Warum die Stadt plötzlich mit dem Dorf wirbt

Der zweite Teil im Namen unserer Stadt, also das Wort Dorf, ist schon immer ein Kuriosum gewesen. Schließlich sprechen wir über eine Metropole mit über 600 000 Menschen. Irgendwie schien das unpassend, keine andere Kommune dieser Größe in Deutschland heißt ähnlich. Ortsfremde wundert es, manche machen sich lustig darüber, und die Leute hier haben sich dran gewöhnt, an einem Ort zu wohnen, der ein Dorf an der Düssel zu sein scheint.
Nun hat man sich im Rathaus überraschend auf den positiven Aspekt dieses Begriffs besonnen. Dorf – das hat etwas Überschaubares, klingt gemütlich und kuschelig. Ein bisschen nach heiler Welt, nach Dingen, die man mag, in denen man sich wohlfühlt. Das Wort ist also (wieder) positiv besetzt und keineswegs ein Hinweis auf hinterwäldlerische Rückständigkeit oder spießigen Muff.
Passend dazu baute Keller in seinen – auf Englisch – gehaltenen Vortrag das deutsche Wort schon im Titel ein: „What if the world was a Dorf?“ lautete die etwas sperrig formulierte Leit-Frage. Natürlich übersetzte er Dorf korrekt mit Village, um dann zu erklären, was er meint. Nämlich den in Düsseldorf gelungenen Versuch, die kleine Welt (die des Dorfes) mit der anderen (der einer prosperierenden Großstadt) zu einer für Investoren reizvollen neuen Arbeits- und Lebenseinheit zu verbinden. An erster Stelle stand also nicht mehr think big, sondern die Lebensqualität in einem sauberen und sicheren Umfeld.
Bedürfnisse der Menschen
Dieses Düssel-Dorf funktioniert demnach deshalb so gut, weil man sich hier in erster Linie um die Menschen kümmere und ihre Bedürfnisse ernstnehme, argumentierte der Oberbürgermeister. Ohne Frauen, Kinder und Männer keine Stadt, kein Leben, kein Erfolg, kein Fortschritt. Logisch eigentlich, aber nicht selbstverständlich, das einzusehen und die Entwicklung daran auszurichten. Griffige Zitate gab es dazu gleich mehrere: „Wir wachsen nicht nur, wir verändern uns.“ Oder: „Eine Stadt ohne Menschen wäre ein lost place – ein verlassener Ort.“ Sie könne nur so stark sein wie die Menschen, die sie ihre Heimat nennen. Da wird ihm keiner widersprechen.
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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