Wann im Glasmacherviertel endlich gebaut wird
Ich erzähle nicht die spannende Geschichte, sondern die wichtige. Es geht um die Frage, warum auf dem ehemaligen Gelände der Gerresheimer Glashütte nicht längst Wohnungen entstanden sind. Die Antwort ist eng mit dem Immobilienunternehmen Adler verbunden und das wiederum ist eng verbunden mit exorbitanten Preissteigerungen, zweifelhaften Käufern und zuletzt einem Geschäftsbericht, den Wirtschaftsprüfer nicht testierten. Sie konnten nicht bestätigen, dass Buchführung und Abschluss den gesetzlichen Vorgaben entsprachen.
Über die Praktiken und Ereignisse der vergangenen Monate und Jahre könnte man viel Spannendes erzählen. Das würde aber reichlich Raum einnehmen und einen weit von Gerresheim und der für Düsseldorf wichtigen Frage nach möglichen neuen Wohnungen entfernen. Ich konzentriere mich daher darauf, wem das Gelände in Gerresheim im Moment gehört und wem es bald gehören könnte. Daraus kann man dann ableiten, wann im so genannten Glasmacherviertel endlich gebaut werden könnte. Also:
Wem gehört das Gelände?
Die Eigentumsverhältnisse lassen sich mit einem kleinen Stammbaum erklären. Familienoberhaupt ist das erwähnte Unternehmen Adler. Eine der Töchter heißt BCP (Brack Capital Properties). Und eine der Töchter von BCP ist die Glasmacherviertel GmbH & Co. KG.
In diese Familie heiratet nun ein anderes Unternehmen ein: das Konkurrenz-Unternehmen LEG. Es hat 35 Prozent der Anteile von BCP gekauft. Und es hat die Option auf weitere 63 Prozent. Die Option besteht bis 30. September. Sie bedeutet: Adler muss verkaufen, wenn die LEG will. Aber die LEG muss nicht wollen. Sie kann sich auch gegen den Kauf entscheiden.
Damit bin ich bei den möglichen Szenarien.
Welche Szenarien sind denkbar?
1. Adler behält seine Anteile an BCP
Ein Branchenkenner hat mir das Geschäftsmodell von Adler mit einem anschaulichen Satz beschrieben: „Adler feiert Transaktionen, keine Richtfeste“. Sollte Adler also seine Anteile an BCP und damit das Gelände in Gerresheim behalten, kann es gut sein, dass die Spekulationen von Neuem beginnen und die Brache vorerst fortbesteht.
Einschätzung: Dieses Szenario erscheint unwahrscheinlich. Adler kämpft im Moment darum, Teile seiner Immobilien so attraktiv zu portionieren, dass wieder Geld ins Haus kommt – und mit dem Geld auch das Vertrauen. In diesem Zusammenhang spielen die beschriebenen BCP-Anteile eine große Rolle. Adler erwartet laut „Handelsblatt“ 768 Millionen Euro aus dem Verkauf, es bietet die Aktien für 157 Euro pro Stück an. Das ist eine Menge Geld und steht deshalb auch für einiges Vertrauen – auf beides wird Adler kaum verzichten können.
2. Adler kann sich nicht retten
Dieses Szenario kann aus zwei verschiedenen Gründen Wirklichkeit werden: Entweder kommt nicht schnell genug ausreichend Geld in die Adler-Gruppe, so dass sie Insolvenz anmelden muss. Oder der nicht testierte Geschäftsbericht verursacht weiteren Ärger. Adler musste bis 1. Mai einen Geschäftsbericht vorlegen, um weitermachen zu dürfen. Nun stellt sich die Frage, ob es zunächst reicht, einen Bericht vorzulegen oder ob dieser auch testiert sein muss. Auch ältere Geschäftsberichte könnten Adler Probleme bescheren. Die Bafin prüft die Bücher des Unternehmens.
Einschätzung: Über Zahlungsfähigkeit und -unfähigkeit kann man auf dem Immobilienmarkt nur spekulieren. Wichtig für Düsseldorf ist, ob BCP und das Glasmacherviertel dann Teil einer Insolvenzmasse werden und dadurch mögliche Aktivitäten vorerst ausgebremst werden. Die LEG als möglicher Käufer verneint diesen Zusammenhang. Auf meine Frage, wie ein Liquiditätsmangel bei Adler oder eine Insolvenz die Kauf-Option beeinflussen würden, antwortete das Unternehmen: „Das Bestehen der Kaufoption hängt nicht von der Liquiditätslage der Adler ab und besteht unabhängig davon, ob diese sich anders darstellt als bei Abschluss der Vereinbarung oder nicht.“ Das bedeute, es liege ausschließlich an der LEG, ob oder wann sie die Option nutzt, solange diese läuft.
3. Die LEG kauft die weiteren Anteile
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, ob es die Kaufoption nutzt. Man prüfe nach wie vor den Erwerb der Mehrheit bei BCP, hieß es auf meine Frage. Dazu analysiere man Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken (Due Diligence). Zudem hänge die Entscheidung von der „Situation am Kapitalmarkt“ ab. Das Nicht-Nutzen der Option sei ausdrücklich ein mögliches Ergebnis der Prüfung. Der Vorstandsvorsitzende Lars von Lackum bestätigte diese Haltung in seiner Rede bei der Hauptversammlung am 19. Mai.
Einschätzung: Dieses Szenario ist aktuell das wahrscheinlichste. Die LEG hat ein großes Interesse daran, dass sich die Investition in das Drittel der BCP-Aktien lohnt. Das kann sie leichter sicherstellen, wenn sie fast alle Anteile hält und nicht mehr mit dem risiko-behafteten Mehrheits-Eigentümer Adler zusammenwirken muss. Das machte sich bei meinen Interviews insofern bemerkbar, als die LEG erkennbar die Seriosität von BCP betonte. Die Aktiengesellschaft verfüge „über einen eigenen Abschluss, der bereits Ende März veröffentlicht wurde und auch testiert wurde“, hieß es in einer der Antworten.
Zugleich muss die konservativ agierende LEG genau schauen, wie hoch die Gefahren der Option sind. Das hängt zum Beispiel davon ab, wie die damit verbundenen Grundstücke bewertet sind und was sie wirklich wert sein werden. Das Glasmacherviertel hatte zum Beispiel auf dem Papier einen „Wertanstieg“ auf 375 Millionen Euro. Die Wirtschaftsprüfer der KPMG schätzten den Wert dagegen im April auf „maximal 180 Millionen Euro“. Das zeigt, wie vorsichtig ein Unternehmen da sein sollte.
Folglich erscheint eine Variante dieses Szenarios denkbar: Die LEG kauft, aber nicht zum erwähnten Preis. „Die Prüfung aller Optionen schließt Optionen mit einem anderen Pricing ein“, schrieb mir das Unternehmen. Das würde bedeuten, dass die LEG einen neuen Kaufpreis vorschlägt. Adler wäre dann (anders als bei der Option) nicht verpflichtet zu verkaufen, müsste aber aus den genannten Zwängen schauen, ob es sich trotzdem dafür entscheidet.
Sollte man sich nicht einigen oder die LEG nach ihrer Prüfung entscheiden, nicht zu kaufen, ergibt sich ein zusätzliches Szenario: Ein anderes Unternehmen kauft die BCP-Anteile. In Sicht ist aktuell niemand. Die „FAZ“ zitiert den Adler-Verwaltungsratsvorsitzenden Stefan Kirsten mit dem Satz, es sei derzeit wohl nicht die beste Visitenkarte, mit der Adler Group assoziiert zu sein. Zumindest hätten einige Banken signalisiert, erst abwarten zu wollen, ob ein Verkauf zustande komme.
Wie würde es mit der LEG weitergehen?
Hierbei muss man erneut mehrere Punkte berücksichtigen:
1. Die LEG ist keine Projektentwicklungsgesellschaft und hat in dieser Hinsicht auch nur geringe Ambitionen. Das Unternehmen plant, 500 Wohnungen im Jahr zu bauen. Vom Ziel, ab dem Jahr 2026 dann 1000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, habe sich die LEG verabschiedet, sagte der Vorstandsvorsitzende Lars von Lackum bei der Hauptversammlung am 19. Mai. Das klingt nach überschaubarem Tempo für den Fall, dass die LEG tatsächlich das Glasmacherviertel entwickelt.
2. Die LEG ist kein staatliches Unternehmen mehr, sondern privatisiert und börsennotiert. Der Vorstand hat also die Aufgabe, für eine gute Dividende zu sorgen. Aktuell beklagt das Unternehmen einen schwachen Verlauf seines Aktienkurses.
3. Noch ein Punkt, der das Tempo der Umsetzung beeinflusst: Die LEG und die Stadt Düsseldorf sprechen bisher nicht über das Glasmacherviertel. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Wohnungsausschuss hervor: „Ein Austausch mit den Beteiligten zum Stand der jeweiligen Verhandlung zwischen der LEG und BCP erfolgte bisher nicht.“ Die LEG sagte auf meine Anfrage dazu nur, dass man sich für alle Neubauprojekte an allen Standorten zügige Genehmigungsverfahren wünsche – gerade mit Blick auf die stark steigenden Baukosten.
Wie gehen die Stadt und die Düsseldorfer Politiker:innen damit um?
Die Stadt hat bei diesem Projekt anders als bei anderen noch Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Politik noch über die Frage entscheiden kann, ob sie in Gerresheim Baurecht einräumt und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Der Druck ist bei dieser Entscheidung aber hoch, weil man den angespannten Mietenmarkt entlasten möchte und die Baukosten steigen. Warten fällt folglich schwer.
Auch deshalb hat der Stadtrat am 19. Mai auf Antrag von CDU und Grünen einstimmig eine weitere Möglichkeit für Gerresheim (und das ehemalige Nirosta-Gelände in Benrath) auf den Weg gebracht. Sie haben die Verwaltung beauftragt, so genannte städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch vorzubereiten. In den Paragraphen 165 bis 171 ist dort geregelt, was eine Stadt tun kann, damit sich ein Gebiet entwickelt. Dazu gehört auch, dass die Stadt das Grundstück (zurück)kauft. Das entspricht einer Enteignung. Diese hängt von folgenden Punkten ab:
- Es muss sich um ein Gebiet handeln, das besondere Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung hat.
- Es muss zum Wohl der Allgemeinheit erfolgen. Dazu zählen „Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten“ und „Wiedernutzung brachliegender Flächen“.
- Die Ziele können anderweitig nicht erreicht werden, das heißt die Stadt hat alle milderen Möglichkeiten geprüft und ausprobiert, zum Beispiel ein angemessenes Kaufangebot an den Eigentümer.
Diese Punkte erfordern eine recht umfangreiche juristische Prüfung, auch das anschließende Verfahren wäre ein langwieriges. Wie man mit diesem Instrument arbeitet, kann das Düsseldorfer Rathaus zum Beispiel in Hamburg erfragen. Dort geht es um das ehemalige Holsten-Gelände, auf dem sich nichts tut. Eigentümer: die Adler-Gruppe.
Weiterführende Links
Die Meldung der LEG zum Kauf der BCP-Anteile ist hier zu finden.
Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beschäftigt sich auf den Seiten 89 bis 92 mit der Adler-Gruppe.
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