Warum die Post auf den klassischen Briefträger verzichten will

Er ging oft so schnell, dass er eigentlich schon lief. Eilig hatte er es immer, aber unser Briefträger grüßte trotzdem immer freundlich, bevor er wieder auf sein gelbes Fahrrad sprang und weiterfuhr. Vor ein paar Wochen kam er plötzlich nicht mehr. Verabschiedet haben wir uns nicht. Die Post kriegen wir natürlich weiterhin, aber der Zusteller ist jetzt ein anderer. Und: Er kommt nicht mehr mit dem Rad, sondern fährt mit einem Auto von Haus zu Haus. Im Gespräch mit anderen höre ich, dass sie es so oder so ähnlich erlebt haben.
Warum, erfahre ich auf Anfrage bei der DHL. Der klassische Briefträger, wie wir ihn kennen, wird in den kommenden Jahren von unseren Straßen verschwinden. Denn die Post stellt nach und nach auf ein neues System um: auf die Verbundzustellung. Die reine Briefzustellung lohnt vielfach nicht mehr, weil nicht mehr so viel geschrieben wird. 2010 kamen noch 21 Briefe auf ein Paket, 2025 erwartet die Post, dass es noch fünf sein werden und 2030 lediglich drei. Deshalb will man weg von der getrennten Zustellung. So sollen künftig – vielerorts ist dies bereits der Fall – nicht mehr Briefträger und Paketbote täglich dieselbe Straße bedienen, sondern nur noch ein Zusteller für Briefe und Pakete. Damit soll flächendeckend so zugestellt werden, wie es im ländlichen Raum ohnehin Tradition hat.
Das sei, sagt DHL-Sprecher Rainer Ernzer, die optimale und effektivste Zustelllösung, ökonomisch und ökologisch sinnvoller. Ökologisch klingt erstmal gut. Im Alltag ist das jedoch vielfach noch keine Realität. Viele Zusteller sind noch nicht mit einem elektrischen, sondern mit einem normalen Fahrzeug mit Verbrenner-Motor unterwegs. Dies ist, nach Angaben von DHL, nur eine Übergangslösung. Noch stünden nicht genug Elektroautos zur Verfügung, an vielen Standorten gebe es keine Ladeinfrastruktur. Künftig soll dies jedoch der Standard sein. Bis 2050 will die Post komplett klimaneutral sein.
So weit ist die Umstellung auf Verbundzustellung fortgeschritten: In am Rande gelegenen Stadtteilen wie Himmelgeist, Itter, Urdenbach, Holthausen und Benrath sowie in kleineren Städten im Postleitzahlen-Bereich 40 (Ratingen, Hilden, Langenfeld und Erkrath) ist vielfach schon ein Zusteller für Briefe und Pakete unterwegs. Im Zentrum von Düsseldorf und in großen Gewerbegebieten der Stadt ist die Umstellung wegen des hohen Paketaufkommens schwieriger. Deshalb setzt die Post dort noch auf getrennte Zustellung. Aber die Verbundausweisung soll ausgeweitet werden, bis die reinen sogenannten Fahrradbezirke ganz wegfallen. In diesem Jahr sind deutschlandweit schon etwas mehr als 70 Prozent der Zustellbezirke in der Verbundzustellung.
Einmal im Jahr werden die Zustellbezirke neu betrachtet und angepasst. Dabei untersucht das Unternehmen, wo „auf Verbund“ umgestellt werden kann. Dies geschieht abhängig von der – wie sie es bei der Post so schön bürokratisch nennen – „Sendungsstruktur der Bezirke“ und nicht immer „stadtteilscharf“. Das heißt, es wird nicht zwangsläufig im ganzen Stadtteil einheitlich per Verbund zugestellt.
Was vernünftig klingt, wirkt sich auf den Alltag vieler Menschen aus. Der Briefträger ist schließlich eine Institution. Viele haben über Jahre denselben Bezirk bedient. Plötzlich verschwindet ein vertrautes Gesicht, denn oft ist die Umstellung auch mit einem Personalwechsel verbunden. Es sind Zeiten, in denen viel in Bewegung ist, und nun auch das noch. Wie ich von der Post erfahre, ist das auch für viele Zusteller, die bisher nur Briefe zugestellt haben und ausschließlich zu Fuß oder mit Rad unterwegs waren, oft erst einmal gewöhnungsbedürftig. Nach einer Zeit fänden es viele jedoch gut.
Die DHL argumentiert auch mit ökonomischen Gründen. Wenn eine Person das macht, was bisher zwei erledigt haben, klingt das auf den ersten Blick, als ließen sich Stellen abbauen. Wie hoch der Einspareffekt ist, würde ich gern erfahren, man mag es mir im Detail aber leider nicht beantworten. Auf die Nachfrage, ob durch die Umstellung Arbeitsplätze eingespart würden, also wegfallen, antwortet DHL: In vielen Bezirken kriege man die Zusteller allein mit Briefen nicht mehr für einen vollen Arbeitstag beschäftigt. Durch die Umstellung auf Verbundzustellung würden daher Arbeitsplätze gesichert. Aktuell gebe es sogar steigenden Bedarf an neuen Mitarbeitern im Bereich Zustellung.
Das lässt sich im Stellenportal der DHL beobachten. Im Großraum Düsseldorf sind zahlreiche Stellen ausgeschrieben. In den meisten werden Zusteller für „Pakete und Briefe“ gesucht, für die Landeshauptstadt und für Monheim, Mettmann, Hilden, Langenfeld, Haan und Solingen. Ein Führerschein ist Voraussetzung. Aber es finden sich auch noch ein paar andere Ausschreibungen. Für Flingern wird ein reiner Paketzusteller gesucht, für Oberkassel ein Postbote. „Als Briefzusteller machst du täglich die Menschen in deinem Bezirk glücklich“, steht in der Anzeige.
Noch ist der klassische Briefträger also nicht ganz ausgestorben.