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Zwischen den Heizungsfronten

Im September hat der Deutsche Bundestag das neue Heizungsgesetz beschlossen. Seitdem sind viele Menschen wütend, die Grünen im Umfragetief und Anlagenmechaniker Detlef Ortlieb im Anruf-Hoch. Ich habe ihn einen Tag lang begleitet.
Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 6. Dezember 2023
Heizungsbauer Detlef Ortlieb
Detlef Ortlieb arbeitet an einer Heizungsanlage im Düsseldorfer Nordcarree.

Als im Deutschen Bundestag über die Drucksache 20/6875 abgestimmt wird, ist das eine reine Formalität. Die Regierungsfraktionen stimmen zu, die Opposition dagegen. Fünf Abgeordnete enthalten sich. Kurz scheint vergessen, wie anstrengend die Debatte zuvor bereits für höchst unterschiedliche Menschen war. Einer von ihnen sitzt an diesem 8. September selbst im Parlament. Er heißt Robert Habeck, ist Bundeswirtschaftsminister und musste für seinen Gesetzesentwurf viel Kritik einstecken. Aus der eigenen Koalition und von den Menschen im Land. Sogar Hass schlug seiner Partei, den Grünen, entgegen. Ein anderer von ihnen steht knapp drei Monate später im Heizungsraum eines großen Düsseldorfer Gebäudekomplexes und sagt: „Ich habe als Erster die Panikanrufe gekriegt.“

Der Mann, der diesen Satz sagt, ist Detlef Ortlieb. Er ist 62 Jahre alt, trägt eine schwarze Brille, einen grauen Pullover und einen Blaumann. Seinen Beruf nennt man heute „Anlagenmechaniker für Heizung, Sanitär und Klima“. Als Ortlieb seine Meisterausbildung machte, sagte man noch Begriffe wie Heizungsbauer dazu. Damals waren seine Haare und sein Bart aber auch noch nicht so grau wie sein Pullover. Und damals musste er sich auch noch nicht mit diesem Gesetz rumärgern, das in Berlin „Gebäudeenergiegesetz“ genannt wird. Draußen im Land heißt es nur Heizungsgesetz und wer darauf zu sprechen kommt, der regt sich meistens auf. Weit weniger laut sind die, die täglich mit den Folgen auskommen müssen. Menschen wie Detlef Ortlieb.

Um 8.25 Uhr, 8.30 Uhr war als Arbeitsbeginn vereinbart, steht Ortlieb bereits wartend vor seinem Haus in Heerdt. Über seinem Blaumann trägt er eine rote Jacke. Der Nieselregen ist an diesem Morgen so kalt, dass es einen wundert, dass kein Schnee fällt. Er stellt sich kurz vor und teilt dann sogleich mit, dass sich die Pläne geändert hätten. „Wir fahren jetzt nach Krefeld“, sagt er. Einem Kollegen aushelfen.

Viele Menschen müssen sich erst einmal annähern, bevor sie sich öffnen. Gerade einem Journalisten gegenüber. Detlef Ortlieb ist keiner dieser Menschen. Nach 20 Kilometern im Auto sind die entscheidenden Fragen abgehakt: Selbstständigkeit („Was Besseres konnte mir gar nicht passieren“), Auftragslage („Wir müssen uns keine Sorgen machen“), Söhne (zwei, einer arbeitet mit ihm zusammen), Enkelkinder (fünf, alle als Handyhintergrund gespeichert). Zu fast jedem Thema hat Ortlieb auch gleich eine passende Anekdote. Nur das Gesetz aus Berlin, das kommt so schnell noch nicht zur Sprache.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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