Wohin sich Bau- und Energiekosten noch entwickeln, lässt sich schwer abschätzen. Anders ist es bei den finanziellen Folgen, die sich aus einem Beschluss der Deutschen Bahn ergaben. Die Bahn will ihr Grundstück am Gerresheimer Bahnhof entgegen früheren Ankündigungen nun doch nicht verkaufen. Deshalb muss eine Erschließungsstraße des Glasmacherviertels anders geführt werden. Das kostet zusätzlich, zugleich schrumpft dadurch die Fläche, die bebaut werden kann. Das war noch nicht eingepreist, als die Adler-Gruppe 2021 einen Gesamtpreis von 768 Millionen Euro für 63 Prozent Anteile an der BCP aufrief.

Wie geht es nun weiter?

Die Nachricht aus der Ad-hoc-Mitteilung bedeutet, dass erst einmal wieder nichts passiert – bis ein Käufer für die BCP-Anteile gefunden ist. Dafür kommen verschiedene Akteure in Betracht:

  1. Andere Immobilienunternehmen Die Kaufsumme für die BCP-Anteile wird am Ende immer noch im mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen. Dafür kommen zumindest ein paar Firmen in Deutschland in Betracht.
  2. Die LEG Das klingt nach der Vorstandsentscheidung erst einmal ungewöhnlich. Aber: Die LEG hat „nur“ erklärt, von der Option keinen Gebrauch zu machen. Sie kann natürlich mit Adler und BCP über einen anderen Verkaufspreis verhandeln. Dabei hat sie sicher gute Perspektiven, weil Adler so unter Druck steht und dringend frisches Geld braucht.
    Wie groß dieser Druck ist, ist fraglich. Adler-Chef Thierry Beaudemoulin sprach bei der Hauptversammlung vor einigen Wochen davon, dass ein moderater Verlust gegenüber der Bewertung vertretbar wäre. Angesichts der Zahlen, die die Bafin für Gerresheim nennt, kann man nicht von einem moderaten Rückgang des Preises sprechen.
    Eine mögliche Einschränkung der Doch-noch-die-LEG-Variante: Die LEG ist bisher kein großer Entwickler, sondern kommt vor allem dann ins Spiel, wenn es um Bestand geht. Allerdings hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, aktuell 500 neue Einheiten pro Jahr zu bauen – und ab dem Jahr 2026 sogar 1000 Einheiten pro Jahr. Das erklärt unter Umständen auch, warum sich die LEG überhaupt Optionen auf ein Entwicklungsprojekt gesichert hat.
  3. Die Stadt Im Rathaus hat man großes Interesse an 1000 neuen Wohnungen an diesem Standort. Deshalb hat der Stadtrat im Mai die Verwaltung beauftragt, so genannte städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch vorzubereiten. In den Paragraphen 165 bis 171 ist dort geregelt, was eine Stadt tun kann, damit sich ein Gebiet entwickelt. Dazu gehört, dass die Stadt das Grundstück kauft oder – als letztes Mittel – den Eigentümer enteignet und dafür entschädigt.
    Als Grundstückseigentümer könnte Düsseldorf die Entstehung bezahlbaren Wohnraums aktiv beeinflussen. Die Stadt könnte mehrere Abschnitte einrichten, auf denen verschiedene Akteure agieren, zum Beispiel die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWD), die städtische Tochter IDR und über Erbbaurechte Genossenschaften oder Wohnprojekte.
    Im Vergleich zur LEG hat die Stadt den Vorteil, dass sie keinen Gewinn aus dem Geschäft ziehen muss. Sie muss aber bereit und in der Lage sein, eine ziemlich hohe Summe zu investieren.

Kauf durch ein Immobilienunternehmen oder die Stadt – das sind die Resthoffnungen, dass aus einer Ad-hoc-schlechten-Nachricht keine permanente wird.


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